04.11.2022, 19:52
Stadttauben sind genetisch erwiesen entflohene Brieftauben aus den Züchterschlägen. Ob die Tiere freiwillig oder unfreiwillig aus den Heimatschlägen entschwinden, kann in Zahlen nicht belegt werden. Jedoch muss von beiden Verursachungskonsequenzen für die Stadttaubenproblematik ausgegangen werden.
Die Züchterverbände, z. B. in Deutschland, beklagen seit Jahren ein stetes Sinken der Mitgliederzahlen. Der hohe Altersdurchschnitt in den Züchtervereinen und der fehlende Nachwuchs, werden von den verschiedenen "Reisevereinigungen" der Züchter als Gründe dafür genannt. Was mit den Brieftaubenbeständen nach dem Ableben eines Züchters, der keinen Nachwuchs/Erben mehr für seinen Taubverschlag hat, passiert, kann hier nur erahnt werden. Vermutlich landen einige der Vögel auf der Straße.
Wir vom Verein ARGE Stadttauben Salzburg haben bereits mehrmals Anrufe von Ehefrauen und Hinterbliebenen verstorbener Züchter mit der Frage erhalten, was mit den zurückbleibenden Brieftauben jetzt geschehen soll. Wenn es niemanden gibt, der die Tauben übernimmt, dann werden sie einfach auf die Straße gesetzt, war der unisono Wortlaut der Betroffenen am Telefon. In Oberösterreich gibt es mehrere Berichte von Zeuginnen, dass nach dem Ableben vom Brieftaubenbesitzer/Züchter, die Erben diesen tierischen Nachlass einfach ausgesetzt haben. Sie wollten sich um die Tauben vom Vater nicht mehr kümmern. Und so kam und kommt es in diesen Gemeinden zur bekannten Problematik mit wildlebenden Tauben.
Diese Beispiele sind in einer ernsthaften Überlegung als generelle Belege für die Stadttaubenproblematik in unseren Städten und Gemeinden zu werten. Weiters müssen auch die vielerorts bereits dokumentierten und verlorengegangenen Brieftauben aus den jährlichen Taubenrennen als Ursachen der stetig wachsenden Stadttaubenpopulation gesehen werden. Unter diesen Einflussfaktoren erscheinen die kommerziellen Lösungen der Städte und Gemeinden aussichtslos zu sein. Nach jahrzehntelanger Bewertung der Methoden eines Fütterungsverbotes in Kombination mit der industriell gefertigten Taubenabwehr muss man zum Schluss kommen, dass eine professionelle Evaluierung dieser Methoden (Konzepte?) unausweichlich erscheint. Sie wirken nicht, verschieben die Lösung nur und kosten Geld.
"Stadttauben gehören ins Stadtbild", diese gerne von verschiedenen Interessensvertretern und auch aus den Stadtverwaltungen formulierte Auffassung entspricht aber nicht den biologischen Lebenszusammenhängen. Stadttauben sind entflohene Brieftauben, deren natürliches Habitat der betreute Taubenschlag ist. Jegliche andere aufgezwungene Lebensform ist für dieses Tier eine unnatürliche Gegebenheit und eine Zumutung. Und diese unnatürlichen Gegebenheiten führen zwangsläufig zu Konflikten im urbanen Lebensraum. Menschen fühlen sich durch diese den Tieren aufgezwungene Lebensweise teilweise bedroht. Auffliegende Stadttaubenschwärme in Hinterhöfen in Filmen gerne in Szene gesetzt, heucheln eine falsche Wahrheit über die Stadttaube. Das Leben einer Stadttaube in Hinterhöfen ist alles andere als tierartgerecht. Es hat auch nichts mit einem freien Vogel zu tun!
Die unkontrollierte Situation mit den entflohenen Brieftauben in unseren Städten schreit förmlich nach einer nachhaltigen und tierartgerechten Unterbringung, um diesen auch für die Tiere unerträglichen Zustand in ein ordentliches Konzept zu integrieren. Die Methode des Fütterungsverbotes löst die Frage der weiterhin betroffenen Bewohner nicht. Es ist egal, ob das Fütterungsverbot, wie von verschiedenen Interessensvertretern behauptet, angeblich zu einer Reduktion des Taubenbestandes in unseren Städten führt, oder nicht. Diese Diskussion wird völlig falsch geführt, weil jeder verbleibende und unkontrollierbare Stadttaubenbestand weiterhin die bekannten Probleme, die die Bewohner betreffen, schafft. Das sind also keine zielführenden Maßnahmen. Sie kaschieren nur das Problem.
Jede einzelne in unkontrollierbaren Lebenszusammenhängen verbleibende Stadttaube konfrontiert uns unweigerlich mit dem Konfliktmodus, der sich aus zwei grundsätzlichen Dynamiken zusammensetzt: Da ist der gesellschaftsspezifische Konflikt mit dem unkontrollierten Tier im urbanen Raum und die Angst der Bewohner, das private Eigentum nicht vor der Verschmutzung durch die Hinterlassenschaften der Taube sichern zu können, und andererseits muss der Tierschutz konsequent gesichert werden, der aber beim konsequent durchgesetzten Fütterungsverbot in wesentlichen Zügen ausgegrenzt erscheint. Deshalb kann der einzige sinnvolle Lösungsansatz nur im beiderseitigen Konsens bestehen, nämlich das Tierschutzgesetz unbedingt in die Lösungsstrategien aufzunehmen, und die Stadttaube in betreute Lebenszusammenhänge zu integrieren. Das Augsburger Modell mit betreuten Taubenhäusern ist hier also ohne Alternativen! ( Text: Hans Lutsch / ARGE Stadttauben )