06.05.2024, 16:26
Ich wurde aufgefordert, für meine Darstellung Belege zu liefern. Dies habe ich getan. Leider war der Text durch meine Belege und Quellenangaben zu lang geworden (5.262 Zeichen). Deshalb musste ich den Text kürzen und umbauen und hoffe, dass er nunmehr Ihre Kriterien erfüllt und wieder zugänglich gemacht werden kann.
Danke sagt Paul Bartsch
Neue Begründung:
Im Januar 2024 hat der ostdeutsche Liedermacher und Songpoet Hans Eckart Wenzel mit seiner Band im Werk 2 in Leipzig ein ausverkauftes Konzert gespielt. Danach wurde Wenzel vom Veranstalter schriftlich mitgeteilt, dass er dort nicht mehr spielen dürfe. Das Auftrittsverbot wurde begründet mit seiner angeblich „verfälschende(n) Glorifizierung der DDR-Vergangenheit“ und „die Verwendung von rassistischen Wörtern und Sprachmustern“, zudem wurde Wenzel ein „positiver relativierender Bezug zu Putin“ unterstellt. Weiterhin habe er sich über „sensiblen Sprachgebrauch amüsiert“ (also das Gendern) sowie Witze „über die Gefahren der Corona-Pandemie und über nonbinäre Personen“ gemacht; eine Besucherin habe unter Tränen den Saal verlassen.
Nein, es geht mir nicht um Wenzel als Person. Auch nicht um die bloße Zustimmung zu seinen oft ironisch und satirisch zugespitzten Positionen.Positionen, die ich keineswegs uneingeschränkt teile. Und auch nicht darum, dass man zu künstlerischen Darbietungen, Aussagen und Haltungen nicht generell unterschiedlicher Meinung sein und darüber trefflich streiten kann und darf – im Gegenteil: Davon lebt die Kunst!
Mir geht es um den offensichtlichen Versuch, alle von der eigenen als alleingültig und moralisch korrekt verstandenen Auffassung abweichende Haltungen zu unterdrücken, zu diffamieren und zu diskreditieren. Das ist das Gegenteil eines offenen Diskurses!
Dass es im aktuellen Fall Wenzel getroffen hat, ist dabei fast ein Zufall, denn es gab ähnliche Vorfälle bereits in anderen Kontexten und mit anderen Personen, deren künstlerische, journalistische, politische oder auch wissenschaftliche Arbeit das Missfallen vermeintlich woker Gesinnungswächter (m/w/d) auf sich gezogen hat. Nun also Wenzel, undaber vielleicht (das zumindest wäre ein positiver Effekt dieses unglaublichen Vorfalls im Frühjahr 2024) sollte dies das Fass zum Überlaufen bringen. Ich will Wenzels Argumentation hinsichtlich des ihm gegenüber durch die Kulturverantwortlichen des Leipziger Werks 2 ausgesprochenen Auftrittsverbots nicht wiederholen – man kann sie in seinem Offenen Brief (Junge Welt, 4. Mai 2024, S. 11) nachlesen. Und ich will es auch nicht bei einer bloßen Solidarisierung mit Wenzel belassen, die es freilich braucht, sondern vielmehr Einzelpersonen, aber auch Vereine, Verbände und Institutionen konstruktiv auffordern, aktiv gegen jegliche Verhaltensweisen vorzugehen, die – ausgestattet mit den ideologischen Scheuklappen einer reizwortbeschränkten Wachsamkeit – darauf gerichtet sind, die künstlerische Freiheit zensorisch einzuschränken, die eigenen Auffassungen zur alleingültigen Richtschnur zu erklären und das demokratische Verständnis einer offenen Gesellschaft mit scheinlinken Argumenten zu konterkarieren.
Ich unternehme dies als Germanist und Literaturwissenschaftler, als Autor, Liedermacher und Journalist, aber vor allem als Mensch und alter weißer Mann, der genau die Hälfte seiner nunmehr 70 Lebensjahre in einer Gesinnungsdiktatur verbracht hat und nun wieder in der Sorge lebt und arbeitet, dass uns ein Rückfall in kulturstalinistische Praktiken drohen könnte.
Dieser Gefahr können wir nur gemeinsam entgegentreten, indem wir
- die Kunst als besonderen und besonders schützenswerten öffentlichen Diskursraum der Zivilgesellschaft verstehen, erhalten und befördern;
- diesem Grundsatz entgegenstehende Verhaltensweisen im Kulturbetrieb publik machen und anprangern;
- Veranstalter und Institutionen, die diese Offenheit durch Verbote und Restriktionen bedrohen, mit geeigneten Mitteln auffordern, ihre Haltung zu überprüfen, und sie andernfalls selbst boykottieren,
sowie
- Auftritte von anderswo durch Verbote und Restriktionen betroffenen Künstlerinnen und Künstlern ermöglichen, unterstützen und verstärkt besuchen.
Ihr seht: Diese Petition richtet sich in erster Linie an uns selbst! SieDa Petitionen auf diesem Portal auch einen staatlichen Empfänger benötigen, wird sie zudem an die Kulturstaatsministerin Claudia Roth (MdB/Die Grünen) als Unterschriftenliste überreicht werden, deren Aufgabe es u. a. ist, die "Rahmenbedingungen für den Kultur- und den Medienbereich ... kontinuierlich weiterzuentwickeln und zu verbessern".
Dennoch gibt es keinen, der die aufgezeigten Probleme für uns lösen kann. Adressat ist also letztlich die demokratische Gesellschaft, und das sind wir alle: Künstlerinnen und Künstler, Veranstalterinnen und Veranstalter, Besucherinnen und Besucher, Menschen wie Du und ich! Ganz im Sinne von Rio Reiser: „Wann, wenn nicht jetzt / Wo, wenn nicht hier / Wie, wenn ohne Liebe / Wer, wenn nicht wir?!“
Deshalb danke ich schon jetzt für Ihre und eure Unterstützung – sie dient letztlich der Kunst- und der Meinungsfreiheit und somit uns allen.
Neues Zeichnungsende: 04.08.2024
Unterschriften zum Zeitpunkt der Änderung: 69 (68 in Deutschland)