17.10.2024, 11:15
Sehr geehrter Herr Mai,
ich nehme Bezug auf Ihre untenstehende E-Mail sowie Ihre Eingabe vom 23.05.2024 an Frau Bürgermeister Emmerich-Kopatsch sowie den Stadtrat der Berg- und Universitätsstadt Wildemann (Eingang beim Landkreis Goslar am 24.05.2024 per E-Mail).
Mit E-Mail vom 24.05.2024 hat mein Kollege, Herr Sell, die zu beteiligenden Behörden und Dienststellen zu Ihrer Eingabe angehört. Im Ergebnis wird insgesamt keine ausreichende Grundlage für eine Beschränkung der Geschwindigkeit gesehen. Hierfür gibt es folgende Anhaltspunkte:
1. Der Bohlweg ist kein Wohngebiet im gesetzlichen Sinne, sondern es handelt sich um die Ortsdurchfahrt der Landesstraße 515. Die Anordnung einer Tempo 30-Zone darf sich weder auf Straßen des überörtlichen Verkehrs (Bundes-, Landes- und Kreisstraßen) noch auf weitere Vorfahrtstraßen (Zeichen 306) erstrecken. Somit scheidet die von Ihnen zitierte Geschwindigkeitsreduzierung gem. § 45 Abs. 1c Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) aus.
2. Eine Geschwindigkeitsbeschränkung aus Lärmschutzgründen kann nur aufgrund eines Lärmgutachtens angeordnet werden. Ein solches liegt weder vor, noch dürfte die Verkehrsbelastung das Erstellen eines solchen Gutachtens erfordern. Dieses wäre zudem direkt beim zuständigen Straßenbaulastträger, der Nds. Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr, Geschäftsbereich Goslar (NLStBV GB GS) zu beantragen. Somit scheidet auch eine Geschwindigkeitsbeschränkung gem. § 45 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 StVO zum Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm und Abgasen aus.
3. In Betracht kommt sodann nur noch eine Geschwindigkeitsbeschränkung aus Gründen der Verkehrssicherheit. Nach Anhörung der Polizeiinspektion Goslar besteht keine Unfalllage, die eine Beschränkung der Geschwindigkeit erfordert.
4. Ohne genaue Zahlen für Fußgängerquerungen zu haben, wird es zumindest für fraglich gehalten, dass bei einer Ortschaft von der Größe von Wildemann (trotz Tourismus) dermaßen viele Querungen stattfinden, um daraus dauerhafte und massive Probleme ableiten zu können. Es dürften genügend Zeitlücken im Verkehrsablauf bestehen, um die Fahrbahn der L 515 queren zu können. Zudem verteilen sich die querenden Fußgänger auf eine enorm lange Ortsdurchfahrt. Auch eine gegenseitige Rücksichtnahme bei einer geringen Gehwegbreite sollte, wie auch in anderen Orten, möglich sein. Zudem gibt es zahlreiche weitere Ortschaften im Landkreis Goslar, in deren Ortsdurchfahrt keine Geschwindigkeitsbeschränkungen vorhanden und die Querungen von Anwohnern und Touristen dennoch möglich sind.
5. Bzgl. der parkenden Fahrzeuge auf den Gehwegen ist festzustellen, dass dies in diesem Bereich nicht erlaubt ist. Eine Überwachung des ruhenden Verkehrs durch den Vollzugsdienst des zuständigen Ordnungsamtes wäre hier entsprechend durchzuführen.
6. Parkende Fahrzeuge auf der Fahrbahn dienen eher der Verkehrsberuhigung und reduzieren grds. die gefahrenen Geschwindigkeiten.
Zur Ermittlung der tatsächlich gefahrenen Geschwindigkeiten sowie der Anzahl der durchgefahrenen Fahrzeuge wurde durch den Landkreis Goslar im Juli 2024 eine Seitenradarmessung durchgeführt. Die erfassten Werte sind dabei völlig im üblichen Rahmen einer Ortsdurchfahrt. Die V85* als wichtige Kennzahl lag bei 56 km/h in Fahrtrichtung Lautenthal und 57 km/h in Fahrtrichtung Clausthal-Zellerfeld. Die maximale Geschwindigkeit in Fahrtrichtung Lautenthal betrug 75 km/h und in Fahrtrichtung Clausthal-Zellerfeld 71 km/h, was bei Ortsdurchfahrten absolut nicht unüblich ist. Auch bei Feststellung höherer Geschwindigkeiten im Rahmen der Verkehrszählung/Seitenradarmessung kann hieraus nicht die Folge abgeleitet werden, die Geschwindigkeit weiter herabzusenken. Vielmehr wäre in einem solchen Fall (bei entsprechender Zustimmung durch die Polizeiinspektion Goslar) die Geschwindigkeit zu überwachen, was bei den jedoch hier festgestellten Werten nicht erforderlich ist.
(*Die Kennzahl V85 wird von Verkehrsingenieuren zu Grunde gelegt, um das Geschwindigkeitsniveau zu ermitteln. Der Wert stellt die Geschwindigkeit dar, die von 85 % der Verkehrsteilnehmer eingehalten wird. So erhält man eine verlässliche Kontrollgröße über das Fahrverhalten der moderaten Mitte. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass 15 % der Verkehrsteilnehmer diese Geschwindigkeit überschritten haben.)
Informell wird darauf hingewiesen, dass eine innerörtliche streckenbezogene Geschwindigkeitsreduzierung gem. § 45 Abs. 9 S. 4 Nr. 6 StVO im Bereich bestimmter Einrichtungen (wie bspw. Kindergärten, Schulen, Alten- und Pflegeheime) ebenfalls rechtlich nicht möglich ist, da im unmittelbaren Bereich der L 515 sich keine der dort genannten Einrichtungen befinden.
Gemäß der obigen Ausführungen besteht aus verkehrlicher Sicht keine rechtliche Grundlage auf eine Geschwindigkeitsreduzierung auf 30 km/h. Ihre Eingabe kann daher nur abschlägig beschieden werden. Daran ändert auch die von Ihnen gestartete Petition nichts, da es hier irrelevant ist, ob die Eingabe von einer Einzelperson oder Gruppe kommt.
Mit freundlichen Grüße