11.06.2020, 21:43
Arsenal Adieu?
Wird Tübingens Programmkino zum Aufgeben gezwungen?
Liebe Tübinger Kinofreundinnen und Kinofreunde,
es sieht im Moment nicht gut aus für das älteste Programmkino Baden-Württembergs. Die letzte Vorstellung liegt drei Monate zurück. Und während im Atelier ab heute wieder Filme über die Leinwand flimmern, hat das Arsenal mit einer Ungewissheit zu kämpfen, die nicht durch Corona, sondern vor allem durch den Verkauf des Hauses im vergangenen Jahr bedingt ist.
Deshalb haben wir uns zum Verein „Arsenal bleibt“ zusammengeschlossen, der das Arsenal unterstützen möchte. Wir wollen in erster Linie Transparenz schaffen und möglichst viele Menschen, denen das Arsenal am Herzen liegt, erreichen und über die aktuelle Situation informieren.
Anfang der Woche haben wir uns zusammengesetzt und überlegt, was wir tun können. Ein Ergebnis ist dieser offene Brief, mit dem wir Sie auf die Situation des Arsenals aufmerksam machen. Gleichzeitig möchten wir Sie ermuntern, einen Leserbrief an das Tagblatt oder einen offenen Brief an Lokalpolitikerinnen und Lokalpolitiker zu verfassen, um das öffentliche Bewusstsein für die aktuelle Lage zu stärken.
Zögern Sie bitte auch nicht, dieses Schreiben weiterzuleiten! Wenn Sie uns – egal auf welche Weise – unterstützen, dem Verein „Arsenal bleibt“ beitreten oder einfach nur in den Mail-Verteiler aufgenommen werden wollen, schreiben Sie gern an arsenalbleibt@web.de! So können wir Sie über Entwicklungen oder weitere geplante Aktionen auf dem Laufenden halten.
Für alle, die mehr über die aktuelle Lage des Arsenal erfahren möchten, haben wir am Ende dieses Schreibens zusammengefasst, was wir wissen.
Wir hoffen, uns bald im Arsenal wiederzusehen!
Lisa Neumann
Iacopo Feldtkeller
Benedikt Reder
Udo Renner
Heiko Heil
Hannah Morris
Nathalie Skrzipczyk
Steffen Dittmar
Was wir über die aktuelle Lage des Kino Arsenal wissen:
In den vergangenen Monaten war die Zukunft des Arsenals immer wieder Thema. Die damaligen Eigentümer, eine Erbengemeinschaft, wollten das Haus verkaufen. Mehr als 2000 Menschen forderten die Stadt und die GWG in einer Petition auf, die Kinoetage zu erwerben. Doch das Projekt scheiterte.
Trotzdem konnte das Tübinger Kinopublikum im Herbst vergangenen Jahres (vorerst) erleichtert aufatmen: „Das Kino kann weitermachen“, titelte das Tagblatt am 01.10.2019. Das Arsenal-Gebäude sei an „kulturinteressierte Tübinger“ verkauft. „Sie wollen den Kinobetrieb im Haus erhalten,“ hieß es weiter. Julia und Axel Seehawer, die neuen Eigentümer, renovieren das Haus aktuell in Eigenregie.
Und nun kommen plötzlich Gerüchte auf, es sei endgültig vorbei mit dem Arsenal. Dass die neuen Eigentümer vorhaben, eine HNO-Praxis im Arsenal-Gebäude einzurichten, war in beiden oben zitierten Tagblatt-Artikeln zu lesen. Offensichtlich war die Variante im ersten Geschoss die Praxis einzurichten den Eigentümern doch aus verschiedenen Gründen zu kostspielig. Jedenfalls werden beide obere Etagen nun zu Wohnungen umgebaut, die zukünftig an Studierende vermietet werden – und wenn die Praxis wirklich in das Haus einzieht muss das Kino im Erdgeschoss weichen.
Natürlich ist die Nutzung dieser Etage in erster Linie die Entscheidung der Eigentümer. Zum anderen gibt es von Seiten der Tübinger Bürgerinnen und Bürger ein ernstzunehmendes Interesse am Erhalt des Kinos; das hat die Petition im vergangenen Jahr gezeigt.
Ende kommender Woche wird vor Gericht entschieden, ob Jahre zurückliegende Mietrückstände noch zu begleichen sind. Ein Urteil zu Ungunsten des Arsenals könnte Grundlage für eine Räumung sein. Ein solches Urteil hieße aber nicht zwingend, dass eine Fortführung des Mietverhältnisses mit einem neu ausgehandelten Vertrag ausgeschlossen wäre.
Aus Sicht der Tübinger Cineastinnen und Cineasten wäre es wünschenswert, dass das Arsenal an seinem jetzigen Standort weitermachen kann. Für sie ist es undenkbar, dass ihr geliebtes Kino, das seit 46 Jahren die Kulturlandschaft dieser Stadt mitprägt, einer Arztpraxis weichen soll. Zumal eine Arztpraxis eigentlich überall einziehen kann während für das Arsenal nicht so leicht Ersatz zu finden wäre.
Das Kino Atelier wird ohne das Arsenal nicht überleben können. Nicht zuletzt wäre eine Schließung der beiden Kinos fatal für die vielfältige Film-Festival-Szene.
Da hier nun möglicherweise das privates Interesse der Hauseigentümer dem kulturellen Leben als Teil der Daseinsvorsorge im Weg steht, sehen wir die Stadt in der Pflicht, als Vermittler aufzutreten. Ob eine Lösung dann darin besteht, den Eigentümern andere Räume für die Arztpraxis anzubieten, sodass diese keine finanziellen Verluste hinnehmen müssen, oder ob die Stadt doch langfristig eine Alternative und neue Räume für das Programmkino sucht, sei vorerst einmal dahingestellt.
Sicher ist nur, dass Tübingen, wenn es nicht an Lebensqualität verlieren will, ein Programmkino braucht!