21.10.2020, 17:04
An die Redaktionen der Südtiroler Medien
Petition Lehrerwunderland Südtirol übergeben:
Landeshauptmann übt sich in Verständnis.
Bildungslandesrat und Direktion abwesend
Es war ein Auftritt, den Landeshauptmann Arno Kompatscher exzellent beherrscht: sich in ein schmeichelhaftes Wohlwollen kleiden, um dahinter die Verantwortung der Politik zu verschleiern. Aber Empathie und persönliche Zugewandtheit zu zeigen kostet keine Millionen aus dem Landeshaushalt, diese bleiben weiterhin für andere Interessensgruppen reserviert.
Das ist das Ergebnis der Anhörung anlässlich der Übergabe der Petition „Lehrerwunderland Südtirol“. Kernthema der Aussprache waren die Disparitäten im Bildungsbereich und die notwendigen Maßnahmen zu ihrer Behebung. Stellvertretend für die 3018 Unterzeichnenden wurden zentrale Defizite im gegenwärtigen Bildungsbetrieb aufgezeigt; einerseits sind es die Gehälter der Lehrkräfte und die inadäquaten materiellen und digitalen Arbeitsbedingungen in der Schule und im Fernunterricht, anderseits die obrigkeitlichen Strukturen und die drei ethnisch getrennten Schulverwaltungen samt Didaktik und Lehrpersonal.
Die Delegation aus Lehrkräften der Mittel- und Oberschulen zeichnete das Bild einer Realität, in dem häufig die Erfahrungen der Lehrberufe gar nicht vorkommen. Beleg dafür ist, dass es in Südtirol eine Petition braucht, um auf die akuten Fragen von Bildung und Schule hinzuweisen. Und es sind Fragen einer ungleichen Verteilung des Wohlstandes und der Zukunftschancen, von denen die Politik seit zehn Jahren wegschaut.
Über Bildung und Schule schwebt der Gegensatz zwischen den ihr übertragenen Aufgaben und den fehlenden Maßnahmen zu ihrer Umsetzung. Alle im „Bildungsleitbild Südtirol 2007“ von Otto Saurer formulierten Leitlinien sind seither versandet: der Abbau von Ungleichheiten, dass Bildung Vorrang habe in Südtirol, der Dialog zwischen den Sprachgruppen, dass der Aus- und Weiterbildungsbedarf erhoben werden müsse, um ihn gestalten zu können. Völlig inakzeptabel ist demnach die mit „Effizienz und einheitlicher Kommunikation“ begründete Abwesenheit von Bildungslandesrat Philipp Achammer zusammen mit der gesamten Bildungsdirektion.
Ob die Betroffenheit des Landeshauptmannes sich auch auf die hausgemachten Ursachen der Defizite im Bildungsbetrieb bezog, lässt sich indes bezweifeln. Das Lenkrad für alles liegt nämlich in der sehr einseitig ausgerichteten Haushaltspolitik, die Löhne und Gehälter vorwiegend für einen Kostenfaktor hält, anstatt sie als Werkzeug für Innovation und gesellschaftliche Entwicklung zu nutzen. Und das alles steht unter dem Regime einer ungerechten Verteilung des Steueraufkommens, das Unternehmen mit jährlich 100 Millionen belohnt, während die Steuern auf Löhne und Gehälter dem Landeshaushalt ansteigende Einnahmen bescheren. Das rechtfertigt es, die Wirtschaftspolitik in Südtirol für eine Sakralisierung des Unternehmertums und eine Bereicherungswirtschaft zu halten.
Für die Schule kündigte Landeshauptmann Kompatscher heuer 10 Millionen Euro mit einem einmaligen Betrag von 500 Euro (netto 350) pro Kopf für die technische Ausstattung der Lehrkräfte an. Dem stehen aber Sonderbeträge aus dem Nachtragshaushalt von 30 Millionen für das Tourismusmarketing Re-Start der IDM, 20 Millionen für Straßenbau, 10 Millionen für Kompensation der Tourismusabgaben, 20 Millionen für die Landwirtschaft, 12,5 Millionen für die Infranet AG, 35.000 für den Pferderennplatz usw. gegenüber.
Bozen, am 18. Oktober 2020
Für die LehrerInneninitiative Südtirol: Markus Klammer, Florian Leimgruber