17.12.2016, 10:43
Wiesbadener Kurier,16.12.2016
ALTES GERICHT Initiative für Haus der Stadtkultur zieht ernüchternde Bilanz zum Jahresende
WIESBADEN (MK). Ganz hinten auf der Tagesordnung der Stadtverordnetenversammlung standen gestern zwei Punkte, über die lange gerungen worden war. Auf der Tagesordnung III, die üblicherweise ohne weitere Debatte beschlossen wird, fanden sich die Bebauungspläne „Hochschule Moritzstraße“ und „Südlich der Gerichtsstraße“. Beteiligte wissen: Dabei geht es um die Zukunft des Areals „Altes Gericht“. Für die Initiative „Haus der Stadtkultur und Stadtgeschichte“ ist das ein Grund für eine eher ernüchternde Bilanz.
„Die Stadt beweist ein feines Gespür für Timing“, sagt Meinrad von Engelberg, Sprecher der Initiative, die sich für eine öffentliche Nutzung des denkmalgeschützten Gebäudes einsetzt. Ein Jahr erst sei es her, dass auf einer „turbulenten“ Bürgerversammlung über die Zukunft des Alten Gerichts diskutiert worden war, jetzt würde „möglichst lautlos“ aus „dem öffentlichen ein Privatgebäude“ gemacht. Von Engelberg: „Wir bezweifeln, ob sich Wiesbaden über dieses Weihnachtsgeschenk zu Recht freuen kann.“
Vor der Kommunalwahl im März hätten nahezu alle Rathaus-Fraktionen zugesagt, die Vorschläge für ein Haus der Stadtkultur und Stadtgeschichte im Alten Gericht „ergebnisoffen zu prüfen“, klagt von Engelberg. Eine von der Initiative präsentierte Kostenrechnung für Umbau und Betrieb sei bis heute unwidersprochen. „Man hat den Wunsch unserer 6600 Unterzeichner und die eigenen Versprechungen einfach vom Tisch gewischt.“
Diese Form der Bürgerbeteiligung, „die nicht von oben gesteuert ist“, sei offenbar nicht erwünscht und würde ignoriert. Das nenne man „vollendete Tatsachen schaffen“, ergänzt Mitstreiter Franz Kluge.
Die Eröffnung des Stadtmuseum am Markt (SAM) im September hat nach Ansicht der Initiative das große Interesse an der Stadtgeschichte bewiesen. Der „lichtlose Info-Keller“ könne dieser Nachfrage indes nicht gerecht werden. Im Alten Gericht hätte es hingegen genug Raum dafür gegeben, so von Engelberg und Kluge.
Schicke Start-Ups in historischen Gerichtsälen
Die Bebauungspläne sehen neben dem Bau der Hochschule Fresenius auf dem übrigen Gelände für das alte Gebäude nun neben Wohnungen auch Raum für die „Kreativbranche“ vor. Die Initiative: Unter dem schönen Tarnbegriff „teilöffentlich“ würden sich nun „schicke Start-Ups“ in den historischen Gerichtssälen breitmachen.
Von den Parteien jedenfalls hat die Initiative inzwischen eine deutliche Meinung: „Eine einzige Partei war wirklich konsequent und verlässlich: die CDU.“ Deren Vertreter hätten niemals den Anschein erweckt, als wollten sie ernsthaft auf unsere Anliegen eingehen. „Das kann man immerhin als Geradlinigkeit bezeichnen“, sagt Christa Bisenius-Kluge, ebenfalls Initiativen-Mitglied.