Gesundheit

Gemeinsame Stellungnahme: Pflege ist systemrelevant - nicht nur in Corona-Zeiten

Petent/in nicht öffentlich
Petition richtet sich an
Gesundheitsminister Jens Spahn & Deutscher Bundestag Petitionsausschuss

17.042 Unterschriften

Bearbeitungsfrist abgelaufen

17.042 Unterschriften

Bearbeitungsfrist abgelaufen

  1. Gestartet 2020
  2. Sammlung beendet
  3. Eingereicht
  4. Dialog
  5. Gescheitert

Petition richtet sich an: Gesundheitsminister Jens Spahn & Deutscher Bundestag Petitionsausschuss

Die Herausforderungen, mit denen die Berufsgruppe der Pflegefachpersonen seit Jahrzehnten konfrontiert ist, werden in der aktuellen Corona-Pandemie überdeutlich.

Gesundheitsminister Jens Spahn, jetzt bietet sich die historische Chance, die elementaren Weichen ernsthaft und nachhaltig zu stellen, um die Profession Pflege zu stärken und unsere Gesundheitsversorgung zu sichern.

Die Bundespflegekammer, die Dekanekonferenz Pflegewissenschaft e.V., der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe, der Deutsche Pflegerat e.V., die Deutsche Gesellschaft für Pflegewissenschaft e.V., die European Academy of Nursing Science, die Landespflegekammer Rheinland-Pfalz, die Pflegekammer Niedersachsen, die Pflegeberufekammer Schleswig-Holstein sowie der Verband der Pflegedirektorinnen und Pflegedirektoren der Universitätskliniken und Medizinischen Hochschulen Deutschlands e.V. und das Netzwerk Pflegeforschung im VPU fordern daher folgende Weiterentwicklungen:

  1. Einbezug der Pflegefachpersonen in die kommunale Gesundheitsversorgung sowie die Substitution umschriebener, bisher ärztlich vorbehaltener Tätigkeiten im Sinne der Heilkundeübertragung bzw. die Etablierung neuer Versorgungskonzepte, wie sie zum Beispiel mit einer Advanced Practice Nurse möglich und international etabliert sind. Seit Jahrzehnten übernehmen Pflegefachpersonen weltweit ganz selbstverständlich Aufgaben, die in Deutschland als heilkundliche Tätigkeiten definiert sind. Beispielsweise sichern sie die Primärversorgung in ländlichen Gebieten mit erschwertem Zugang zu Ärztinnen und Ärzten und erzielen dabei eine durchaus vergleichbare Versorgungsqualität. Die Patientenzufriedenheit ist sogar höher. Diese und andere positive Effekte zeigen zahlreiche internationale Studien.

  2. Die Verfahren zur Einrichtung von Pflegeberufekammern auf Landes- und Bundesebene gezielt voranzutreiben und politisch zu unterstützen. Die Corona-Pandemie zeigt, wie wichtig ein exakter Überblick über die Anzahl, die Qualifikationen und Erreichbarkeit von Pflegefachpersonen ist. Dies ist auch politischen Entscheidungsträgerinnen und -trägern klargeworden, wie dem ersten Entwurf zum sogenannten NRW-Epidemie-Gesetz entnommen werden kann. Dieses sah die Zwangsrekrutierung von Pflegefachpersonen vor. Eine weit bessere Lösung wäre die Einrichtung von Pflegeberufekammern, wie sie in Deutschland schon seit Jahrzehnten gefordert wird.

  3. Die Berufsgruppe der Pflegefachpersonen zu stärken und die Daseinsfürsorge zu sichern. Die Corona-Pandemie zeigt, dass ein hocheffizientes Gesundheitswesen wie das deutsche sehr gut qualifizierte und leistungsbereite Pflegefachpersonen benötigt, um die Daseinsfürsorge dauerhaft zu sichern. Es war und ist nicht hinnehmbar, dass pflegebedürftigen und kranken Menschen in einem wohlhabenden Land wie Deutschland nicht ausreichend Pflegefachpersonen zur Pflege und Unterstützung zur Verfügung stehen. Ziel muss eine Verbesserung der Versorgungsqualität und vor allem der Arbeitsbedingungen für Pflegefachpersonen sein. Hierzu bedarf es einer Personalausstattung, Qualifikation und Entlohnung, die sich an der tatsächlichen Komplexität und Verantwortung des Pflegeberufes orientieren. Dies setzt ein wissenschaftlich fundiertes und praxistaugliches Personalbemessungsinstrument voraus.

  4. Die Disziplin Pflegewissenschaft zu fördern sowie eine solide Evidenzbasis für professionelle Pflege zu schaffen. Die Corona-Pandemie zeigt deutlich den Bedarf nach Entwicklung und Evaluation von Modellen der pflegerischen oder Pflege-geleiteten Versorgung unter Pandemiebedingungen. Über viele Jahre gab es keinerlei spezifische Förderung der universitären Pflegeforschung. Pflegewissenschaftlicher Nachwuchs ist rar, Professuren können kaum besetzt werden, und die Standorte buhlen um die wenigen qualifizierten Bewerberinnen und Bewerber. Die weitere Professionalisierung der Pflegefachberufe benötigt eine leistungsfähige, hochqualifizierte wissenschaftliche Bezugsdisziplin. Künftige Forschungsförderprogramme sollten sich spezifisch auch an die Pflegewissenschaft und den pflegewissenschaftlichen Nachwuchs richten.

  5. Die regelhafte Einrichtung pflegewissenschaftlicher Professuren an allen Universitätskliniken und medizinischen Hochschulen sowie eine konsequente Erhöhung des Anteils hochschulisch qualifizierter Pflegefachpersonen. Für Pflegefachpersonen stellt sich aktuell die Herausforderung, bewährte Prozesse und Verfahrensweisen auf die aktuellen Herausforderungen der Pandemie tiefgreifend anzupassen. Hierzu braucht es Fähigkeiten, sich aktuelle Forschungserkenntnisse zu erschließen und auf die berufliche Praxis kritisch-reflektierend zu adaptieren. International ist der Pflege- wie auch Hebammenberuf als eine hochschulisch zu erwerbende Qualifikation Standard – Deutschland muss hier dringend anschlussfähig werden.

Die Unterzeichnenden fordern, dass bisherige halbherzige politische Aktivitäten jetzt von wirksamen und nachhaltigen Aktivitäten abgelöst werden!

Begründung

Als die WHO das Jahr 2020 zum Jahr der Pflegenden und Hebammen erklärt hat, konnte noch niemand die weltweite Corona-Pandemie und die hohe Relevanz der Pflege in diesem Kontext erahnen. Weder die differenzierten Berichte von Fachorganisationen noch die überzeugendste Evidenz empirischer Studien konnten uns bisher die Bedeutung von Pflegefachpersonen für die Gesundheitsversorgung der Menschen so deutlich vor Augen führen. Die öffentliche Wertschätzung für diese Berufsgruppe scheint zwar gestiegen zu sein, doch ihr Rollenbild in Politik, Gesellschaft und Medien bleibt unverändert.

Damit Pflegefachpersonen endlich ihren berechtigten Platz im Gesundheitssystem und Pflegewissenschaft die notwendige Anerkennung finden, müssen jetzt die Weichen gestellt werden. Wir haben die Chance, den Pflegefachberuf zu Beginn des neuen Jahrzehnts so weiterzuentwickeln, dass Pflegefachpersonen den künftigen Herausforderungen begegnen und in vollem Umfang zum Wohle der Bevölkerung arbeiten können.

Die Systemrelevanz von Pflegefachpersonen wird in der aktuellen Corona-Pandemie besonders deutlich. Sie tragen maßgeblich dazu bei, die gesundheitliche Versorgung der Patientinnen und Patienten mit Covid-19 sicherzustellen und Infektionsketten in allen Settings der Gesundheitsversorgung zu unterbrechen. In kürzester Zeit wurden weitereichende Umstrukturierungen in Krankenhäusern und Alten- und Pflegeheimen umgesetzt sowie Isolierstationen eingerichtet um die Notfallversorgung anzupassen. Pflegefachpersonen wurden dafür spezifisch qualifiziert und haben sich bereitwillig aus anderen Bereichen versetzen lassen. Die Pandemie wirkt sich auf alle Arbeitsbereiche der Pflege aus. Zusätzlich zu den alltäglichen Anforderungen kommen nun Aufgaben zum Infektionsschutz sowie zur Aufklärung über präventive Maßnahmen wie Social Distancing, hinzu. Pflegefachpersonen sind zudem mit den sekundären Auswirkungen dieser Maßnahmen konfrontiert – mit Ängsten, Vereinsamung und extremen Verunsicherungen ihrer Patientinnen und Patienten, Klientinnen und Klienten und deren Angehörigen. All dies erfordert eine professionelle Wahrnehmung, umfassende Lösungskompetenz und stabilisierende Ansätze in Situationen, in denen keine einfachen bewährten Antworten vorliegen. Dennoch scheint der Pflegefachberuf weiterhin vornehmlich als „dienende, aufopfernde und selbstlose Tätigkeit“ wahrgenommen zu werden.

Der Umfang der Expertise und die Verantwortung pflegerischen Handelns werden in der aktuellen Situation eklatant unterschätzt. Dazu einige Beispiele:

  • Im Zuge der Corona-Pandemie wurden in unterschiedlichen Bereichen Kurzfortbildungen entwickelt. So erhielten Pflegefachpersonen ohne Intensiverfahrung Grundlagenwissen zur Beatmung und Symptomkontrolle bei Patientinnen und Patienten mit COVID-19. Dies ist in Anbetracht der akuten Bedrohung nachvollziehbar, unterstützt jedoch die gefährliche Grundannahme, dass hochkomplexe pflegerische Aufgaben schnell zu erlernen seien.

  • Pflegefachpersonen sind beim Krisenmanagement und zur Entwicklung von Lösungsstrategien nicht regelhaft integriert. Demgegenüber ist offenkundig, dass die pflegerische und pflegewissenschaftliche Expertise bei der Entwicklung von Leitlinien, Präventions- und Therapiemaßnahmen einen wertvollen Beitrag leisten kann. Der Deutsche Pflegerat fordert auch, die Profession Pflege zwingend in die Krisenstäbe einzubinden.

  • Vertreter der Virologie, Intensivmedizin und Epidemiologie haben derzeit eine erstaunliche Medienpräsenz und äußern sich als Allrounder auch zu Fragen aus den Bereichen Public Health und Pflege. Dagegen ist Expertise aus der Profession Pflege kaum und aus der Pflegewissenschaft gar nicht in den Medien vertreten. Obwohl pflegerische und pflegewissenschaftliche Studiengänge sowie Professuren und pflegewissenschaftliche Stabstellen in den Kliniken seit vielen Jahren etabliert sind, wird die Pflegewissenschaft in Deutschland kaum als eigenständige wissenschaftliche Disziplin anerkannt.

  • Die kurzfristig eingerichtete Forschungsförderlinie des BMBF in Höhe von 150 Millionen Euro soll ein Forschungsnetzwerk zum Austausch zwischen den Ärztinnen und Ärzten in den Universitätskliniken im Rahmen der Corona-Pandemie fördern. Die Pandemie wirft aber in vielfältiger Hinsicht ebenso eine pflegerische Themenstellung auf, zu der es professionsspezifische Verfahrensweisen, Versorgungsfragen, Wissen und Kompetenzen zu entwickeln gilt. Darüber hinaus werden die weitreichenden und kaum abzusehenden gesundheitlichen und sozialen Folgen der pandemiebedingten Interventionen für die Gesellschaft bisher nicht berücksichtigt. Die Pflegewissenschaft kann hier einen entscheidenden Betrag leisten.

Die gesamte Stellungnahme ist abrufbar unter: https://www.vpuonline.de/wp-content/uploads/Gemeinsame-Stellungnahme-zum-internationalen-Jahr-der-Pflegenden-und-Hebammen-1.pdf

Diese Petition wird unterstützt von:

Dr. Eckart von Hirschhausen - Kabarettist und Arzt sowie Gründer der Stiftungen Humor Hilft Heilen (HHH), Gesunde Erde Gesunde Menschen (GEGM) sowie Unterstützer des Deutschen Pflegetages

Vielen Dank für Ihre Unterstützung

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Angaben zur Petition

Petition gestartet: 27.05.2020
Petition endet: 31.10.2020
Region: Deutschland
Kategorie: Gesundheit

Neuigkeiten

  • Liebe Unterstützende,
    der Petent oder die Petentin hat innerhalb der letzten 24 Monate nach dem Einreichen der Petition keine Neuigkeiten erstellt und den Status nicht geändert. openPetition geht davon aus, dass die Bearbeitungsfrist des zuständigen Ausschusses bzw. des Empfängers abgelaufen ist.

    Wir bedanken uns herzlich für Ihr Engagement und die Unterstützung,
    Ihr openPetition-Team

  • Viele Dank noch einmal für Ihre Unterstützung unseren gemeinsamen Petition mit dem Ziel die Arbeitsbedingungen für Pflegende auch mit den Erfahrungen der Corona-Pandemie weiter zu bringen. Wir haben die Petition mit allen Unterschriften dem Petitions-Ausschuss der Bundesregierung übergeben. Hier ist unsere Petition mit weiteren Initiativen zum Thema Pflege zusammen geführt worden. Wie werden Ihnen berichten, wenn wir hier eine Rückmeldung erhalten.

    Zusätzlich haben wir die Papier mit einem Anschreiben auch an folgende Personen übergeben:
    Bundesfamilienministerin Dr. Franziska Giffey
    Bundesarbeitsminister Hubertus Heil
    Bundesgesundheitsminister Jens Spahn
    Pflegebevollmächtigten der Bundesregierung Herrn Westerfellhaus
    sowie an alle Landesgesundheitsministerien.

    Erste... weiter

  • Sehr geehrte Damen und Herren,

    vielen Dank für Ihre Unterstützung!

    Wir freuen uns sehr über die 17.042 Unterschriften zu unserer Petition. In Form eines offenen Briefs überreichten wir die Forderungen an die Beteiligten der Konzertierten Aktion Pflege (KAP), Bundesminister Herrn Spahn, Bundesministerin Frau Dr. Giffey, Bundesminister Herrn Heil sowie dem Bevollmächtigten der Bundesregierung für Pflege, Herrn Staatssekretär Andreas Westerfellhaus. Zudem wurde die Petition beim Petitionsausschuss der Bundesregierung eingereicht. Darüber hinaus erhalten auch die Gesundheitsministerien der Bundesländer den offenen Brief.

    Den offenen Brief finden Sie unter: www.vpuonline.de/Netzwerk-Pflegewissenschaft-und-Praxisentwicklung/

    Mit freundlichen... weiter

Seit 36 Jahren arbeite ich in der Krankenpflege in der Psychiatrie. Es ist überfällig, dass sich etwas ändert. Wir sind viele und könnten eine riesengroße Lobby haben, wenn wir alle zusammenstehen und an einem Strang ziehen. Diese Petition ist ein Baustein dazu.

Die zweite Hälfte der Petition führt leider dazu, dass ich sie nicht unterstützen kann: Ich halte es für einen Irrglauben, die Pflege müsse akademisiert werden. Das muss sie nicht. Deutschland hat mit der dualen Ausbildung, die in der Pflege auch international anerkannt wird, ein Alleinstellungsmerkmal, an dem festgehalten werden muss: Die praktische Ausbildung darf nicht zu kurz kommen, wie das z.B. beim Medizinstudium leider definitiv der Fall ist. Natürlich sollte man auch Pflegewissenschaften als akademisches Fach fördern, allerdings mit Berufsperspektive außerhalb der praktischen Pflege.

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