18.04.2019, 14:46
Zahl seit 2010 verdoppelt Angaben des Sozialministeriums - Linke: Heils Reform hilft vielen nicht .
Immer mehr Menschen sind trotz Bezugs einer Rente wegen Erwerbsminderung ergänzend auf Sozialhilfe angewiesen. Die Zahl der Betroffenen hat sich von 102.578 im Jahr 2010 auf 196.466 im Jahr 2017 praktisch verdoppelt. Das geht aus einer Antwort des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales auf eine Anfrage der Links-Fraktion hervor, die der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ vorliegt. Der Anteil der Erwerbsminderungs-Rentner, die zusätzlich Grundsicherung benötigen, stieg im selben Zeitraum von 9,5 auf 15,2 Prozent. Damit war vor zwei Jahren mehr als jeder siebte Erwerbsminderungs-Rentner betroffen. Zahlen für das Jahr 2018 lagen dem Ministerium noch nicht vor.
Zwar hat die Bundesregierung deutliche Verbesserungen für diejenigen beschlossen, die durch Krankheit oder Behinderung arbeitsunfähig werden. Von der Reform von Bundessozialminister Hubertus Heil (SPD) profitieren allerdings nur „Neu-Rentner“, die seit 2019 erwerbsgemindert werden. Verbesserungen bei der Zurechnungszeit müssten aber auch den Bestandsrentnern zugutekommen, forderte Linken-Sozialexpertin Sabine Zimmermann in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“, denn für sie reiche die Erwerbsminderungsrente immer öfter nicht zum Leben. Zimmermann verlangte überdies eine „grundlegende Kehrtwende“ in der Rentenpolitik mit einer Erhöhung des Rentenniveaus auf 53 Prozent sowie einer Abschaffung der Abschläge für Erwerbsgeminderte. „Krankheit ist ein Schicksal, dass nicht noch zusätzlich bestraft werden darf“, erklärte die Fachpolitikerin.¹
Die Auswirkungen der AGENDA 2010 von SPD manifestieren sich. SPD schafft Armut.
„Die heute veröffentlichten Zahlen zur Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung sind erschreckend. Immer mehr Menschen müssen im Alter und wegen chronischer Krankheiten den Gang zum Sozialamt antreten. Weder die Altersrenten noch die Renten wegen Erwerbsminderung schützen Menschen vor Armut“, erklärt Matthias W. Birkwald, rentenpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE, zu den heute vom Statistischen Bundesamt veröffentlichten Daten zur Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Birkwald weiter:
„Seit 2003 hat sich die Zahl der von Grundsicherung im Alter betroffenen Männer und die Zahl der von Grundsicherung wegen Erwerbsminderung betroffenen Frauen verdreifacht. Auch ein genauerer Blick auf die aktuelle Entwicklung zwischen 2015 und 2018 zeigt: Die Zahl der Männer, die wegen Armutsrenten im Alter Sozialhilfe beantragen müssen, ist um zehn Prozent gestiegen.
Das durch die Grundsicherung garantierte Existenzminimum von aktuell 796 Euro im Alter und von 788 Euro bei Erwerbsminderung ist viel zu niedrig bemessen. Deshalb fordert DIE LINKE, dass die Verbesserungen bei der Erwerbsminderungsrente, die bisher nur für Neuzugänge ab 2019 gelten, sofort und wertgleich auf die schon heute von Armut betroffenen Erwerbsminderungsrentnerinnen und -rentner übertragen werden. Außerdem brauchen wir sofort eine Debatte über eine echte ‚Solidarische Mindestrente‘, die im Alter vor Armut schützt. Diese orientiert sich in der Höhe an den beiden aktuell verwendeten Armutsschwellen von 999 Euro (Mikrozensus) und 1.096 Euro (EU-SILC) und soll demzufolge heute 1.050 Euro netto betragen und einkommens- und vermögensgeprüft als Zuschlag auf zu niedrige Renten ausgezahlt werden.“²
Neue Osnabrücker Zeitung Partei Die Linke im Bundestag vom 4.4.2019
Kommentar zum Artikel:
vielen Dank für den Bericht! Leider wird viel zu wenig über diese Ungerechtigkeit berichtet. Ich selber bin Bestands-Erwerbsminderungsrentner.
Es ist schlimm, wie wir von der Politik fallen gelassen werden.
Unser Schicksal interessiert die Politik gar nicht. Wir haben einfach keine Lobby.
Keiner von uns hat sich seine Erkrankung ausgesucht. Nun ist man mit der Erkrankung und der niedrigen Rente gestraft.
Und dennoch, obwohl man schon die 10.8% von der Erwerbsminderungsrente wegen Vorfälligkeit der Rente abzieht, gelten alle Verbesserungen der Erwerbsminderungsrente nur für Neurentner. Inzwischen gab es zwei Verbesserungen, von denen die Bestandsrentner aber nicht profitiert haben.
Warum wird hier mit zweierlei Maß gemessen?!
Zwar hatte Herr Heil bei seiner Rede im Bundestag angekündigt auch etwas für den Bestand tun zu wollen, leider ist davon keine Rede mehr. Ich selber habe ihn deswegen angeschrieben und als Antwort über die Seite „Abgeordnetenwatch“ erhalten, dass Veränderungen in der Rente immer nur für die Zukunft gelten, dass sei auch rechtens so. Am Fall der Doppelverbeitragung der Betriebsrenten kann man sehen, dass Veränderungen sehr wohl auch Bestandsrentner treffen können. Die Politiker drehen sich das Ganze so hin, wie sie es brauchen.
Ich finde es auch sehr schade das Aktionen, die auf den Missstand der Erwerbsminderungrentner hinweisen wollen, nicht gefördert werden. Kaum eine Zeitung beschäftigt sich mal mit dem Thema, dabei geht es doch ALLE an. Jeden kann so ein Schicksal treffen.