Region: Der Senat von Berlin, Kulturverwaltung
Kultur

Für die Benennung des Platzes vor der Akademie des Jüdischen Museums Berlin nach Moses Mendelssohn

Petent/in nicht öffentlich
Petition richtet sich an
Der Semat von Berlin, der Regierende Bürgermeister
3.291 Unterstützende

Die Petition wurde vom Petenten zurückgezogen

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Die Petition wurde vom Petenten zurückgezogen

  1. Gestartet 2013
  2. Sammlung beendet
  3. Eingereicht
  4. Dialog
  5. Gescheitert

28.04.2013, 22:11

Ephemera

Kurz und flüchtig

Der Fromet-und-Moses-Mendelssohn-Platz oder die Angst des Feuilletonisten vor dem Weiblichen

Nach allem, was man liest, hat der Philosoph Moses Mendelssohn seine Frau Fromet (geb. Gugenheim) sehr geliebt, und sie ihn. Als die beiden sich kennenlernten, soll die schöne Tochter eines Hamburger Kaufmanns zunächst von Mendelssohns starker Wirbelsäulenverkrümmung irritiert gewesen sein. Er gewann ihr Herz, indem er ihr erzählte, dass bei der Geburt eines jüdischen Kindes im Himmel verkündet würde, wen es einmal heiraten würde. Als er geboren wurde, habe Gott ihm seine zukünftige Frau genannt und ihm gesagt, dass sie einen Buckel haben werde. „Lieber Gott“, habe er gesagt. „Ein missgestaltetes Mädchen würde verbittert und unglücklich werden. Lass mich den Buckel haben, und mache sie dafür wunderschön.“

Von dieser Geschichte gerührt willigte Fromet ein, seine Frau zu werden — wenig verwunderlich, denn seien wir ehrlich, es ist ein Anmachspruch, der so ziemlich alle anderen Anmachsprüche alt aussehen lässt. Sie brachte dann zehn Kinder zur Welt, von denen drei Söhne und drei Töchter überlebten, die alle interessante und begabte Menschen waren. Außerdem hielt sie ihm ganz offensichtlich den Rücken frei, damit er trotz dieser Kinderschar einer der angesehensten deutschen Philosophen der Aufklärung werden konnte.

Würde Moses Mendelssohn sich freuen, wenn man ihm nicht nur die Ehre zuteil werden ließe, die Straße vor dem Jüdischen Museum in Berlin nach ihm zu benennen, sondern sogar seine geliebte Ehefrau gemeinsam mit ihm verewigen und der Straße den Namen „Fromet-und-Moses-Mendelssohn-Patz“ geben würde? Ich denke, auf einen Straßennamen hätte er schulterzuckend verzichtet, aber die gemeinsame Ehrung mit seiner Frau würde ihn sehr freuen.

Deshalb wäre er sicher dankbar für den Beschluss der grünen Bezirksregierung in Friedrichshain-Kreuzberg, neuen oder neu zu benennenden Straßen solange die Namen von Frauen zu geben, bis fünfzig Prozent aller Straßen im Bezirk nach Frauen benannt sind. Denn seien wir ehrlich, ohne einen solchen Beschluss wäre niemand auf die Idee gekommen, seine Frau mit in den Straßennamen aufzunehmen.

Warum das deutsche Feuilleton sich nicht mit Moses Mendelssohn freuen kann, sondern in Frauen- und Gleichstellungshass verfällt, verstehe ich zwar nicht, aber es wundert mich auch nicht weiter, denn das deutsche Feuilleton lässt ja keine Gelegenheit aus, in Frauen- und Gleichstellungshass zu verfallen.

Und so ist es nur trübsinnige Routine, dass ein Götz Aly in der Berliner Zeitung von „antiurbanen“, „geistig eingleisigen“ und „halbstalinistischen“ Grünen schwafelt, dass ein Sebastian Hammelehle auf Spiegel Online von „deutschem Regelungswahn“ phantasiert, der die „historisch unbedeutende“ Fromet unverdienterweise auf ein Straßenschild hievt, dass ein Alexander Josefowicz im Hamburger Abendblatt Fromet Mendelssohn als Zahnarzt-Gattin aus der Zahnpasta-Werbung inszeniert, dass für einen Peter Mühlbauer auf Telepolis der Straßenname ein „bizarres Ergebnis“ von „Gender-Dogmatismus“ ist und dass der unsägliche Harald Martenstein im Tagesspiegel seinen üblichen merkbefreiten Abklatsch der anderen Feuilletonisten von sich gibt (und den einzigen — und sehr müden — Gag in seinem Text von Götz Aly klaut)?

Wie kastrationsverängstigt muss man(n) eigentlich sein, um durch die bloße Mit-Erwähnung einer Frau auf einem Straßenschild so ins Schäumen zu geraten? Und wie weit entfernt sind wir von einer aufgeklärten Gesellschaft, wenn solche Angstphantasien als niveauvolle Diskussion gelten?

Ich erhebe mein Glas auf Fromet Mendelssohn und ihren Mann Moses und hoffe, dass man mir, falls ich in zweihundert Jahren mit einem Straßennamen geehrt werden sollte, ebenfalls meine heißgeliebte Frau zur Seite stellen wird.


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