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Neuigkeit lesenPetition richtet sich an: Deutsche Gesellschaft für Soziologie
Liebe Kolleg/innen,
die massiven gesellschaftlichen Umwälzungsprozesse der letzten Jahrzehnte haben weder vor der Wissenschaft im Allgemeinen noch vor der Soziologie im Besonderen halt gemacht. Deregulierung, Aktivierung und Wettbewerbsorientierung haben hoch problematische Entwicklungen nach sich gezogen, nicht zuletzt eine zunehmende Prekarisierung von Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen.
Wir, eine status- und generationenübergreifende Gruppe wissenschaftlicher Mitarbeiter/innen, fordern mit diesem offenen Brief die Deutsche Gesellschaft für Soziologie und ihre Mitglieder auf, sich aktiv und kritisch mit diesen Entwicklungen auseinanderzusetzen und sich zukünftig für gute Arbeits- und Beschäftigungsverhältnisse ebenso einzusetzen wie für die bereits bestehenden wissenschaftlichen und forschungsethischen Standards. Wir fordern dazu auf, einerseits bestehende Handlungsspielräume zu nutzen, und sich andererseits langfristig für die Verbesserung von Beschäftigungsverhältnissen hochschulpolitisch konsequent einzusetzen.
Am stärksten trifft die Prekarisierung den sogenannten wissenschaftlichen Nachwuchs - die größte Beschäftigtengruppe. Für sie gibt es keine planbaren Beschäftigungsperspektiven in der Wissenschaft. Sie sieht sich Teilzeitbeschäftigung, Befristung, Kettenverträgen und Stipendien anstelle von sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnissen ausgesetzt. Diese Probleme zeigen sich aber in jeder Phase der wissenschaftlichen Laufbahn: Promovierende kämpfen mit ihrem ungeregelten Rechtsstatus und persönlichen Abhängigkeiten. Lehrbeauftragte halten mit kümmerlich bezahlten Lehraufträgen die Studiengänge aufrecht. Postdocs scheitern schnell am Wissenschaftszeitvertragsgesetz und haben in der derzeitigen Lage nur wenig Aussicht auf eine Entfristung ihrer Stelle. Privatdozent/innen leisten unbezahlte Titellehre. Juniorprofessor/innen haben in der Regel keine Verstetigungsoption. Professuren werden zunehmend befristet vergeben. Und auch die sogenannten Sonstigen Mitarbeiter/innen leiden unter den Anforderungen durch immer mehr Drittmittelverwaltung und Fluktuation der Beschäftigten.
Ein Blick in die Personalstatistiken des Statistischen Bundesamts belegt die verschärfte Konkurrenzsituation und die Zuspitzung auf die Professur in der deutschen Wissenschaft eindrücklich: Von 2003 bis 2012 wurde die Zahl der wissenschaftlichen und künstlerischen Mitarbeiter/innen an deutschen Universitäten um 44.914 (von 120.545 auf 165.459) Personen erhöht. Getragen wird dieser Aufwuchs fast ausschließlich von Projektstellen mit kurzen Vertragslaufzeiten. Die Zahl der ordentlichen Professuren hingegen ist im gleichen Zeitraum nur um 618 (von 21.129 auf 21.747) gestiegen. Gleichzeitig werden unbefristete Stellen immer weiter abgebaut. Im internationalen Vergleich weist Deutschland einen äußerst geringen Anteil an festen Stellen im Wissenschaftssystem auf. Die seit je hohe berufliche Unsicherheit hat in den letzten Jahren noch einmal drastisch zugenommen.
Diese Situation ist jedoch keine über uns hereingebrochene Naturkatastrophe, sondern das Resultat politisch gesteuerter und gestaltbarer Entwicklungen. Wissenschaftspolitisch gilt die Verstärkung des Wettbewerbs um Stellen und Ressourcen als Mittel zur Qualitätssicherung und damit zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Wissenschaftssystems. Dieser Sichtweise widersprechen wir aufs Schärfste.
Begründung
Wir sind der Auffassung, dass Kooperation die grundlegende Bedingung für wissenschaftliches Arbeiten darstellt, nicht aber verschärfte Konkurrenzverhältnisse und berufliche Existenzangst. Ein ausreichendes Maß an Planbarkeit muss im Wissenschaftssystem gegeben sein, um den Zugang und Verbleib für alle engagierten Wissenschaftler/innen sicherzustellen und besonders verletzbaren Personengruppen gute Bedingungen einzuräumen und Benachteiligungen auszuräumen.
Wir begrüßen die Forderung der Hochschulrektorenkonferenz nach einer Ausweitung der Grundfinanzierung und mehr unbefristeten Stellen sowie die Empfehlungen des Wissenschaftsrats zu einer Neuordnung der Karrierewege in der Wissenschaft durch die Einführung von Tenure-Track-Professuren, einen Aufwuchs an Professuren insgesamt und die Etablierung des Karriereziels einer unbefristeten Beschäftigung als Wissenschaftler/in.
Nicht nur die Wissenschaftspolitik ist gefordert. Auch die Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen selbst können mehr tun. Der aus dem Templiner Manifest hervorgegangene Herrschinger Kodex der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft zeigt, wie eine Selbstverpflichtung der Hochschulen aussehen kann. Wir sind ebenfalls der Meinung, dass Wissenschaftler/innen als Kolleg/innen und leitende Wissenschaftler/innen auch jetzt schon über Spielräume verfügen. Sie entscheiden darüber, wie sie mit dem ihnen zur Verfügung stehenden Stellenkontingent umgehen, ob Stellen halbiert oder gar geviertelt werden. In ihrer Verantwortung liegt es, in ihren Projektanträgen zusätzliche Mittel für Vertretungen und Vertragsverlängerungen in Folge von Mutterschutz, Elternzeit und anderen Betreuungszeiten einzuplanen. Sie sind verpflichtet in den Auswahlverfahren Transparenz herzustellen und tatsächliche faire Einstellungsverfahren durchzuführen, um Diskrimininierungsfreiheit und Gleichstellung zu realisieren.
Wir wünschen uns einen Verständigungsprozess innerhalb der DGS über die angesprochenen Problematiken und ein aktives Engagement für die Herstellung dauerhaft guter Arbeitsbedingungen für alle Beschäftigten an den Hochschulen und Forschungseinrichtungen in Deutschland. Um dabei die Interessen von wissenschaftlichen Mitarbeiter/innen grundsätzlich besser zu berücksichtigen, ist erstens eine dauerhafte und gesicherte Repräsentanz in den Organen der DGS zu gewährleisten.
Zweitens schlagen wir die Erweiterung des Ethikkodex der DGS vor: Ethische Standards sind bisher vor allem für die soziologische Forschung und Praxis formuliert worden. Doch gute Wissenschaft ist nicht zuletzt ein Resultat guter Arbeitsbedingungen. Die DGS sollte sich zu diesem Zusammenhang bekennen und auf eine Verbesserung der Beschäftigungssituation aller in der Wissenschaft Beschäftigten hinwirken. Dazu sollte eine Arbeitsgruppe eingerichtet werden, die in Zusammenarbeit mit der Ethikkommission Vorschläge erarbeitet. Eine Diskussion über wesentliche inhaltliche Eckpunkte wird unter anderem im Rahmen des DGS-Kongresses in der Sonderveranstaltung "Nachwuchs in der Krise" (Fr., 10. Okt. 14, 9.00 Uhr in Raum HS 5) geführt, zu der wir herzlich einladen.
Nina Amelung (TU Berlin) Marie Bartels (TU Berlin) Jana Bielick (TU Berlin) Lars Frers (Telemark University/NTNU Trondheim) Michael Frey (HTW Berlin) Maria Keil (HU Berlin) Eva Koch (TU Berlin) Anne K. Krüger (HU Berlin) Jule-Marie Lorenzen (TU Berlin) Maria Norkus (TU Berlin) Grit Petschick (TU Berlin) Lisa Pfahl (HU Berlin) Jan-Christoph Rogge (WZB Berlin) Lea Rothmann (TU Berlin) Lisa-Marian Schmidt (ASH Berlin) Boris Traue (TU Berlin/Uni Lüneburg) Peter Ullrich (TU Berlin) Tina Weber (LMU München)
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herunterladen (PDF)Angaben zur Petition
Petition gestartet:
19.08.2014
Petition endet:
18.11.2014
Region:
Deutschland
Kategorie:
Wissenschaft
Neuigkeiten
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Liebe Mitunterzeichner/innen des Offenen Briefes "Für gute Arbeit in der Wissenschaft",
wie wir berichteten, hat unser Brief an den Vorstand der DGS die wesentlichen von uns gewünschten Veränderungsprozesse in der Fachgesellschaft angestoßen (wenn Ihr/Sie zum aktuellen Stand der Dinge unserer Arbeit als Initiative interessiert seid/sind, dann besteht die Möglichkeit sich auf unseren Interessiertenverteiler setzen zu lassen: gvgaidw-subscribe@yahoogroups.de). Auch an dieser Stelle noch einmal herzlichen Dank für Ihre/Eure Unterschrift, mit der wir unserer Arbeit bedeutend mehr Gewicht verleihen konnten. Wir bedanken uns auch für die zahlreichen und eindrücklichen Kommentare zur Petition, die einen weiteren, breiteren und zum Teil auch persönlicheren... weiter -
Die Petition ist bereit zur Übergabe
am 18.11.2014Drei Monate war unser Offener Brief „Für Gute Arbeit in der Wissenschaft“ nun online. In der Zeit haben über 2.700 Personen unser Anliegen unterstützt. Immer noch kommen täglich neue Unterzeichner_innen hinzu.
Die Online-Petition wurde von uns im August eingerichtet, um über unsere Forderungen breit und ausführlich zu informieren und möglichst vielen die Beteiligung auf einfachem Wege zu ermöglichen. Die starke Resonanz und vielfältige Unterstützung hat gezeigt, wie groß auch bei Euch/Ihnen der Handlungsbedarf ist.
Heute endet die Zeichnungsfrist der Petition. Unsere Arbeit geht natürlich weiter.
Neben dem weiteren Voranbringen der angestoßenen Veränderungen in der DGS (die zusätzliche Mittelbau-Vertretung im Konzil und im Vorstand... weiter -
Petition in Zeichnung
am 14.10.2014Die Initiative "Für gute Arbeit in der Wissenschaft", die mit einem Offenen Brief die Fachgesellschaft der Soziolog/innen (DGS) aufgefordert hatte, sich für bessere Arbeitsbedingungen einzusetzen, war erfolgreich.
Neben den weit über 2.400 Unterzeichnenden hat auch die DGS Mitgliederversammlung das Anliegen per Akklamation nachdrücklich unterstützt.
Die Wahlliste für das Konzil wurde um drei Kandidat/innen des akademischen Mittelbaus erweitert. In einem ad hoc Wahlverfahren zum Abschluss der Veranstaltung "Nachwuchs in der Krise", die im Rahmen des DGS-Kongresses stattfand, wurden die folgenden drei Personen für die Wahlliste vorgeschlagen:
Eva Edinger
Boris Traue
Tina Weber
(Jetzt gilt es zwei Wahlgänge zu überstehen!)
Das Konzil... weiter
Debatte
Ich finde es Schade, dass sich diese Petition im Haupttext nur auf die Situation im Fach Soziologie bezieht und diese nicht in Deutschland insgesamt anprangert. Die Situation für Forscher ist fächerübergreifend dieselbe. Damit nimmt sie sich die Möglichkeit einer viel breiteren Unterstützung, vor allem aber reduziert sich damit ihre Aussagefähigkeit und ein möglicher Impakt auf das genannte Fach. Es ist wichtig, dass nicht jeder seine eigenen Brötchen backt und dass alle solidarisch sich für die Verbesserung der Situation in allen Bereichen einsetzen. Dennoch ist die Petition zu unterstützen.
Ich finde die Nennung der Teilzeit als prekäres Beschäftigungsverhältnis nicht differneziert genug! Nur die "unechte" Teilzeit, nach dem Motto: bekomme 20 Sunden bezahlt und arbeite 40" ist bekämpfenswert! Arbeitszeitreduzierung sollte aus Gewerkschaftssicht eigentlich gefördert werden!