15.06.2019, 02:03
Truckenthal/Thüringen, 8. Juni 2019.
„Angeklagt – Gegen die Fluchtursachen und die reaktionäre Flüchtlingspolitik. Für das Recht auf Flucht und für das Recht, die Welt zu verändern“
Das Tribunal begann mit der Anklagerede von Alassa M. als anerkanntem Vertreter und gewähltem Sprecher der Selbstorganisation von Geflüchteten, die als Videobotschaft eingebracht wurde. Trotz Antrag wurde ihm erneut die Teilnahme am Tribunal vom BaMF untersagt! Die Anklage umfasste vier Punkte - von der Jahrhunderte langen Geschichte kolonialer und imperialistischer Ausplünderung der Schätze der Völker der Welt, der heutigen Verantwortung des Imperialismus für die Fluchtursachen, der Missachtung der Menschenrechts der Geflüchteten und des Rechts, gegen Fluchtursachen zu kämpfen bis zu den Hasskampagnen und Verleumdungen gegen die Flüchtlinge und ihre Selbstorganisationen und Vertreter.
Mit Empörung wurden dann die Statements von Innenminister Seehofer quittiert. Er war höflich persönlich eingeladen worden, war aber nicht gekommen. Sein Standpunkt kam jedoch in den eingespielten Zitaten deutlich zum Ausdruck.
Bewegend und beeindruckend war der Mut, mit dem anschließend fast 30 Zeugen vor Publikum ihre Erfahrungen schilderten: Die Willkür und Kaltherzigkeit, die sie in Ämtern erleben, die Angst vor der Polizei, die inzwischen Nacht um Nacht in die LEA kommt und den Geflüchteten den Schlaf raubt, die Zermürbung, die Ausgrenzung, das unsagbare Leid, das Frauen und Kinder bei der Flucht erleben. Die Folgen der Ausplünderung der Länder und die Mitverantwortung deutscher Konzerne für Kriegsproduktion, Massensterben und die Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen die täglich neue Fluchtgründe schaffen.
Beeindruckend aber war vor allem die Atmosphäre von Zuversicht und Kampfgeist, gemeinsam diesen Angriffen zu widerstehen, nicht aufzugeben, nicht den Mut zu verlieren, sondern sich nur umso fester miteinander zu verbinden.
So endete das Tribunal mit dem Schuldspruch des Publikums, das nicht nur Seehofer sondern "allen Müttern und Vätern des Imperialismus" die Höchststrafe wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zuerkannte, weil sie für Tod, Folter, Vergewaltigung, Not und Elend verantwortlich sind - verbunden mit der Selbstverpflichtung der Anwesenden, sich – jeder nach seinen Möglichkeiten - einzusetzen für eine Welt, in der kein Mensch fliehen muss, wo es keine Grenzen gibt, eine Welt, die allen Menschen offen steht und deren Schätze allen gleichermaßen zugute kommen.
Auf Vorschlag von Isayah E. - ebenfalls Leader der Selbstorganisation der Geflüchteten in Ellwangen und einer der drei Verhandlungsführer des Tribunals - wurde das Tribunal beendet als ein großes Fest der Solidarität: mit Musik und Tanz und der Verbrüderung von Zeugen und Publikum.
Demnächst erscheint die Dokumentation des Tribunals in Buchform bei der Mediengruppe Neuer Weg GmbH, Tel. 0201/25915, Alte Bottroper Str. 42, 45356 Essen, vertrieb@neuerweg.de - es kann ab sofort dort bestellt werden.