13.09.2014, 13:00
Begründungstext wurde am 13.09.14 ergänzt (letzter Absatz), nach neuen vorliegenden Informationen zu den möglichen Umfängen von Beitragserhebungen im Land.
Neue Begründung: Man stelle sich vor, ein Autohändler tritt nach 20 Jahren an den Käufer heran weil aufgrund irgend welcher formaljuristischer Mängel der Kaufvertrag nichtig sei und eine Nachzahlung zum damaligen Kaufpreis von vielleicht 30 % oder noch mehr verlangt.
So etwas sei unmöglich, meinen Sie? Aber nicht im deutschen Verwaltungs(un)recht! Das was hier in der Bodeniederung bei Staßfurt bezüglich einer Nacherhebung von Beiträgen auf die Bürger zukommt, kann jeden Anderem im Land in ähnlicher Weise treffen. Man hat vor Jahren schon bezahlt und nun kommt noch einmal ein kräftiger Nachschlag!
Nach dem Kommunalabgabengesetz (KAG) können Beitragsbescheide, sei es beispielsweise für den Abwasseranschluss oder für Straßenbaumaßnahmen erlassen werden, wenn die Vorteilslage, z.B. Anschluss an die Kanalisation, eingetreten ist und eine rechtsgültige Satzung vorliegt. Nach letzterer Bedingung können Behörden quasi unendlich lange nach Fertigstellung einer Baumaßnahme (Vorteilslage) die Beiträge dafür erheben. Sobald ein Gericht eine Satzung für nichtig erklärt hat, macht der Aufgabenträger eine neue Satzung und kann die Beitragsforderung erneut aufmachen! Er kann dabei sogar die Erhebungsgrundlagen ändern, z.B. neue Kappungsgrenzen, Beiträge über der Kappungsgrenze verlangen. Nach diesen neuen Satzungsgrundlagen hat man dann sogar noch mehr zu bezahlen als vorher. Wo bleibt da die Kosten- und Rechtssicherheit?
Diesem Treiben hat das Bundesverfassungsgericht am 5. März 2013 (1 BVR 2457/08) ein Ende gesetzt. Daher soll im neuen KAG von Sachsen-Anhalt eine Verjährungsfrist von maximal 10 Jahren für solche Beitragserhebungen eingeführt werden. Das ist positiv, aber die Übergangsphase bis 31.12.15 konterkarriert diese Sache aber wieder. Die Baumaßnahmen zur Abwasseranlage in der Bodeniederung waren zum größten Mitte der 90er Jahren schon abgeschlossen.
Nach Information des hiesigen Wasser- u. Abwasserzweckverbandes trifft es über 4300 Grundstücke mit den Nacherhebungen. Es kämen ca. 7,6 Mio. Euro Beitragstragsbescheide auf die Bürger zu. Für einzelne Grundstücke können das mehere Tausend Euro ausmachen, je nach Größe des Grundstücks.
Diese Nacherhebungen sind nicht nur auf das Verbandsgebiet Bodeniederung beschränkt. Der Hauseigentümerverband Haus & Grund rechnet mit 50.000 Bescheiden. Selbst Anschlüsse vor der Wende können mit dieser Übergangsfrist noch beigetrieben werden. Auch Straßenausbaubeiträge können noch erhoben werden.