Wozu wird die Hundesteuer verwendet? Obwohl ursprünglich ein Relikt aus dem Mittelalter, entrichtet etwa 85 Prozent der hundehaltenden Bevölkerung jedes Jahr für ihren Liebling Steuern. Beinahe klaglos. Warum müssen Hundehalter zahlen und die Besitzer von Katzen und Zierfischen nicht? Ist das gerecht? Zuerst ein paar Fakten: Die Hundesteuer ist kein Pappenstil: Allein in Bayern nahmen die rund 2.000 Kommunen damit im Jahr 2010 etwa 22 Millionen Euro ein. Bundesweit kamen rund 258 Millionen Euro zusammen. Das sind rund drei Euro pro Kopf der Bevölkerung. Das Recht zur Erhebung der Steuer haben die Gemeinden. In ihren jeweiligen Satzungen legen sie auch die Höhe der Abgabe fest. Daher variiert der Steuersatz von Gemeinde zu Gemeinde. So kostet es in Köln jährlich 156 Euro einen Hund zu halten, in Bayreuth dagegen nur 50 Euro. Die Hundesteuer ist eine nicht zweckgebundene Abgabe, also eine Leistung ohne konkrete Gegenleistung. Anders als häufig vermutet, können Hundehalter für ihre Sonderabgabe in den Gemeindesäckel nicht erwarten, dass der Hundekot auf Gehwegen und auf öffentlichen Plätzen entfernt wird oder dass Kotbeutelspender aufgestellt werden. Die Gemeinden können das Geld ebenso verwenden, um das Rathaus zu streichen, die Straßen auszubessern oder Schulden zu tilgen. Lesen Sie in DOGS 3/2012 alles zur Initiative "Stoppt die Hundesteuer!" sowie zur aktuellen DOGS-Studie. Erfahren Sie außerdem, welche Voraussetzungen eine Steuerbefreiung ermöglichen und welche Ordnungswidrigkeiten in Bezug auf die Hundesteuer mit einer Geldbuße geahndet werden. "Insgesamt zeigt sich, dass in vielen Städten ein Teil der Hundesteuer dafür verwendet wird, negative Begleiterscheinungen der Hundehaltung für die Gesellschaft zu beseitigen. Allerdings macht dies maximal 10 bis 20 Prozent der jeweiligen Hundesteuereinnahmen aus", schreiben Prof. Dr. Renate Ohr und Dr. Götz Zeddies in einer Abhandlung über die ökonomische Gesamtbetrachtung der Hundehaltung in Deutschland. Es bleibt also noch viel Geld für allgemeine Zwecke übrig ... Doch neben der Erhöhung der Einnahmen dient die Hundesteuer ordnungspolitischen Maßnahmen, nämlich die Zahl der Hunde im Gemeindegebiet zu begrenzen und das Halten so genannter Kampfhunde zu kontrollieren. Deshalb veranschlagen die Kommunen für bestimmte Hunderassen einen stark erhöhten Steuersatz, so dass die Haltung eines American Staffordshire Terriers oder eines Pitbulls 500 oder gar 1.000 Euro im Jahr kosten kann, je nachdem, wo er wohnt. In fast allen Städten und Gemeinden kostet der Zweit- und Dritthund zudem mehr als der erste. Doch der Unmut gegen diese umstrittene Sonderabgabe für Hundebesitzer wächst. So ist mittlerweile in Hamm ein großer Streit zwischen der Stadt und ihren Hundehaltern entbrannt. Der Grund: "Die Steuer für zehn weitere Rassen soll von 90 Euro auf 696 Euro jährlich erhöht werden", schreibt DOGS-Leser Thomas Vehlow in einem Brief an die Redaktion. "Angeblich wegen Lenkungszwecken, aber bei der Ratssitzung hieß es, die Stadt braucht mehr Geld. Es sind zwar "nur" 85 Leute betroffen, aber auch Halter, die die neue Regelung nicht tangiert, zeigen sich solidarisch, um etwas dagegen zu unternehmen. Wir haben einen Protestmarsch mit 80 Leuten und 50 Hunden organisiert und bei der Ratssitzung demonstriert. Es kann nicht sein, dass man als Hundehalter immer nur zahlen muss," findet nicht nur Thomas Vehlow. "Die Hundesteuer ist eine reine Luxussteuer, die nicht zweckgebunden ist und daher abgeschafft gehört", erklärt Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes. Wer kam auf die Idee mit der Hundesteuer? Hundesteuer gibt es schon sehr lange, vielleicht mit ein Grund, warum sie heute so wenig hinterfragt wird. Im Mittelalter war die Jagd auf Hochwild das Privileg der Adligen. Sie hetzten das Wild mit Hunden und für diese Hunde mussten andere aufkommen. Die Fütterung und Pflege der herrschaftlichen Meuten wurde später in eine Geldabgabe umgewandelt, den sogenannten "Hundedecem", also Hundezehnt. Laut Angaben des Bundesfinanzministeriums taucht um 1500 zum ersten Mal der Begriff "Hundekorn" auf. Roggen und Gerste wurden zu einer Art Hundebrot verbacken, welches die Bauern den Adligen liefern mussten, um die Hunde außerhalb der Jagdsaison zu ernähren. Später dann, in der Neuzeit, wurde örtlich Hundesteuer erhoben, um die Zahl der Tiere einzudämmen. Daraus entwickelte sich im 19. Jahrhundert eine Luxussteuer für Hundehalter. Friedrich Wilhelm III. erließ nämlich am 28. Oktober 1810 das "Edikt über die neuen Consumptions- und Luxus-Steuern", in dem neben Steuern für Diener und Pferde auch für Hunde, Klaviere, Stubenvögel und Katzen Sonderabgaben eingeführt wurden. Der Staat war der Ansicht, dass jemand, der es sich leisten kann, Hunde zu halten, die keine Nutztiere sind, daneben noch genug Geld haben muss, um einen Sonderbeitrag für die Allgemeinheit zu leisten. Von diesen kuriosen Steuern vergangener Tage blieb allein die Hundesteuer bis heute unverändert erhalten. Nur die Begrifflichkeit hat sich geändert: Weil "Luxussteuer" nicht mehr zeitgemäß klingt, fällt Hundesteuer heute unter eine "Aufwandssteuer". Die heutige Rechtsgrundlage Nach dem Bonner Grundgesetz von 1949 fällt die Hundesteuer in die Kategorie "Steuern mit örtlich bedingtem Wirkungskreis" und heißt seit der Finanzreform von 1969 "Örtliche Verbrauch- und Aufwandsteuer." Und genau das wird dieser traditionsreichen Steuer vielleicht zum Verhängnis: Richter Dr. Andreas Decker aus Gilching bei München kennt sich als Autor juristischer Ausbildungsliteratur besonders gut mit dem kommunalen Abgabenrecht aus. Als er einmal wieder an einer Klausur zu diesem Thema tüftelte, entdeckte er eine Steuer auf Einwegverpackungen der Stadt Kassel, die diese als örtliche Aufwandssteuer erhoben hatte und die vom Bundesverwaltungsgericht gekippt worden war. Begründung: Einwegverpackungen von Fastfoodketten werden auch an Autoschaltern ausgegeben und der Müll unter Umständen in ganz anderen Gemeinden entsorgt. Die Örtlichkeit sei also nicht gegeben. Komisch, dachte sich daraufhin der Richter, der seinen Hund zwar in der Gemeinde Gilching versteuert, aber tagüber mit ihm nach München in sein Büro im Bayerischen Verwaltungsgerichtshof fährt und seine Freizeit im Hundesportverein der Stadt Fürstenfeldbruck verbringt. Wo ist denn in Bezug auf meinen Hund die Örtlichkeit gegeben? Vom Recht auf Gleichheit "Das Recht achtet auf Gleichheit" ist ein Grundsatz im Verfassungsrecht. Er verpflichtet die öffentliche Gewalt, vergleichbare Fälle gleich zu behandeln. Eine Ungleichbehandlung oder Diskriminierung ist nicht prinzipiell verboten, muss aber durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt sein. Das Willkürverbot ist wie der Gleichheitssatz in Artikel 3 GG festgehalten. Es besagt, dass der Staat nicht willkürlich wesentlich Gleiches ungleich bzw. wesentlich Ungleiches gleich behandeln darf, ohne dass es hierfür einen vernünftigen, sich aus der Natur der Sache ergebenden oder sachlich einleuchtenden Grund gibt. "Die Erhebung einer Hundesteuer ist nicht nur unsozial und ungerecht, sondern auch schon lange nicht mehr zeitgemäß", erklärt Philip McCreight, Leiter von TASSO. Gleichheit hin oder her, für "unethisch" hält Rolf Hermanns, stellvertretender Fachbereichsleiter für Steuern und Kasse der Stadt Aachen, die Hundesteuer nicht. Im Gegenteil: "Wir alle haben großen Bedarf an öffentlichen Leistungen, denken Sie z.B. an die Betreuung der unter Dreijährigen", erklärt Hermanns. "Das muss schließlich irgendwie geschultert werden. Außerdem besteuern wir nicht nur Hundehalter, sondern auch Zweitwohnungsbesitzer, Hauseigentümer und Gewerbetreibende. Bei der Hundesteuer, die in bestimmten Fällen ermäßigt wird, handelt es sich im Gegensatz zu anderen kommunalen Abgaben um eine althergebrachte Steuer, die auch dazu dient, die Anzahl der Tiere vor allem in den Städten zu begrenzen und damit Tierschutzgedanken verfolgt. Und schließlich muss der Gesetzgeber nicht begründen, warum die einen besteuert werden und die anderen nicht. Das ist bereits höchst richterlich geklärt. Wir besteuern den zusätzlichen Aufwand, den man betreibt, wenn man sich einen Hund hält, das ist der Grund." Mit anderen Worten: Wer sich einen Hund leisten kann, treibt unnötigen Aufwand und dem tun zusätzliche Steuern nicht weh. Was ist mit der älteren Dame, die von ihrer kleinen Rente ihrem Pudel das Futter kauft? Was, mit dem Besuchsdiensthund, dem Schulhund, dem Therapiebegleithund? Und, ist eine Katze zu halten kein Luxus? Eine Katzensteuer wäre laut Hermanns praktisch nicht durchsetzbar. "Ein Hund kann einem bestimmten Menschen eindeutig zugeordnet werden, Katzen sind eher freiläufig oder werden, das andere Extrem, nur in der Wohnung gehalten. Da wäre es problematisch, diese Steuer wirklich durchsetzen zu können." Im Klartext heißt das: Hundebesitzer werden zur Kasse gebeten, nur weil sie offenbar mehr Geld haben, als zum Überleben notwendig ist und eine erfassbare und kontrollierbare Gruppe sind. Reicht das wirklich aus, um sie zu besteuern? Oder verstößt die herrschende Praxis tatsächlich gegen das Willkürverbot? "Die Städte und Gemeinden haben zwar ein Steuerfindungsrecht, aber man braucht schon sachliche Argumente, warum die einen zu besteuern sind, andere aber nicht. Sonst könnte man ja hergehen und zum Beispiel ab morgen jeden besteuern, der mehr als einen Baum im Garten stehen hat", erläutert Dr. Christina Baluch, Rechtsanwältin bei der Aachener Kanzlei Eßer und Kollegen. "Ich persönlich finde das Argument, dass die Hundesteuer gegen den Gleichheitssatz verstößt, überzeugend", meint Baluch, "denn ich sehe keinen Grund, warum Hunde besteuert werden, Katzen oder Pferde aber nicht. Letztlich ist dies aber eine Frage der Abwägung." Doch Justitias Waagschalen bleiben vorerst leer, denn auf ein Urteil der Bundesverfassungsrichter warteten die Juristen und Deutschlands Hundehalter vergeblich. Das höchste deutsche Gericht entschied am 26.01.2012 ohne weitere Begründung in einem knappen Beschluss den Fall erst gar nicht zu verhandeln (Az. 1 BvR 1888/11). Damit ist der Weg zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg frei geworden. "Noch vor vierzig Jahren gab es in jedem europäischen Land die Hundesteuer", erläutert der international erfahrene Rechtsanwalt. "Länder wie Großbritannien, Frankreich und Irland haben diese Steuer bisher abgeschafft, und zwar aus rein rechtlichen Erwägungen. In England ist es aufgrund einer Klage geschehen, weil diese Steuer keine Grundlage hat und sich moralisch nicht rechtfertigen lässt. In Frankreich war es im Wesentlichen der Druck der Bevölkerung, die sich dagegen gewehrt hat, andere Lebewesen zu besteuern. Nur in Deutschland, und übrigens auch Namibia (ehemals dt. Kolonie), bewegt sich in dieser Hinsicht nichts." In Straßburg , so hofft Dr. Vitt, wird im Wege einer Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland nach Art.34 MRK gerügt werden. Und zwar aus den folgenden Gründen: Der Verstoß gegen Menschenrechte - Art.8 Abs.1 der Menschenrechtskonvention, Schutz vor staatlichen Eingriffen in Privatleben - Art.13 der Menschenrechtskonvention, Recht auf wirksamen Rechtsschutz gegen Maßnahmen des Staates - Art.14 der Menschenrechtskonvention, Verbot der Diskriminierung Doch auf anderer Ebene tut sich etwas: "Die Kosten für die Betreuung eines Haustieres können seit 2012 steuerlich geltend gemacht werden", meldet der Bund der Steuerzahler. "Entsprechende Ausgaben werden als haushaltsnahe Dienstleistungen anerkannt." Den Hundesitter von der Steuer absetzen und gleichzeitig mittelalterliche Steuern für ihn zahlen? Das passt nicht zusammen. Wann die Hundesteuer in Deutschland aber fallen wird, hängt nicht zuletzt vom Engagement und dem politischen Willen von uns allen ab. Wir müssen ihn nur Kund tun. Und wer sich jetzt noch fragt, wieso nur 85 Prozent der Hundehalter Steuern zahlen, dem sei gesagt: Die Halter von hochgerechnet rund 800.000 Hunden, die in Deutschland keine Abgaben entrichten, begehen damit zur Zeit "nur" eine Ordnungswidrigkeit. Die Hinterziehung der Hundesteuer dürfte somit deutlich weiter verbreitet sein als eine Steuerflucht in die Schweiz. Text: Astrid Nestler Quelle: Dogs.de
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