13.08.2017, 03:48
Textergänzung mit griffigerem Slogan
Neuer Petitionstext: “Verbunden werden auch die Schwachen mächtig!”
Friedrich Schiller
MENSCHLICHKEIT MIT AUGENMASS STATT PHANTASIE-GUTACHTEN DES MDK
Der MDK (Medizinische Dienst der Krankenkassen) begutachtet im Auftrag derselben Krankenkassen, die später die Pflege für ihre pflegebedürftigen Mitglieder zahlen muss, ob und welche Qualität der Pflege die Pflegebedürftigen verdient haben. Dafür haben die meisten Gutachter 30 bis 60 Minuten Zeit. Bezahlt werden sie von ihrem Auftraggeber, der Krankenkasse. Hier wurde der Bock zum Gärtner gemacht und der Willkür, der Ignoranz und der Abhängigkeit zum Nachteil des Pflegebedürftigen Tür und Tor geöffnet.
Wir fordern daher:
1. Von Pflegekassen unabhängige Gutachter, die ihren Namen verdienen. Was die Sozialgerichte mit ihren Gutachtern leisten, das sollte Standard werden. Das bedeutet, mit Güte und Achtung den Menschen und seine Gesamtpflegesituation zu beurteilen, ohne den Brötchengeber "Krankenkasse" und das eigene Portemonnaie im Hinterkopf zu haben.
2. Begutachtungs- und Widerspruchsverfahren dürfen maximal drei Monate dauern. Mehr sind einem Pflegebedürftigen und seinen Angehörigen nicht zuzumuten. Krankheit und Pflegesituation belasten schon genug.
3. Eine Neuausrichtung des Gutachterwesens mit einer stärkeren Berücksichtigung und Gewichtung der hausärztlichen Begutachtung/Atteste/Diagnosen. Die gängige Begutachtungspraxis des MDK durch einen vollkommen Fremden, der zudem in nur wenigen Minuten zu einem gerechten Urteil über einen Menschen kommen soll, der meist seit Wochen oder gar Monaten chronisch krank und in Behandlung durch wirkliche Fachleute ist, macht wenig Sinn und vergeudet Zeit und kostbare Ressourcen. Hausärzte und behandelnde Fachärzte kennen ihre Patienten wesentlich länger als 30 - 60 Minuten.
Oder vertrauen die Kassen etwa ihren eigenen Vertragsärzten nicht?
Neue Begründung: Bis zum April 2016 war Anja eine erfolgreiche Therapeutin, die in beinahe 10 Jahren Hunderten ihrer Patienten helfen konnte, wieder gesund zu werden. Über Nacht erkrankte Anja schwer. Binnen weniger Wochen wurde sie so schwach, dass sie ihr Bett nicht mehr aus eigener Kraft verlassen konnte. Schon bald waren selbst die intimsten Handgriffe nicht mehr ohne fremde Hilfe möglich. Als häusliche Pflegeperson investierte ich als Partner ca. 40 Stunden in der Woche mit Einkaufen, Kochen, Putzen, Waschen, Körperpflege, Einreibungen, Massagen und vielem mehr. Trotzdem war Anja im September 2016 durch die Krankheit gezwungen, ihre Praxis zu schließen und ihren Beruf aufzugeben.
Es begann eine Odyssee der ärztlichen (Fehl-) Behandlungen und (Fehl-) Diagnosen. Von heute auf morgen 2/3 des Familieneinkommens weg. Laut Diagnose der Uniklinik Kiel hatte Anja nur noch wenige Monate Lebenserwartung. Die ursprüngliche Erkrankung wurde durch Folgeerkrankungen verstärkt. Anja verweigerte die weitere Behandlung durch das UKSH und hat die Fehldiagnose vom Oktober 2016 um viele Monate überlebt – und lebt immer noch. :-)
Wir begannen mit alternativer Behandlung. Gleichzeitig stagnierte die häusliche Pflegesituation mit einem hohen Aufwand von ca. 40 Stunden pro Woche. Im Januar 2017 wurde ich von Freunden auf die Möglichkeit eines Pflegeantrags aufmerksam gemacht. Die Informationen über Pflegekasse, häusliche Pflege, Wohngeld, Krankenkasse und vor allem die wahre Erkrankung von Anja konnte ich nur nachts einholen, weil der Tag mit Existenzsicherung, häuslicher Pflege, alternativer Weiterbehandlung und dem Kampf gegen die Willkür der Behörden ausgelastet war.
In dieser Zeit gingen unsere Finanzreserven zu Ende. Die alternative Behandlung zeigte Teilerfolge, war aber kostenintensiv. Die Krankenkasse brauchte fünf Monate, um Anja über mich krankenzuversichern.
Im März beantragte ich die Begutachtung durch den MDK. Anjas Symptome verschlimmerten sich wieder.
Im Mai erfolgte dann nach beinahe 11 Wochen und einer schriftlichen wie einer telefonischen Beschwerde über die lange Wartezeit endlich die Begutachtung.
In einer guten halben Stunde stellte die Dame jede Menge Fragen, wollte aber unsere zusammengefassten Informationen über Anjas Leidensweg mit den Diagnosen und den gesammelten Daten von bis dato 27 Ärzten, 5 Heilpraktikern und 2 Krankenhäusern nichts wissen: „Die brauche ich nicht!“
Das Ergebnis kam dann 12 Tage später in Form von verweigerter, häuslicher Pflege: Pflegegrad 1!
Aus 40 Stunden wöchentlicher Pflege wurde im Gutachten 14 Stunden – eine glatte Lüge!
Aus kompletter Hilflosigkeit und Unselbstständigkeit wurde im Gutachten, eine Frau, die Behördengänge und finanzielle Angelegenheiten selbstständig regeln könne – eine weitere, dreiste Lüge. Insgesamt ist dieses sogenannte Pflegegutachten mit 34 (!) Fehlern gespickt. Da das Ergebnis mit 26,5 Punkten nur einen halben Punkt unter dem Pflegegrad 2 mit einem monatlichen Geld für häusliche Pflege liegt, kann man nur von wissentlicher und willentlicher Manipulation ausgehen. Was sonst könnte die „Gutachterin“ zu solch einem krassen Fehlurteil verleitet haben? Ist es vielleicht die Abhängigkeit von ihrem Geldgeber?
Wie viele Millionen oder gar Milliarden (=> Überschuss der Krankenkassen 2016 = 16 Milliarden) spült die „gute Arbeit“ eines „Gutachters“ in Form von schlechterer Einstufung eines vermeintlich nicht Pflegebedürftigen in die Kassen der Kassen?
Für die Hilfsbedürftigen geht es um Würde, um ein erträglicheres Krankendasein und um eine Wertschätzung ihrer Gesamtsituation, wie der Gesetzgeber sie im Interesse, zum Wohl von uns allen und in unserem Namen beschlossen hat. Für die Pflegekassen und für die Krankenkassen geht es in erster Linie um Wirtschaftlichkeit. Weshalb sonst wehren sie sich so vehement gegen Gutachter, die ihrem Namen Ehre machen, indem sie ehrliche, unabhängige Gutachten über die schwächsten Mitglieder unserer Solidargemeinschaft erstellen?
Krankenkassen machen den Bock zum Gärtner und sparen so Multimillionen. Es wundert Anja nicht, dass Sterbenden keine häusliche Pflege zusteht; dass aus 40 wöchentlichen Pflegestunden im Gutachten mal eben 14 Stunden werden; dass ein Beinamputierter mit Bettpfanne und Katheter im Gutachter-Jargon "überwiegend selbstständig" seinen Alltag managt; oder dass eine schwer demente, alte Dame ihren Haushalt "selbstständig" bewältigt, obwohl sie in Wahrheit nicht einmal den Kühlschrank von der Waschmaschine unterscheiden kann. Es wundert Anja auch nicht, dass nur 7% der Begutachteten Einspruch erheben. Pflegebedürftigen fehlt meist die Kraft dazu.
Deshalb brauchen wir Ihre und Eure Stimmen. Schaffen Sie dieses ungerechte System ab, Herr Gröhe! Mit den Hausärzten stehen Gutachter zur Verfügung, deren Expertise Hand und Fuß hat. Wir brauchen keine Phantasie-Gutachten, keine Lügen und keine MDK-Willkür. Wir brauchen häusliche Pflege, wir brauchen Hilfe, und wir brauchen einen Aufstand der Schwachen...
MENSCHLICHKEIT MIT A