Volksvertreterin Petra Fischer-Wolfert
Stellungnahme zur Petition „Speyer kann mehr“ … als Container
die Grünen , zuletzt bearbeitet am 15.09.2023
Ich lehne ab.
Wir als Grüne Fraktion Speyer stimmen Ihnen zu: Speyer kann mehr…. als Container.
Aus diesem Grund bemüht sich die Verwaltung mit mehreren öffentlichen Aufrufen und in jeder Sitzung zu diesem Thema um geeigneten, dezentralen Wohnraum. Bislang haben sich nicht genug Privatpersonen gemeldet und selbst Geflüchtete, die schon mehrere Jahre da sind, finden keine Wohnung in Speyer, um die bestehenden Unterkünfte für Geflüchtete wieder frei zu geben. Um dieses Problem des Wohnens in Speyer müssen wir uns kümmern, das steht außer Frage. Es ist aber getrennt von der Frage des Asyls zu betrachten.
Wir finden den Gedanken, dass Menschen in Containern leben müssen auch nicht schön. In der Kürze der Zeit ein feststehendes Gebäude an dieser Stelle zu errichten, ist finanziell und zeitlich nicht realistisch. Wir sind uns allerdings auch nicht sicher, dass Sie Ihre Bemühungen gegen die Zuweisung von 75 Personen an diesem Ort einstellen würden, wenn dort ein gemauertes Gebäude stünde.
In der Stadtratssitzung vom 29. Juni 2023 wurden über 30 Anfragen, die von Ihnen und Ihren Unterstützer*innen gestellt wurden, vom Stadtvorstand beantwortet. In diesen ging es nur am Rande um Container: Man machte sich u.a. Sorgen um die Grundstückspreise im Oberkämmerer und es ging um die Frage, (Zitat, Auszug aus einer Bürgeranfrage): „Wer garantiert mir für die Erholung in meinem Haus und Garten, nach einem anstrengenden und lauten Arbeitstag?“
Auch in anderen Anfragen sowie auf den beiden öffentlichen Veranstaltungen war die Angst vor den fremden Menschen - Angst um die Kinder auf dem Schulweg, Angst um die Kinder auf dem Weg zum Zirkus Bellissima, Angst vor Vergewaltigungen und Diebstahl – das Hauptargument. Wir verstehen jeden, der sich um seine Kinder sorgt.
Gewalt gegen Kinder, egal von wem sie ausgeht, ist grundsätzlich furchtbar und angsteinflößend. Statistiken belegen, dass sie meist in der Familie, im Bekanntenkreis und in öffentlichen Einrichtungen (z.B. Kirche) stattfindet. Hier vertraue ich den staatlichen Institutionen und Gesetzen, die wir zur Bekämpfung haben. Hier finden Sie Statistiken: www.bka.de
Wir haben auch Kinder, um die wir uns sorgen, weil der Straßenverkehr sehr unsicher ist, weil ihre Zukunft durch die Erderhitzung immer ungewisser wird, weil unsere gesellschaftlichen Systeme wie Schule, Rentensystem oder Gesundheitssystem immer schlechter funktionieren. Doch aus Angst Entscheidungen zu treffen und Handlungen abzuleiten, ist meist nicht sinnvoll, sondern nur der erste Reflex auf eine unbekannte Situation. Vor diesen vielen Herausforderungen können wir nicht wegrennen, wir müssen uns ihnen stellen, gemeinsam, demokratisch und mutig.
Durch ihre Petition stärken Sie leider die Menschen und Parteien, die Angst und Hass verbreiten statt Mut und Mitgefühl. Das macht die Situation nicht besser, sondern schlimmer. Populistische Parteien wie die AFD haben keine Lösungen, sie leben von der Zuspitzung und Vergrößerung von Problemen. Zur Lösung tragen sie nichts bei, weder hier in Speyer, noch auf Bundesebene. Diffuse Ängste vor Menschen aus anderen Herkunftsländern, die bislang nicht mal da sind, sondern die sich allein auf den Stereotyp des so viel beschworenen dunklen, jungen, gewalttätigen Mannes beziehen, sind rassistisch. Wir alle sollten uns dessen bewusst sein, wenn wir eine solche Diskussion führen und überlegen, ob diese Art des Umgangs mit Problemen uns in Zukunft ein freies, sicheres Leben ermöglicht oder nicht.
Damit wollen wir keineswegs sagen, dass wir die Herausforderungen, die auch Sie thematisieren, nicht sehen. Wir brauchen sehr wohl Integrationskonzepte, sinnvolle und durchführbare Konzepte, mit denen wir Menschen, die eine lange Zeit taten- und beschäftigungslos auf den Bescheid ihres Asylantrags warten müssen, integrieren. Der Zirkus Bellissima, das Judomaxx, der Gemeinschaftsgarten neben dem beschlossenen Standort sind gute erste Anlaufstellen für diese Menschen. Derzeit läuft Vieles über ehrenamtliches Engagement. Ginge da vielleicht noch mehr? Kann Speyer auch hier noch mehr? Hier sollten wir gemeinsam brainstormen und Ressourcen ausschöpfen. Wir befürworten daher weitere Bürger*innenversammlungen zu aktuellen Herausforderungen in Speyer wie z.B. Wohnen und Integration, um gemeinsam Lösungen zu entwickeln.
Ebenso unterstützen wir die Forderungen nach mehr Geld, Zuwendungen und genereller Unterstützung von Land und Bund für die große kommunale Aufgabe der Verteilung von Schutzsuchenden!
Wir distanzieren uns aber klar davon schutzsuchende Menschen abzulehnen. Es geht hier um Menschen, die aus unterschiedlichen Gründen aus ihren Heimatländern geflohen sind. Es gab eine Zeit in der Geschichte, wo unsere Vorfahren dazu gezwungen waren zu fliehen vor den Nazis, vor dem Krieg, vor Verfolgung. Damals waren wir die Geflüchteten, die aufgenommen werden wollten.
Wie Sie wissen, ist das Recht auf Asyl daher ein Grundrecht, das seit 1949 in unserem Grundgesetz verankert ist. Als unsere Gründerväter das Asylrecht im festschrieben, saß Ihnen der Schrecken der Nazi-Zeit, vielleicht sogar die eigene Flucht im Nacken: Sie wussten, wie schnell die Menschlichkeit erlischt und wie wichtig die Unterstützung der fremden Menschen in anderen Ländern in so einem Moment ist.
Dieser Perspektivwechsel ist wichtig, um sich der eigenen Verantwortung bewusst zu werden. Darüber hinaus müssen wir als Kommune rein rechtlich unserer Pflichtaufgabe der Aufnahme und Unterbringung von geflüchteten Menschen nachkommen, daher stehen wir auch weiterhin zum städtischen Vorratsbeschluss, die Container in der Butenschönstraße aufzustellen, falls es notwendig wird.
Wir sind der Überzeugung, dass niemand ohne triftigen Grund die gefährliche und unsichere Reise nach Europa antritt, wo sich doch herumgesprochen haben dürfte, dass es viele der Schutzsuchenden nicht lebendig bis an ihr Ziel schaffen. Allein 500 Menschen, einschließlich Kinder (!), sind vor wenigen Wochen auf einem einzigen Boot im Mittelmeer ertrunken. Wir können uns die Tortur einer derartigen Flucht zum Glück nicht vorstellen, wir sind uns aber sicher, dass die Mütter und Väter auf diesem Boot große Angst um ihre Kinder hatten.
Geht es uns in unserem Wohlstandsland nichts an, wenn im Mittelmeer Menschen ertrinken oder andernorts die Verhältnisse so schlimm sind, dass die Menschen verfolgt werden oder keine Lebensgrundlage für sich und ihre Kinder sehen und deshalb ihr Land verlassen? Wir finden durchaus, dass es uns etwas angeht, denn wir zementieren mit unserem Lebensstil die Verhältnisse in Ländern, die uns so weit weg erscheinen. Historische Zusammenhänge wie z.B. der Kolonialismus und auch aktuelle Zusammenhänge wie z.B. die Kriminalität beim Abbau der Ressourcen für unsere Wohlstandsbedürfnisse, die Abladung von unserem Plastikmüll in ärmeren Regionen oder die hohen CO2 Emissionen, die in eh schon heißen Ländern das Überleben unmöglich machen, sind nur einige Beispiele und allgemein bekannt.
Zusammenfassend antworten wir Ihnen als Grüne Fraktion auf Ihre Anfrage wie folgt: Lassen Sie uns zusammenhalten und unsere Energie dafür verwenden, dass Speyer lebenswert und menschlich bleibt. In unserer Stadt leben bereits sehr viele Menschen mit Migrationshintergrund – Menschen aus der Türkei, aus Polen, aus England, aus der Ukraine, aus Syrien, aus Russland, aus Spanien und aus vielen weiteren Ländern. Vielleicht kommen bald 75 weitere hinzu. Wir alle sind Speyer.