21.12.2016, 23:33
Es ist keineswegs so, daß wir die Einzigen wären, die Schwierigkeiten mit dem türkischen Zoll hätten. Ähnliche Erfahrungen machen derzeit offenbar viele Speditionen. Das jedenfalls berichtete uns die Mitarbeiterin eines Frachtunternehmens in Thessaloniki.
Bestätigt wird das auch durch unsere eigenen Erfahrungen. Wir waren nicht nur mit Hilfsgütern unterwegs, sondern auch mit einem Rettungswagen, den wir eigens gekauft hatten, um ihn in Kobane bzw. dann in Diyarbakir zur Verfügung zu stellen. Auch der Rettungswagen wurde im Zoll festgehalten. Immerhin gelang es uns im Oktober 2016 nach zweitägigen Verhandlungen, ihn freizubekommen. Aber als wir ihn vom Parkplatz des Zoll-Lagers abholten, staunten wir nicht schlecht. Außer unserem Fahrzeug standen da noch vier weitere Rettungswagen aus Deutschand und anderen nordeuropäischen Ländern. Ihr Ziel war bestimmt nicht dieses Zoll-Lager gewesen.
Warum wir den Rettungswagen abholen durften, unsere Hilfsgüter jedoch nicht, ist bis jetzt unklar geblieben. Zunächst hieß es, das Schreiben des Gesundheitsamtes in Diyarbakir über die Rückgabe der Hilfsgüter sein unzureichend formuliert. Allerdings hatte der zuständige Beamte in Diyarbakir die Formulierung telefonisch Wort für Wort mit einem Mitarbeiter des Zollamtes in Ankara abgesprochen. Das ist jedenfalls seine Aussage dazu.
Wir konnten das nicht weiter überprüfen, weil dieser Beamte Ende Oktober vom Dienst suspendiert wurde, zusammen mit vielen Kollegen im Rathaus in Diyarbakir und mit den beiden Bürgermeistern. Sie alle wurden nach den neuen Anti-Terror-Bestimmungen unter Verdacht gestellt. MIt Hilfe der deutschen Botschaft in Ankara gelang es uns aber, Kontakt zu dem vorläufigen Nachfolger dieses Beamten im Gesundheitsamt in Diyarbakir aufzunehmen. Er schickte am 30. November schließlich ein neues Schreiben über die Rückgabe unserer Hilfsgüter an das Zollamt in Ankara. Eine Kopie ging per Fax an die deutsche Botschaft.
Das Zollverbindungsbüro der deutschen Botschaft hatte in der Zwischenzeit in persönlichen Verhandlungen mit dem Zollamt auch noch zwei zweitere Schwierigkeiten ausgeräumt. Zum einen wurde uns gestattet, die Lagerfrist zu überschreiten. Eigentlich hätten wir die Hilfsgüter bis zum 21. November abholen müssen; sonst wären sie konfisziert worden. Stattdessen erklärten wir uns zur Zahlung einer Strafgebühr in Höhe von einem Prozent des Warenwertes bereit; und die Hilfsgüter blieben bis auf Weiteres im Zoll-Lager.
Außerdem erreichte die deutsche Botschaft die Zusage, daß wir keine Spedition bräuchten, um die Hilfsgüter abzuholen. Das ist bis heute der entscheidende Streitpunkt. Hier steht die Aussage des stellvertretenden Direktors des Zollamtes gegen die Aussage eines seiner eigenen Mitarbeiter.
Der stellvertretende Direktor Abdullah-bey beharrt darauf, daß unsere Hilfsgüter unfrei seien, also zollrechtlich erfaßt werden müßten. Ihre Einfuhr und Ausfuhr dürfe deshalb nur durch ein dafür lizenziertes Unternehmen erfolgen.
Griechische und deutsche Zollbeamte, denen wir den Fall vorgetragen haben, können darüber nur den Kopf schütteln. Wir haben keine Handelswaren eingeführt, sondern Spenden. Niemand verdient daran; niemand wird dadurch potentiell gefährdet; wir haben keine Mehrwertsteuer gezahlt oder erstattet bekommen. Kurz: Unsere Hilfsgüter sind Freigut. Für Freigut braucht es keine Zollabfertigung und also auch keine Spedition.
Wenn unsere Spende vom Empfänger zurückgewiesen wird, dann steht nichts dem Vorhaben entgegen, die Hilfsgüter wieder an ihren Ursprung zurückzubringen. Das ist, von der Türkei aus betrachtet, die Europäische Union. Es steht uns frei, die Hilfsgüter innerhalb der EU nach Deutschland zu bringen oder aber sie in Griechenland zur Verfügung zu stellen.
Daß auch türkische Zollbeamte das so sehen können, zeigte sich bei unserer Einreise in die Türkei. Einen Tag lang verhandelten wir mit dem Zollamt in Istanbul; dann war der Weg frei. Der Zollbeamte verwies sogar auf eine email aus dem Gesundheitsminsterium in Ankara, in der die Einfuhr ausdrücklich gestattet wurde. Die Hilfsgüter wurden nicht zollrechtlich erfaßt. Lediglich der Laderaum wurde für die Fahrt innerhalb der Türkei verplompt, damit die Güter wirklich erst dort entladen würden, wo sie ankommen sollten. Als Zielort war das Zollamt in Ankara vorgesehen. Dort wollten Vertreter der Metropolverwaltung Diyarbakir unseren Rettungswagen samt Spenden in Empfang nehmen. Leider kam es anders.