17.06.2019, 22:56
Karin Kestner war immer erreichbar – ein Anruf per Telefon oder Skype genügte und Eltern, die sich um Gebärdensprache für ihre tauben Kinder mühten, hatten eine tatkräftige Helferin mit visionären Ideen zur Seiten.
Eigentlich war Karin Kestner Gebärdensprachdolmetscherin, aber im Kontakt mit den gehörlosen Gebärdensprachnutzern erkannte sie, auf welche unüberwindlichen Barrieren gehörlose Erwachsene, Kinder und deren Eltern vielfach stoßen.
Nach dem Ideal „Geht nicht gibt’s nicht“ machte sie sich daran, Stück für Stück „Mauern einzureißen“.
Sie wurde Verlegerin und gab moderne Gebärdensprachlexika und Lernmaterialien für Kinder heraus.
Sie wälzte Gesetzesbücher und fand neue Möglichkeiten heraus, gehörlose Kinder mit Sprache zu versorgen.
Sie unterstützte Eltern bei Anträgen und begleitete sie dann auch bei Klagen. Damit verhalf Karin Kestner tauben Kindern mit hörenden Eltern durch sogenannte „Hausgebärdensprachkurse“ zu einer barrierefreien Sprache und Teilhabe in der Familie und beim Bildungserwerb.
Die Gehörlosenschulen bieten keinen Unterricht in Gebärdensprache an? Karin Kestner unterstützte Eltern bei Anträgen und gerichtlichen Kämpfen, sodass gehörlose Kinder seither Regelschulen mit Assistenz durch
Gebärdensprachdolmetscher besuchen können.
Gehörlose Kinder und Inklusion mit Gebärdensprache – ein Neuland für Eltern, Pädagogen und Gebärdensprachdolmetscher und viele Fragen… Karin Kestner schrieb Leitfäden und stellte sie unter kestner.de zur Verfügung.
Vor drei Jahren erkrankte diese Kämpferin für die Gebärdensprachrechte gehörloser Kinder schwer. Sie hat in dieser Zeit für sich gekämpft - „Aufgeben gibt‘s nicht“.
Karin Kestner hat auch in dieser schweren Zeit noch viel bewegt für die Kinder und deren Eltern, die ihren Rat und ihre Stärke benötigten. Karin Kestner unterstützte weiterhin Eltern in Not, weil Ämter Hauskurse oder Kitassistenzen verweigerten, sie gab ein Buch zu Haugebärdensprachkursen heraus, machte stark auf das Unrecht von verpflichtenden Cochlea Implantationen aufmerksam und unterstützte die „Petition Gebärdensprache umsetzen“.
Nun hat Karin Kestner wieder Neuland betreten. Wir vermissen sie schmerzlich.
In großem Respekt und übergroßer Dankbarkeit nehmen wir Abschied von Karin Kestner, der Mutter der Inklusion mit Gebärdensprache.
Link: Nachruf auf kestner.de
www.kestner.de/n/verlag/karin/Karin-Kestner-Trauer.htm
Gehörlose Kinder verabschieden sich von Karin Kestner: www.youtube.com/watch?v=i_24XV8ZYLs