12.05.2015, 01:54
Kaffee mit Kind
Neulich hatte ich Euch mitgeteilt, dass Martin Kind auf meinen/unseren offenen Brief geantwortet und einen „persönlichen Gedankenaustausch“ angeboten hatte. Dieser Termin fand am Freitag. 8.5. statt. Mein Mann und einer unserer Fußballfreunde haben mich begleitet, von Seiten unserer Alten Liebe waren neben Martin Kind auch die beiden Fanbeauftragten und Stadionchef Thorsten Meier mit dabei – also eine ziemlich große Runde.
Wir hatten vorher darüber spekuliert, wie lange so ein Gespräch wohl dauern würde – zumal ja zumindest in der Sache Brief schon so ziemlich alles gesagt schien und Fans und Club wieder aufeinander zugehen. Alles ab einer halben Stunde schien uns angemessen. Es sollte deutlich mehr werden.
Auf das eigentliche Thema des Briefes sind wir dabei nur relativ kurz eingegangen. Der Kernsatz, über den wir beim Lesen alle gestolpert sind, war ja, dass MK den rein emotionalen Standpunkt bisher in dieser Form noch nicht wahrgenommen hatte. Ich habe deshalb als erstes gefragt, WAS er denn bisher wahrgenommen habe. Die Antwort war etwas weitschweifig und eigentlich keine Antwort auf meine Frage, und ich ärgere mich ein bißchen, dass ich nicht stärker nachgehakt habe – aber da waren wir noch in der Aufwärmphase, hatten die Visiere noch heruntergeklappt und gingen sehr vorsichtig miteinander um.
Bedeutend für mich war allerdings die Aussage, dass die Fans auf der West- und Südkurve genauso wichtig genommen werden wie die aktiven Fans in der Nordkurve. Auch mit ihnen würde der Dialog gesucht und geführt – es sei allerdings aufgrund der Diversität schwierig, dort Ansprechpartner zu finden (schon klar – wenn ich mich nicht so über den offenen Brief geärgert hätte, wäre es ja auch zu diesem Termin nicht gekommen). MK hat sehr offen eingestanden, dass der offene Brief, was das angeht, unglücklich formuliert war und nicht das ausgedrückt hat, was er sagen sollte.
Im weiteren Verlauf des Nachmittags haben wir ein, wie ich finde, sehr offenes, auch kontroverses, aber immer faires Gespräch geführt und so ziemlich alle Punkte angerissen, die in der letzten Zeit für Diskussionen gesorgt haben – den Dialog mit der aktiven Fanszene, die Menschen auf der West und auf der Süd, Marken und Emotionen, die Herausforderung, anders als der Trainer als Präsident ein Spiel emotionslos verfolgen zu müssen, aber auch die betriebswirtschaftlichen Veränderungen im Fußball. Dieses Thema haben wir ausführlicher besprochen und unsere Befürchtungen nach dem Verkauf der letzten Anteile durch den Verein anhand von Beispielen wie Anshi Machatschkala und den Hannover Scorpions verdeutlicht. Dazu kann es – so MK – nicht kommen; die Verträge seien so gestrickt, dass ein Investor keine Gewinne aus dem Verkauf von Anteilen ziehen könne, dazu gäbe es klar geregelte Vorkaufsrechte und auf dem Kapitalmarkt kämen die Anteile ohnehin nicht. Dazu soll demnächst auf der Website von 96 noch näher eingegangen werden.
MK sieht ziemlich klar, dass für die Wahrnehmung der Bundesliga in Europa ein Verein wie Bayern München wichtig – und die Bundesliga erst ab Platz 2 spannend ist. Selbst Vereine wie Dortmund könnten nur als „Momentaufnahme“ mithalten. Diese Zweiklassengesellschaft haben wir lange diskutiert. Nach Meinung von MK sei in Sachen „Financial Fair Play“ die DFL mehr gefordert – dort würde alles rund um die Stadien und das Spiel reguliert, aber in diesem Punkt wünschte er sich von der DFL mehr Visionen und Gestaltung.
Ein bißchen haben wir von Europa geträumt. Thorsten Meier überraschte uns mit der Information, dass Hannover und Hannover 96 bei der UEFA als leuchtendes Beispiel dafür dargestellt werden, wie es gehen kann, wenn ein Club die EuroLeague „annimmt“. Ich gebe zu, das ging runter wie Öl.
Natürlich haben wir auch über die sportliche Seite gesprochen – denn meine These ist ja, dass Stimmung von „stimmen“ kommt – und was passiert, wenn nicht alles stimmt....das sehen wir ja gerade. Nachwuchsarbeit, Transfers, Trainings und Scouting gehörten zu den Themen, die angesprochen wurden. Auf unsere Fragen bzw. Theorien wurde überraschend klar und aufrichtig eingegangen. Etliches deckt sich dabei mit dem, was auch wir als Fans wahrnehmen.
Unser Gespräch dauerte fast 1,5 Stunden – deutlich länger als wir erwartet hatten. Zum Abschied überreichten wir ein Exemplar unseres Erinnerungsbuchszur EuroLeague-Saison 2012/2013 und ich glaube, die Freude darüber war echt und keine gespielte Höflichkeit. Der Boss begleitete uns persönlich bis zur Tür, jeder wurde mit Handschlag und „bis morgen“ verabschiedet – auch wenn wir uns gar nicht sehen würden.