20.11.2013, 09:58
Rückendeckung für die Förderschulen im Landkreis Politiker wollen die Wahlfreiheit erhalten
Von Ute Winsemann
Landkreis Oldenburg. Mit Blick auf die Inklusion will der Schulausschuss des Kreises die Wahlfreiheit der Eltern zwischen Regel- und Förderschulen erhalten. Das bedeutet auch, die Zukunft der Förderschulen selbst zu sichern.
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„Er hätte die Klasse gesprengt“, glaubt Bianca Meyer von ihrem Sohn. Dass er es nicht getan hat, schreibt sie der Sprachheilschule Neerstedt zu. Denn dort werde der Junge, der ihrer Meinung nach in einer normalen Grundschule „untergegangen“ wäre, optimal gefördert, schilderte sie am Dienstagabend im Schulausschuss des Landkreises. So habe er sich innerhalb kurzer Zeit nicht nur sprachlich, sondern auch emotional und sozial weiterentwickelt. Wobei das nach ihrer Einschätzung miteinander zusammenhängt. „Der Junge war nur am Schreien, weil er sich nicht verständigen konnte“, beschrieb sie das letzte Jahr im Kindergarten. Mit der Überwindung der sprachlichen Schwierigkeiten ändere sich auch das Verhalten.
„Unser Sohn wird nach zwei oder drei Jahren die Regelschule besuchen können“, ist die Mutter deshalb überzeugt – und zwar „als Regelkind, nicht als Inklusionskind“. Also als ein Kind, das nach gezielter Förderung am Anfang der Schullaufbahn später keine besondere Unterstützung mehr braucht. Weil sie „diese Chance auch für andere offenhalten“ will, hat Bianca Meyer eine Petition für den Erhalt der Sprachheilschulen gestartet. Damit stieß sie bei den Kommunalpolitikern auf offene Ohren.
Denn auch sie sahen einen Passus der rot-grünen Koalitionsvereinbarung, dass im Zuge der Inklusion die „Förderschulen Sprache“ ab kommendem Schuljahr keine neuen Kinder mehr aufnehmen sollten, parteiübergreifend überwiegend kritisch. Mädchen und Jungen mit sprachlichen Defiziten sollten stattdessen in den normalen Grundschulen eingeschult werden.
Zwar haben sich die Regierungsfraktionen vorige Woche verständigt, diese Veränderung um ein Jahr aufzuschieben, genauso wie das gleichfalls geplante Auslaufen der „Förderschulen Lernen“ ab Klasse 5. „Das hat die Lage ein bisschen entspannt“, sagte Landrat Frank Eger. Aber für die Zeit danach steht weiterhin im Raum, dass auch die Förderschulen Sprache schrittweise „in das allgemeine inklusive Schulsystem überführt“ werden, wie es die Befürworter umschreiben.
Angesichts dieser Perspektive warnte der Leiter der Schule am Habbrügger Weg in Ganderkesee, Werner Köhler, vor einem „Rückschritt in die Sechziger Jahre vor dem Ausbau des Sonderschulwesens“. Wohl begrüßte er wie auch alle anderen Anwesenden den Grundgedanken der Inklusion, „Ausgrenzung zu vermeiden“. Er machte jedoch auch darauf aufmerksam, dass die Förderschulen so strukturiert und ausgestattet seien, dass sie sich besser um die Kinder – und auch deren Eltern – kümmern könnten. Zudem gehe es keineswegs darum, Mädchen und Jungen mit Unterstützungsbedarf unbedingt dauerhaft in den Förderschulen zu behalten, betonte die Konrektorin der Wildeshauser Hunteschule, Martina Zahl. Vielmehr sollten sie nach Möglichkeit das Rüstzeug bekommen, um im normalen Schulbetrieb mitzuhalten, „wir schaffen diese Übergänge“.
Dass Förderschulen ihren Kindern die besten Chancen bieten, meinen nach wie vor offensichtlich auch viele betroffene Eltern. Seit diesem Schuljahr können sie frei entscheiden, ob ihr Kind auf eine Förderschule oder auf eine normale Grundschule gehen soll. Hatte es im Frühjahr noch so ausgesehen, als ob deutlich weniger Kinder als bisher bei den Förderschulenangemeldet würden, sind die Zahlen laut Kreisverwaltung letztlich „nahezu konstant“ geblieben. In Neerstedt etwa schwankten sie in den vergangenen Jahren von 20 bis 28 Neuen, in diesem Jahr waren es nach Angaben von Schulleiter Jürgen Möhle 24.
Angesichts solcher Zahlen betonte Herwig Wöbse (CDU), dass die Inklusion „keine Pflicht zur Abschaffung der Förderschulen“ bedeute, sie sollten vielmehr erhalten bleiben, „solange ausreichend Eltern sie anwählen“. Auch Wolfgang Däubler (UWG) sprach sich dafür aus, ein funktionierendes System nicht unnötig zu opfern, zumal der geringe Umfang der Förderstunden in den allgemeinbildenden Schulen „eine Unverschämtheit“ sei. Niels-Christian Heins (FDP) forderte, „nicht nur abzuwarten, was in Hannover passiert“, sondern offensiver für die Förderschulen einzutreten. Das wolle er unter anderem in Kürze bei einem Gespräch im Kultusministerium tun, versprach Eger, während einige Ausschussmitglieder die Gelegenheit nutzten, die Petition zu unterschreiben. Gleichwohl sollen in dem gewonnenen Jahr längerfristige Perspektiven für die Inklusion entwickelt werden, wie es Helmut Hinrichs (SPD) und Hilko Finke (Grüne) anmahnten. Auch die Schulleiter wollen sich in der Zeit „auf den Weg machen“.
Komplett hier: