01.07.2020, 14:07
Liebe Unterzeichner*innen,
Overath scheint wohl "erstmal" kein SICHERER HAFEN für Flüchtlinge zu werden. Konkret: Gestern lief die von mir gesetzte Frist von drei Monaten zur Erreichung von mindestens 500 Unterschriften ab, und mir ist auch nicht bekannt, dass jemand anderes das Thema vor Ort voranbringt. Es haben 77 unterschrieben, davon 44 Overather Bürger*innen. Ich werde die Petition nicht übergeben, weil ich das für kontraproduktiv halte.
Im Februar 2020 hatte ich keinen Zweifel daran, dass wir in kurzer Zeit das Ziel erreichen und dass wir selbstverständlich von verschiedenen Kirchen und politischen Parteien und bekannten Personen in Overath unterstützt würden. Ich hatte nach einem Vorgespräch mit den Bürgermeister auch wenig Sorge, dass der Beitritt in das Städtebündnis ein Problem darstellen würde... Ich glaubte, des müsse einfach nur jemand anstoßen.
Dass es nicht dazu kam bzw. kommt, mag ich nun nicht nur mit "Corona" und der Angst vor möglichen (individuellen und kommunalfiskalischen) Folgen wegreden. Ich vermute zwar, dass manche an der komplizierten Form der Online-Petition (wegen Corona leider unsere einzige) gescheitert sind, aber sicher nicht hunderte.
Ich denke: Es mangelt in Overath tatsächlich an der Bereitschaft!
Nach meinem gestrigen Besuch meiner Enkelinnen, die von all dem noch nichts wissen, weil sie noch zu jung sind, kam mir der Gedanke, was ich ihnen wohl in ein paar Jahren sagen werde, wenn sie mich vielleicht danach fragen... Ich schäme mich schon jetzt, und ich bin ratlos. Natürlich hat "Corona" viele dumme Egoismen zu Tage treten lassen, die vorher schon da waren, auch bei mir selber. (Ich möchte auch nicht verschweigen, dass ich neben den faschistoiden Online-Kommentaren auch entsprechende Anrufe bekommen habe. Entschuldigt bitte auch, dass ich die Facebook-Seite "Overather Seebrücke" schließe, obwohl sie einige von Euch "abonniert" haben. Ich fühle mich bei "facebook" nach wie vor nicht wohl.)
Ich weiß, es gibt natürlich andere Ansätze, etwas zu bewirken, aber ich möchte mich weder selbst in die nächste Aktion stürzen noch Euch gleich dafür werben.
Besonders beschämend fand ich eine Notiz im der Nr. 10/2020 der Zeitschrift Publik-Forum unter der Überschrift: "Etikettenschwindel der Bundesregierung
1600 Kinder und Jugendliche aus griechischen Flüchtlingslagern sollten »gemeinsam mit unseren europäischen Partnern« nach Europa geholt werden - so hatte es die Bundesregierung im März angekündigt. Zwischen 350 und 500 Minderjährige wollte allein Deutschland aufnehmen. Gekommen sind bislang: 47. Ein Koalitionsbeschluss sah vor, Kinder aufzunehmen, die schwer krank oder unbegleitet und jünger als 14 Jahre alt seien. Viele Hilfsorganisationen, darunter auch Ärzte ohne Grenzen, erstellten Listen mit besonders gefährdeten Kindern. Deren Mitarbeiter sammelten Namen und Daten von mehr als 150 Kindern, die wegen schwerer Erkrankungen dringend evakuiert werden müssten. Doch am Ende kam kein einziges dieser Kinder mit. ... unter den nach Deutschland eingeflogenen Kindern aus Eritrea, Syrien und Afghanistan (waren) viele, die ohnehin einen Rechtsanspruch auf Familienzusammenführung hatten, weil Verwandte bereits in Deutschland leben. Familienzusammenführung wurde von der Bundesregierung also als humanitäre Aktion verkauft - während auf Lesbos, Samos und weiteren Inseln schwer kranke oder behinderte Kinder weiterhin im Elend ausharren müssen. Einigen von ihnen war schon versprochen worden, dass sie nach Deutschland dürften. Dann hat man sie doch sitzengelassen."
Trotz allem möchte ich Euch von Herzen dafür danken, dass Ihr - vielleicht ungeachtet irgendwelcher Erfolgsaussichten - unterschrieben habt!
Reinhard Egel-Völp, Overath, 1. Juli 2020