Region: Berlin
Bildung

Büchervernichten in Berlin? Bibliotheken werden kaputt rationalisiert

Petent/in nicht öffentlich
Petition richtet sich an
Abgeordnetenhaus Berlin, Stiftungsrat der Zentral- und Landesbibliothek

20.498 Unterschriften

Bearbeitungsfrist abgelaufen

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  1. Gestartet 2014
  2. Sammlung beendet
  3. Eingereicht
  4. Dialog
  5. Gescheitert

Neuigkeiten

05.03.2015, 20:20

Am Montag, dem 2.3.2015 konnten sich die Berliner PolitikerInnen von Opposition und Regierungsfraktion im Kulturausschuss des Abgeordnetenhauses ein Bild von der Kontroverse um die Buchanschaffung in der ZLB machen.

Vorstand und Kulturmanager Volker Heller, der die eigenständige Buchauswahl der ZLB abschaffen will, hatte sich Verstärkung mitgebracht, seinen Gutachter Prof. Dr. Konrad Umlauf und die Direktorin der Hamburger Öffentlichen Bücherhallen, Frau Hella Schwemer-Martienßen. Alle drei beharrten auf ihrem marktwirtschaftlichen Rationalisierungsmodell.

Und genau das kritisierten die Vertreter der Belegschaft und des Publikums, Lothar Brendel als
Personalratsvorsitzender der ZLB und Peter Delin als Gegengutachter des Personalrats.

Das geplante Modell, die deutschlandweit standardisierte Einheitsauswahl der ekz-bibliotheksservice GmbH (EKZ) als Paket komplett zu übernehmen, ist in Deutschland völlig unüblich. Das gibt es nur in den beiden Zentralbibliotheken von Bremen und Hamburg. Beide Bibliotheken mussten vor 20 Jahren zu dieser Notmaßnahme greifen wegen radikaler Etatkürzungen durch ihre Landesregierungen.

Volker Heller will dieses extreme Rationalisierungsmodell heute für die ZLB übernehmen, weil er Personal für Zukunftsaufgaben freisetzen will. Die konnte er aber im Ausschuss immer noch nicht konkret benennen. Staatsekretär Tim Renner stellte sich voll hinter diese „Pläne“, indem er den KritikerInnen „nackte Angst vor Veränderungen“ unterstellte – dies war sein einziger Kommentar zur Diskussion.

Die drei Oppositionsparteien Grüne, Linke und Piraten bekannten sich klar gegen die Pläne Volker Hellers. Sie bestanden auf der Vielfalt der Buchauswahl in der ZLB durch einen eigenen Stab von Fachlektoren, die den Bedarf des Berliner Publikums kennen.

Heiß wurde es, als die Opposition aufdeckte, dass hier das alte Modell einer „Verbrauchsbibliothek“ stückweise durchgezogen werden soll. Dieses Konzept war 2010 von einer Strukturkommission für die ZLB empfohlen worden. Der damalige Stiftungsratsvorsitzende Volker Heller hatte sie eingesetzt. Die ZLB sollte demnach in eine wissenschaftliche Landesbibliothek und eine öffentliche Verbrauchsbibliothek für das „Massengeschäft“ (O-Ton Volker Heller) aufgespalten werden.

Folgende 4 Kriterien hatte die Strukturkommission 2010 für die ZLB als typische Verbrauchsbibliothek festgelegt:
1. nur aktueller Bestand der letzten 10 Jahre und konsequente Aussonderung in der Größenordnung der Neuanschaffungen
2. Aussonderung von Medien, die zwei Jahre nicht genutzt worden sind
3. Sammlungsniveau nicht höher als in zentralen deutschen Großstadtbibliotheken üblich
4. „Kennzahlengestützte Steuerung“ nach Prof. Dr. Konrad Umlauf, d.h. Fachgebiete mit höheren Ausleihen bekommen mehr Kaufetat und Regalplatz in der Bibliothek. Die anderen werden entsprechend reduziert. (Kommissionsbericht S. 35)

Buchaussonderungen im großen Stil sind für die ZLB also unvermeidlich, wenn man das Konzept der Verbrauchsbibliothek verfolgen will. Volker Heller hatte bereits bei seinem Dienstantritt 2012 in der ZLB festlegen lassen, dass Bücher mit geringen Ausleihzahlen ausgesondert werden.

Brigitte Lange, Kultursprecherin der SPD, nahm zu den im Ausschuss diskutierten Problemen gar nicht Stellung. Sie schoss sich stattdessen auf den Titel der Petition ein („Büchervernichten in Berlin?“ - mit Fragezeichen! - „Bibliotheken werden kaputt rationalisiert“) und erhob den Vorwurf, die Petition würde diejenigen, die die ZLB-Buchbestellungen an die EKZ auslagern wollen, mit den Bücherverbrennern im Nationalsozialismus vergleichen und damit gutmeinende BürgerInnen irreleiten.

Der Managementdirektor der ZLB, Volker Heller wies das Verlangen der KritikerInnen innerhalb der Bibliothek zurück, bei den Entscheidungen beteiligt zu werden: "Strategische Entscheidungen wie die über die „Standing Order“ [gemeint ist hier die Abnahme des Buchpakets von der EKZ; EM] werden in der Leitung getroffen und nicht durch Basisdiskussionen."

Eckart Müller, Nutzer der ZLB und Petetent
Peter Delin, ehem. Leiter des Bereichs Film in der Amerika Gedenkbibliothek Berlin (AGB)


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