24.02.2016, 16:13
Christine Liedtke muss ihr Haus nicht abreißen
Kürten.
Vor Glück überschlägt sich Christa Liedtkes Stimme: „Mein Haus darf stehen bleiben.“ Die Kürtenerin hat überraschenderweise in zweiter Instanz den vier Jahre andauernden Rechtsstreit mit dem Rheinisch-Bergischen Kreis gewonnen.
Der 7. Senat des Oberverwaltungsgerichts in Münster hat entschieden, dass die Anordnung des Rheinisch-Bergischen Kreises, das vor Kriegsende errichtete Fachwerkhaus abzureißen rechtswidrig ist.
Damit hat die Geschichte, die vier Jahre lang Christa Liedtke und die ganze Gemeinde Kürten in Atem gehalten hat, ein vorläufiges Ende.
In ihrem Urteil trugen die Richter aus Münster den historischen Besonderheiten Rechnung und bemängelte, dass der Kreis es versäumt habe, seinen Ermessensspielraum angemessen auszuschöpfen. Die Baubehörde pochte hingegen auf das Baurecht und verlangte den Abriss des Schwarzbaus, weil die Baugenehmigung nicht mehr auffindbar ist.
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Die Idylle trügt: Das mehr als 70 Jahre alte Fachwerkhaus am Breibacher Weg soll dem Erboden gleich gemacht werden.
Schwarzbau in Kürten
Das Haus in Kürten, das es nicht geben darf
In diese Entscheidung sei nicht eingeflossen, so das Gericht, dass in dieser Zeit der Kriegswirren, vielfach Aktenbestände verlorengegangen sein können. Stattdessen hätte der Kreis aufgrund einer sogenannten Stichtagsregelung erwägen müssen, nicht gegen den Schwarzbau einzuschreiten. Gemeint ist, dass für in der Kriegs- und Nachkriegszeit errichtete Wohnhäuser ein Datum festgesetzt wird, bis zu welchem sie toleriert werden, auch wenn Unterlagen fehlen.
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Urteil wird Signalwirkung haben
Das Urteil wird eine Signalwirkung haben. Denn bundesweit sind im Krieg vor allem in ländlichen Gebieten aus der Not heraus viele solcher Gebäude entstanden. Nach so vielen Jahren ist es oft unmöglich für die Eigentümer, die vollständigen Unterlagen zu beschaffen. Allein in in der Gemeinde Kürten soll es bis zu 50 Häuser geben, die deshalb vom Abbruch bedroht sind.
So reagiert die Kürtener Lokalpolitik
Kurz nach der Urteilsverkündigung war die Nachricht auch beim Kürtener Bürgermeister Willi Heider (parteilos) angekommen: Christa Liedtke muss ihr Wohnhaus am Breibacher Weg nicht abreißen, die Abrissverfügung des Kreises ist rechtswidrig. „Ich habe gehofft, dass das Verfahren so ausgeht und freue mich mit Frau Liedtke“, kommentiert ein erleichterter Bürgermeister den Spruch des Oberverwaltungsgerichts. „Ich finde das Urteil gut.“
Die Gemeinde habe alles in ihrer Macht stehende versucht, um Christa Liedtke zu helfen. „Mit der Außenbereichssatzung hat es leider nicht geklappt.“ Dass die Richter der zuständiger Bauverwaltung des Rheinisch-Bergischen Kreises einen größeren Ermessensspielraum einräumten, helfe auch bei ähnlich gelagerten Fällen. Obwohl der Kreis unterlegen sei, könne er künftig sein Ermessen großzügiger gestalten. „Ich denke, dass auch der Kreis darüber erleichtert ist.“ Vielleicht habe auch der Druck der Öffentlichkeit bei der Entscheidung Einfluss gehabt.
Jochen Zähl (CDU) ist Vorsitzender des Kürtener Planungsausschusses. „Gehofft“ habe er auf diesen Ausgang. Zähl sieht im Urteil eine Einzelfallentscheidung, die aber grundsätzlich den Ermessensspielraum der Baubehörde ausweite. „Ich hoffe auf ein Umdenken beim Kreis.“
„Ein vernünftiges Urteil“, sagt FDP-Vorsitzende Mario Bredow. Auf Antrag der FDP-Fraktion hatte der Rat einer Außenbereichssatzung am Breibacher Weg erlassen; der Kreis hatte diese später aufgehoben. Mit dem Hinweis, dass Aktenbestände durch Kriegsereignisse im Zweiten Weltkrieg abhanden gekommen sein könnten, habe das Urteil für ihn auch eine grundsätzliche Bedeutung. „Im Nachhinein kann man sehen, dass die Kreisverwaltung durchaus einen Ermessensspielraum gehabt hatte.“
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