23.02.2016, 10:51
In Kürten steht ein Haus, das es nicht geben darf. Nach vier Jahren voller Gerichtsprozesse könnte es in der Klage der Kürtener Hausbesitzerin Christa Liedtke eine Entscheidung geben.
www.rundschau-online.de/rhein-berg/schwarzbau-in-kuerten-das-haus-in-kuerten--das-es-nicht-geben-darf,16064474,33835608.html
Was bisher geschah:
Januar 2011: Christa Liedtke beabsichtigt ihr Haus zu verkaufen und erkundigt sich beim Kreis nach der Baugenehmigung.
August 2012: Der Rheinisch-Bergische Kreis leitet eine Ordnungsverfügung auf Beseitigung aller Bauten ein. Christa Liedtke als Nießbrauchberechtigte und ihre Tochter als Eigentümerin legen dagegen Klage ein.
November 2013: Das Verwaltungsgericht Köln weist die Klagen von Christa Liedtke und ihrer Tochter zurück. Beide beantragen Berufung beim Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster.
Mai 2014: Der Kürtener Gemeinderat verabschiedet eine Resolution an Landesbauminister Michael Groschek. Das Land solle Regelungen für Häuser prüfen, die im Krieg entstanden sind.
Juni 2014: Die IG Bürger gegen Behördenwillkür reicht eine Petition im Bundestag ein. Eine Antwort steht bis heute aus.
Juli 2014: Groschek lehnt die Resolution des Gemeinderates ab.
September 2014: Der Rat der Gemeinde Kürten beschließt eine Außenbereichssatzung für den Breibacher Weg. Der Kreis erklärt die Satzung für ungültig.
Dezember 2014: Als Ergebnis der Beratungen im Petitionsausschuss des Landes bietet der Kreis zum zweiten Mal ein lebenslanges Wohnrecht an. Christa Liedtke lehnt ab.
Dezember 2014: Christa Liedtke findet in einer Online-Petition 10 402 Unterstützer plus 2304 Unterschriften aus Kürten. Eine Reaktion des Deutschen Bundestages gibt es bis heute nicht.
Februar 2015: Das OVG Münster setzt vergeblich einen Mediator ein, der zwischen Liedtke und dem Kreis vermitteln soll.
Dezember 2015: Das Verwaltungsgericht Köln bestätigt die Auffassung des Kreises, dass eine Außenbereichssatzung widerrechtlich ist.
Februar 2016: Der Gemeinderat zieht die Berufung zur Außenbereichssatzung zurück. (ub)
Kürten.
Die Anspannung ist groß bei Christa Liedtke. Seit vier Jahren kämpft sie mit aller Kraft um ihr Haus in Breibach, das es nicht geben darf. Jetzt rückt der Tag der Entscheidung näher.
Am Mittwoch verhandelt das Oberverwaltungsgericht Münster die Ordnungsverfügung des Rheinisch- Bergischen Kreises. Darin ordnet die Behörde an, dass die Familie das mehr als 70 Jahre alte Fachwerkhaus auf eigene Kosten abreißen lassen soll. Der Kreis sieht in dem Haus einen Schwarzbau. Die Baugenehmigung ist nicht mehr auffindbar. Der Fall hat bundesweit Schlagzeilen gemacht. Wie er ausgeht, ist völlig offen.
Christa Liedtke glaubt, dass sich alles zum Guten wendet, auch wenn sie schon viele Rückschläge einstecken musste. „Es ist doch völlig unlogisch, ein vollkommen intaktes Gebäude dem Erdboden gleich zu machen.“ Zumal doch dringend Wohnraum für Flüchtlinge benötigt werde. „Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass Behörden so engstirnig sein können“, meint die 77-Jährige. In ihrer Stimme schwingt Wut mit. Niemand, „wirklich niemand“, habe sich in all den Jahren an dem Haus gestört. Die ehemalige Sportlehrerin fühlt sich wohl dort am Breibacher Weg. Sie ist die vierte Besitzerin des Hauses mit der Fassade aus Fachwerk mit Blick auf grüne Wiesen.
Dieser Hintergrund ist den Behörden und den Gerichten bekannt. Bundesweit sind so vermutlich Tausende dieser Schwarzbauten entstanden. Allein in der kleinen Gemeinde Kürten soll es bis zu 50 solcher Gebäude geben. Für alle werden seit Jahrzehnten Grundsteuer, Kanal-, Wasser- und andere Gebühren gezahlt.
Trotzdem: Für die Bauaufsicht des Kreises ist das Haus am Breibacher Weg 60 ein klarer Fall von Schwarzbau. Es stehe im sogenannten Außenbereich, wo nur landwirtschaftlich genutzte Gebäude erlaubt seien, begründet die Behörde ihr striktes Vorgehen. Weil keine Baugenehmigung existiere, bestehe auch kein Bestandsschutz. Aus Gründen der Gleichbehandlung müsse für das Objekt Baurecht angewandt werden, alles andere sei Willkür, beruft sich der Kreis auf die gesetzlichen Vorgaben.
Zwar hat der Kreis als Kompromiss eine Duldung angeboten, so lange Christa Liedtke lebt, erst dann sollte die Abrissverfügung gültig werden. Doch die Kürtenerin hat das Angebot als „inakzeptabel“ ausgeschlagen: „Es geht mir nicht nur ums Prinzip.“ Der Verlust ihres Hauses sei auch eine existenzielle Bedrohung, sagt sie, „meine Altersvorsorge wäre dahin“. Das Gebäude dürfe weder verkauft noch vermietet werden. Die Abbruchkosten in Höhe von 90 000 könne sie nicht aufbringen.
Auch wenn der so viele Jahre andauernde Rechtsstreit manchmal nicht leicht durchzuhalten gewesen sei: Christa Liedtke liebt das Haus, das ihr so viel Ärger eingebracht hat, noch immer.