22.09.2022, 23:45
Karlsruhe ist käuflich
Zur Turmbergbahn:
Am 26. Juli zitierten die BNN den Oberbürgermeister Frank Mentrup mit den Worten: „Sie haben sich sehr engagiert, und Ihre Argumente sind auch im Ortschaftsrat Durlach und im Gemeinderat angekommen“, trotzdem sei der Grundsatzbeschluss (zur Verlängerung der Turmbergbahn) nicht in Frage gestellt worden.
Mit höflich artikulierter Wertschätzung ließ der Karlsruher Bürgermeister die Durlacher Dauernörgler quasi wissen, dass deren Argumente niemanden interessieren. Denn Karlsruhe ist käuflich.
Bereits für Mentrups Vorgänger im Amt waren die Millionen der Landesregierung handlungsleitendes Alibi, um den Karlsruher Verkehrsverbund seine U-Bahn bauen zu lassen und den Marktplatz in eine zeitgemäß gestaltete Wüste zu verwandeln. Und so zeigt auch das Turmbergbahnprojekt, was viel Geld erreicht: innovative Sichtweisen dessen, was erforderlich, geeignet und angemessen zu sein hat.
Wir bekommen Geld einer grünen Landesregierung dafür, eine bestehende funktionierende kleine Bergbahn abzureißen und stattdessen eine hochmoderne große Freizeitbahn unter erheblichem Verbrauch von Grünflächen, Rohstoffen und Energie zu bauen – so viel zum Thema Umweltschutz, Nachhaltigkeit, CO2-Bilanz. Man muss nicht am Turmberg wohnen, um zu begreifen, dass eine Schneise mit knapp zwei Meter hohen Wänden über die gesamte Länge einer Haupterschließungsachse einen massiven Eingriff in das Stadtviertel darstellt, es nicht nur zerschneidet, sondern den Straßenraum als Sperre dominiert, und zwar an 24 Stunden, sieben Tage die Woche. Und das alles für eine Freizeitbahn (!), deren Erfordernis weder gegeben noch als unabdingbar für das Allgemeinwohl gelten darf. Aber wie bereits Dürrenmatts „Besuch der alten Dame“ gezeigt hat, sind Städte mit Aussicht auf Millionengeschenke schnell bereit, das Allgemeinwohl unkonventionell zu definieren und Kollateralschäden wegzuschweigen.
Denn wenn als „erforderlich“ erkannt wird, die Gipfel des Nordschwarzwaldes ans KVV-Netz anzubinden, sind bald auch die Tage der Merkurbahn gezählt und ein Planfeststellungsverfahren für die neue Trasse an den Mummelsee und auf die Hornisgrinde einzuleiten.
Nun haben städtebauliche oder architektonische Qualitäten in einer Weinbrennerstadt erfahrungsgemäß keine erkennbare Priorität mehr; aber wenigstens das Prinzip der Verhältnismäßigkeit sollte gewahrt bleiben. Und genau dies sollte in der „Residenz des Rechts“ nun juristisch überprüft werden.
Klare Worte: Leser Hans-Henning Müller hat viele Kritikpunkte an der geplanten Verlängerung der Turmbergbahn, hier ein Archivbild, unter anderem den Verbrauch von Rohstoffen, Grünflächen und Energie. Er fordert, dass trotz aller Umstände das Prinzip der Verhältnismäßigkeit gewahrt werden müsse.
Foto: Peter Sandbiller