Volksvertreter Michael Billen
Landtag Rheinland-Pfalz - Ausgeschieden
Stellungnahme zur Petition Klage der Landesregierung RLP gegen Cattenom und Tihange
CDU, zuletzt bearbeitet am 28.06.2016
Ich stimme zu / überwiegend zu.
Ich unterstütze einen Antrag im Parlament, wenn sich genügend andere Vertreter anschließen.
Ich befürworte eine öffentliche Anhörung im Fachausschuss.
Der Eifelkreis Bitburg-Prüm ist mit 3.000 € an der Regionsklage. Ich schließe mich genau dieser folgenden Stellungnahme an:
Europäische Kommission
Herrn Kommissar Miguel Arias Cañete
Rue de la Loi / Wetstraat 200
1049 Brüssel
Belgien
Besorgte Bürgerinnen und Bürger in Europa;
Hier: Sicherheit des Reaktors Tihange 2 in Belgien
Sehr geehrter Herr Kommissar Cañete,
wir wenden uns heute mit einem dringenden Anliegen persönlich und unmittelbar an Sie. Die Bürger der StädteRegion Aachen sowie zahlreiche Kreise, Städte und Gemeinden in den Niederlanden, Luxemburg, Belgien und Deutschland sind extrem besorgt, tief verunsichert und stark beunruhigt in der wichtigen Frage der Sicherheit des belgischen Kernreaktors Tihange 2. In zahlreichen Kundge-bungen machen die Bürger dies seit Monaten immer wieder deutlich. Die belgischen Behörden und der Betreiber haben offensichtlich auch selbst Sicherheitsbedenken, da nach einer kürzlich getroffe-nen Entscheidung des Gesundheitsministeriums in Belgien Jodtabletten verteilt werden (sollen) und das Kühlwasser des Reaktors für Störfälle in sonst völlig unüblicher Weise ständig vorgeheizt wird.
Wir bitten die Europäische Kommission dringend um Unterstützung, um die Sicherheit des Atomreaktors Tihange 2 zu überprüfen und zu gewährleisten. Wir vertrauen darauf, dass Sie die berechtigten Sorgen der von uns vertretenen Menschen ernst nehmen
Als gewählte Vertreter unserer Bürger greifen wir deren Sorgen auch aus persönlicher Überzeugung auf. Wir werden alle denkbaren Schritte unternehmen, damit die Sicherheit des Reaktors gewähr-leistet wird oder – falls und solange die Sicherheit insbesondere bei einem Störfall nicht belastbar nachgewiesen wird – der Reaktor stillgelegt wird.
Bitte seien Sie versichert: Wir haben größten Respekt vor dem souveränen Königreich Belgien. Aber wir müssen angesichts der bestehenden Unsicherheiten und Unklarheiten dafür eintreten, dass die Menschen in unserer Region sicher leben.
In den Augen unserer Bürger – bestätigt durch die Einschätzungen internationaler Atomexper-ten – geht von dem Kernreaktor Tihange 2 eine Gefahr aus, die deutlich über das hinausgeht, was bei einem Kernkraftwerk als üblich bezeichnet werden kann. Der Reaktor Tihange 2 musste in den letzten Jahren mehrfach wegen Betriebsstörungen vom Netz genommen werden. Bei Untersuchun-gen zeigten sich mehrere tausend Risse im Reaktordruckbehälter, der den Reaktorkern mit den Brennelementen umgibt.
Bislang ist völlig ungeklärt, welche Auswirkungen diese Risse auf die Sicherheit des Reaktors im Störfall haben. Die zuständige belgische Behörde gesteht zu, dass Zweifel bestehen. Sie hat nach eigenen Angaben weder geprüft noch dokumentiert, ob der Reaktor Tihange 2 bei einem Störfall den europaweit vorgeschriebenen und üblichen Sicherheitsanforderungen genügt. Für die deutsche Reaktorsicherheitskommission, eine Expertengruppe die die deutsche Bundes-umweltministerin in Fragen der Sicherheit von Kernkraftwerken berät, ist in Bezug auf eine Störfall-belastung nicht nachvollziehbar, dass die hierfür geforderten und in den Nachweisen ausgewiesenen Sicherheitsabstände tatsächlich erreicht werden. Vielmehr bedürfe es weiterer Nachweise sowohl experimenteller als auch analytischer Art (Anlage 1 zum Ergebnisprotokoll der 483. Sitzung der Reaktor-Sicherheitskommission vom 13.04.2016).
Ein Störfall ist in Abgrenzung zum Regelbetrieb nicht nur dann anzunehmen, wenn eine erhöhte Strahlenbelastung auftritt, sondern kann auch aus externen Ursachen resultieren. Ein Störfall ent-steht unter anderem, wenn es zu menschlich bedingten Fehlhandlungen (z.B. Kühlwasserzufuhr) kommt, ein Erdbeben die Region um das Kernkraftwerk erschüttert (wie beispielsweise 1992 im niederländischen Roermond – ca. 100 km von Tihange entfernt – mit einer Stärke von 5,9 auf der Richterskala) oder wenn es im Kernkraftwerk zu einer Explosion (beispielsweise aufgrund eines von außen eintretenden Ereignisses wie z.B. eines terroristischen Angriffs) kommt.
Internationale Experten kritisieren jedoch, dass bislang völlig ungeklärt ist, welche Auswirkungen die Risse im Reaktordruckbehälter auf die Sicherheit des Kernreaktors Tihange 2 im Störfall haben. Die zuständige belgische Behörde hat weder geprüft noch dokumentiert, ob der Reaktor Tihange 2 bei einem Störfall den europaweit vorgeschriebenen und üblichen Sicherheitsanforderungen genügt.
Internationale Experten kritisieren in verschiedenen Stellungnahmen, dass die Wiederinbetriebnah-megenehmigung nach Auffinden der Risse auf diversen Annahmen und Prämissen beruht, die nicht bewiesen sind. So hat die belgische Behörde beispielsweise nicht die Belastbarkeit des Materials des Reaktordruckbehälters in Tihange 2 getestet, sondern stattdessen Material aus einem anderen, ausgedienten Reaktordruckbehälter. Im Rahmen ihrer abschließenden Analyse nimmt die Behörde an, die mit dem fremden Material ermittelten Ergebnisse seien auf Tihange 2 übertragbar – ohne dies näher zu begründen. Unpassende Testergebnisse hat die Behörde als „abnormale Ausreißer“ ausdrücklich nicht weiter in die Prüfung einbezogen. Eine Worst-case Betrachtung, welche die Konsequenzen darstellt, die sich einstellen würden, wenn die Prämissen falsch sind, fehlt vollstän-dig.
Im Ergebnis hat die belgische Behörde nach Ansicht internationaler Experten nicht ausreichend nachgewiesen, dass die Sicherheit des Kernreaktors Tihange 2 auch im Falle dieser nicht unrealisti-schen Störfälle gewährleistet ist.
Die Risiken für die in den umliegenden Kommunen lebenden Menschen sind erheblich. Ein von der StädteRegion Aachen in Auftrag gegebenes meteorologisches Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass die radiologischen Auswirkungen auf das ca. 70 km entfernte Aachen bei einem Versagen des Reaktordruckbehälters mit denen auf Städte innerhalb der 20 km Sperrzone um den japanischen Meiler Fukushima vergleichbar sind. Die zu erwartende Lebenszeitdosis für einen Bürger der Städ-teRegion Aachen wäre 20-mal höher als der Wert, der in der deutschen Strahlenschutzverordnung festgelegt ist (Gutachten des Instituts für Sicherheits- und Risikowissenschaften der Universität für Bodenkultur Wien).
Bei Ostwind betreffen dieselben Risiken auf das ca. 80 km entfernte Brüssel zu.
Das Kernkraftwerk Tihange liegt im Dreiländereck Niederlande – Deutschland – Belgien in der Re-gion Wallonie ca. 30 km süd-westlich von Lüttich. In einer Zone von ca. 100 Kilometern um den Re-aktor, in der auch Brüssel liegt, leben mehrere Millionen Menschen. Auf der nachfolgenden Karte ist die Lage des Kernkraftwerks Tihange sowie der Unterstützer dieses Schreibens dargelegt. Der ein-gezeichnete Kreis hat einen Radius von ca. 100 km.
Quelle: Google Maps
Zahlreiche Anhaltspunkte, insbesondere das Verhalten der zuständigen Behörden, sprechen dafür, dass der Kernreaktor Tihange 2 im Störfall nicht sicher ist. So wird auf Anordnung der zuständigen belgischen Behörde aufgrund der genannten Risse im Reaktordruckbehälter das Kühlwasser geheizt, da aufgrund des zu großen Temperaturunterschieds sonst ein Bersten des Reaktordruckbehälters droht.
Die belgische Behörde hat im April 2016 beschlossen, dass alle Bürger, die im Umkreis von 100 km um ein Kernkraftwerk leben, mit Jodtabletten versorgt werden sollen. Bisher war die Verteilung von Jod-Tabletten lediglich in einem 20-km-Radius um Kernkraftwerke vorgesehen.
Auch die deutsche Bundesregierung hat das Königreich Belgien mittlerweile aufgefordert, den Kern-reaktor Tihange 2 „bis zur Klärung offener Sicherheitsfragen“ vorläufig abzuschalten.
Deshalb bitten wir Sie,
- uns sämtliche Informationen zur Verfügung zu stellen, die der Europäischen Kommis-sion im Zusammenhang mit dem Kernkraftwerk Tihange 2 vorliegen,
- Ihrerseits alle der Europäischen Kommission zustehenden Informationsansprüche gegenüber dem Königreich Belgien sowie weiteren Adressaten geltend zu machen,
- zu prüfen, ob das Königreich Belgien mit seinem Vorgehen in Bezug auf den Kernre-aktor Tihange 2 gegen Vorgaben aus den europäischen Verträgen verstoßen hat bzw. verstößt.
Wir stützen unsere Bitte auf die nachfolgenden Ausführungen und die beigefügten umfassenden Unterlagen zum Sachverhalt, zur Rechtslage und zur öffentlichen Diskussion:
- Wir stellen Ihnen im Folgenden die Geschehnisse im Zusammenhang mit dem Kernkraftwerk Tihange 2 kurz dar, um Ihnen einen Eindruck davon zu vermitteln, auf welchen Sachverhalt sich die Sorge unserer Bürger bezieht (hierzu 1).
- Sodann folgt ein Überblick über die Maßnahmen, die wir bereits unternommen haben bzw. noch unternehmen werden (hierzu 2).
- Schließlich fassen wir zusammen, welche Rechte, Pflichten und Handlungsmöglichkeiten der Europäischen Kommission bestehen und auf welchen europäischen Rechtsgrundlagen unser Begehren fußt (hierzu 3).
Eine ausführliche Darstellung des Sachverhaltes enthält Anlage 1. Nähere Einzelheiten zur Rechts-lage entnehmen Sie bitte Anlage 2. In Anlage 3 haben wir Ihnen die wichtigsten Presseberichte zu-sammengestellt.
Wir haben eine Kopie dieses Schreibens sowie die genannten Anlagen dem Präsidenten des Euro-päischen Parlamentes, Herrn Martin Schulz, am 14.06.2016 in Brüssel verbunden mit der Bitte, un-ser Anliegen zu unterstützen, überreicht. Gern hätten wir auch Ihnen dieses Schreiben sowie die genannten Anlagen persönlich übergeben.
1 Geschehnisse im Zusammenhang mit dem Kernkraftwerk Tihange 2
Der Kernreaktor Tihange 2 nahm 1983 den Betrieb auf mit einer geplanten Laufzeit von 40 Jahren bis zum Jahr 2023. Im Jahr 2012 wurde der Reaktor heruntergefahren. Medienbe-richten zufolge bestehen eine Vielzahl von Fehlstellen im Reaktordruckbehälter, deren Ursa-che und Auswirkungen auf die Betriebssicherheit des Reaktors bis heute nicht abschließend geklärt werden konnten. Gleichwohl genehmigte die belgische Föderalagentur für Nuklear-kontrolle (im Weiteren FANC) am 17.05.2013 das Wiederanfahren des Reaktors Tihange 2 unter Auflagen, insbesondere mit der Pflicht weitere Tests durchzuführen.
Laut Pressemitteilung der FANC vom 12.02.2015 und vom 25.02.2015 erhöhte sich die An-zahl der Risse im Laufe der Jahre von 2.011 auf 3.149. In der Berichterstattung ist teilweise sogar von bis zu 16.000 Rissen die Rede. Bei Untersuchungen im Jahr 2014 stellte die FANC fest, dass die festgestellten Risse darüber hinaus teilweise deutlich größer waren als bislang angenommen. Die durchschnittliche Länge der Fehlstellen erhöhte sich von 10 mm auf 14,5 mm, der größte Riss hat – statt der bisher angenommenen 24 mm – eine Länge von 154,5 mm. Über diese neuen Ergebnisse informierte die FANC die Öffentlichkeit erst im Februar 2015, nachdem es in der Presse verschiedene Berichte zu den erneuten Untersuchungen gegeben hatte.
Aufgrund dieser Untersuchungsergebnisse blieb der von Electrabel S.A. betriebene und seit Ende 2013 heruntergefahrene Reaktor vorerst weiterhin vom Netz. Die FANC setzte parallel eine internationale Expertengruppe, das International Review Board, ein (Pressemitteilung der FANC vom 26.10.2014). In ihrem Untersuchungsbericht kommt das International Review Board mehrheitlich zu dem Ergebnis, dass keine grundsätzlichen Bedenken hinsichtlich der Sicherheit der Reaktorbehälter Tihange 2 für eine Betriebsdauer von 40 Jahren, bis zum Jahr 2023, bestünden. Ein Mitglied des International Review Board, schloss sich dieser Mehrheitsmeinung des Komitees nicht an und formulierte ein Minderheitsvotum. Darin wer-den verschiedene Aspekte der Untersuchung als unplausibel bezeichnet (Final Report Inter-national Review Board vom 28.08.2015). Allerdings genehmigte die FANC insbesondere auf Grundlage des Berichts des International Review Board laut Pressemitteilung im November 2015 die Wiederinbetriebnahme des Reaktors Tihange 2. Die Genehmigung selbst ist, soweit uns bekannt, nicht veröffentlicht.
Auch die international renommierte Materialwissenschaftlerin Dr. Ilse Tweer hat Zweifel an der Einschätzung des International Review Board und der FANC. In einer Studie aus Januar 2016 widerlegt sie zahlreiche der von dem International Review Board und der FANC ge-troffenen Annahmen. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass noch immer kein Nachweis erbracht wurde, wie und wann die Risse im Reaktordruckbehälter entstanden seien und ob sich die Risse während des Betriebs des Reaktors verändert hätten oder aber in Zukunft verändern werden. Insbesondere für die Schlussfolgerung des International Review Board und der FANC, die Risse müssten bereits bei der Produktion des Reaktordruckbehälters ent-standen sein, gebe es keinen Beweis. Die FANC gab Anfang 2013 derweil selbst an, die Frage, warum die vorhandenen Risse bei der Abnahmeprüfung nicht gefunden bzw. doku-mentiert wurden, sei aus der vorliegenden Herstellungsdokumentation nicht mehr nachzu-vollziehen.
Zahlreiche weitere Experten äußerten Zweifel an der Einschätzung des International Review Board und an der darauf beruhenden Entscheidung der FANC. Aus Sicht des deutschen Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) sind die Sicherheitsnachweise nicht ausreichend belegt. Das BMUB kritisiert, dass die Bewertungen und Schlussfolgerungen der FANC auf Ergebnissen aus Detailberichten beruhen, die nicht öffentlich verfügbar sind. Die zugänglichen Berichte enthielten deswegen Mängel in der Nachvollziehbarkeit (Bericht BMUB vom 25.01.2016). Die deutsche Bundesregierung über-gab der FANC bei einem Arbeitstreffen Anfang 2016 einen Katalog mit 15 Fragen zur Si-cherheit des belgischen Kernkraftwerks Tihange 2. Diese Fragen beantwortete die FANC größtenteils mündlich bzw. durch Verweis auf bereits veröffentliche Gutachten. Das BMUB stellte im Nachgang zu dem Treffen fest, dass zahlreiche Detailfragen offen geblieben seien, die die Belastbarkeit der daraus abgeleiteten Schlussfolgerungen infrage stellen. Aus deut-scher Sicht sei fraglich, inwieweit die signifikante Abweichung von der geforderten Ferti-gungsqualität und der Umgang der FANC damit mit den grundlegenden Anforderungen an die Sicherheit von Atomkraftwerken vereinbar seien (Bericht BMUB vom 25.01.2016).
Für die deutsche Reaktorsicherheitskommission, eine Expertengruppe die den deutschen Bundesumweltminister in Fragen der Sicherheit von Kernkraftwerken berät, sei insbesondere in Bezug auf die Störfallbelastung nicht nachvollziehbar, dass die hierfür geforderten und in den Nachweisen ausgewiesenen Sicherheitsabstände tatsächlich erreicht werden. Vielmehr bedürfe es weiterer Nachweise sowohl experimenteller als auch analytischer Art (Anlage 1 zum Ergebnisprotokoll der 483. Sitzung der Reaktor-Sicherheitskommission vom 13.04.2016).
Die Experten kritisieren insbesondere, dass das International Review Board – und dem fol-gend auch die FANC – ihrer Einschätzung diverse Annahmen und Prämissen zugrunde le-gen, die nicht bewiesen sind. Die von den genannten Sachverständigen und Experten quali-fizierten Zweifel und ausgewiesenen Unsicherheiten sollen von der FANC bei ihrer Entschei-dung, den Reaktor Tihange 2 wieder in Betrieb zu nehmen, nicht berücksichtigt worden sein. Eine worst-case Betrachtung, welche die Konsequenzen darstellt, die sich einstellen würden, wenn die Prämissen falsch seien, fehle vollständig.
Seit diesen Vorgängen erschütterten zahlreiche Meldungen von Störfällen und Medienbe-richte über weitere Gefahren das Vertrauen der anliegenden Bevölkerung.
So wurde am 24.01.2016 ein Wasserleck im nicht-nuklearen Bereich des Reaktors Tihange 2 festgestellt, woraufhin die Leistung des Reaktors vorübergehend gedrosselt werden musste (Aachener Zeitung vom 24.01.2016).
Außerdem wurde bekannt, dass 1,8 Mio. Liter Kühlwasser im Reaktor Tihange 2, welches üblicherweise konstant eine Temperatur von unter 10 Grad Celsius haben, auf Anordnung der FANC dauerhaft auf über 40 Grad Celsius erhitzt werden, da aufgrund der genannten Risse andernfalls ein thermischer Schock drohe, der zu einem Bersten des Reaktordruckbehälters und damit zu einer nuklearen Katastrophe führen könne (Tagesschau Online vom 01.02.2016).
Kritisch zu bewerten ist sicherlich die überaus enge Verbindung zwischen der FANC und der belgischen Atomwirtschaft. Jan Bens, der seit dem Jahr 2013 Leiter der FANC ist, war zuvor ca. 30 Jahre lang für die Atomwirtschaft tätig. Einen Großteil dieser Zeit war Herr Bens bei Electrabel S.A beschäftigt und leitete in den Jahren 2004 bis 2007 das Kernkraftwerk Doel. Von 2008 bis 2012 war Herr Bens Direktor der World Association of Nuclear Operators, dem Weltverband der Kernkraftwerksbetreiber - einer Interessenorganisation der Atomindustrie. Seit Januar 2013 ist Herr Bens Generaldirektor der FANC.
Kritisiert wird auch die Schlüsselposition von Electrabel S.A. für die belgische Energieversor-gung. So drängt sich in den Medien der Eindruck auf, nicht die zuständigen belgischen Be-hörden bestimmten über die belgische Atompolitik, sondern der Konzern als Betreiber sämt-licher Kernkraftwerke in Belgien.
Einer belgischen Zeitung zufolge bestehen konkrete Hinweise, dass belgische Kernkraftwerke das Ziel terroristischer Angriffe seien. Der Islamische Staat versuche, sich Zugang zu einer Atomanlage zu verschaffen und einen atomaren Zwischenfall in Europa zu verursachen. Entsprechende Erkenntnisse seien bei Hausdurchsuchungen nach den Anschlägen in Paris am 13.11.2015 gewonnen worden. Die Ermittler seien auf ein rund zehn Stunden langes Vi-deo gestoßen, welches den Direktor des belgischen Atom-Programms vor seinem Privathaus filme (Tageblatt Letzeburg vom 17.02.2016).
Das Kraftwerk Tihange wird – so die Presse - mittlerweile vom belgischen Militär bewacht (Berliner Zeitung vom 04.03.2016).
Die Sorgen der Menschen haben sich nach den schrecklichen Terroranschlägen in Brüssel am 22.03.2016, in dessen Nachgang auch das Kernkraftwerk Tihange teilevakuiert wurde, weiter verstärkt. Gleichzeitig zeigen dieses Maßnahmen, dass es sich bei der terroristischen Bedrohung von Atomanlagen leider nicht nur um rein abstrakte Gefährdungslagen handelt.
In jüngster Vergangenheit begründet eine Studie der Universität Cambridge, wonach das Rheinland und damit auch der Standort des Kernkraftwerks Tihange zu den erdbebenge-fährdetsten Regionen Mitteleuropas gehöre, weitere Sorgen in der Bevölkerung.
Ferner mussten wir den Medien entnehmen, dass Electrabel S.A. als Betreiber der Kernan-lage im Falle eines atomaren Unfalls nur mit maximal 1,2 Milliarden Euro haftet. Die Schäden eines atomaren Zwischenfalls lägen nach Berechnungen des französischen Instituts IRSN hingegen im dreistelligen Milliardenbereich. Der Schaden durch das Unglück im japanischen Fukushima 2011 wird gegenwärtig auf 260 Milliarden Euro geschätzt.
Durch die Geschehnisse im Zusammenhang mit dem belgischen Kernkraftwerk Doel, dort insbesondere im Reaktorblock 3, wird diese Sorge gegenwärtig weiter verstärkt.
Nähere Einzelheiten sowie Nachweise zu den genannten Presseberichten und sonstige Un-terlagen entnehmen Sie bitte der beiliegenden Anlage 1, in der wir den Sachverhalt umfas-send für Sie aufbereitet haben.
2 Bisheriges Vorgehen
Aus vorgenannten Gründen hat die StädteRegion Aachen in einem ersten Schritt am 05.02.2016 Klage vor dem Council of State in Belgien gegen den Weiterbetrieb des Kern-kraftwerks Tihange 2 erhoben. Die StädteRegion Aachen begehrt mit der Klage, die unbe-kannte Genehmigung der FANC aus November 2015 zur Wiederinbetriebnahme des Kern-kraftwerks Tihange 2 für nichtig zu erklären und dem Kraftwerk damit die Betriebserlaubnis zu entziehen. Die Klage wird gestützt auf
- Verstoß gegen die Gesetze vom 18. Juli 1966 über die Anwendung der Sprachen in Verwaltungsangelegenheiten („Verwaltungssprachengesetze“),
- Verstoß gegen Artikel 33, 36, 105 und 108 der Verfassung, Verstoß gegen Artikel 16 und 17 des Gesetzes vom 15. April 1994 über den Schutz der Bevölkerung und der Umwelt vor den durch ionisierende Strahlung verursachten Gefahren und über die Föderale Agentur für Nuklearkontrolle und das Verbot des Machtmissbrauchs,
- Verstoß gegen den Grundsatz patere legem quam ipse fecisti, gegen den Sorgfalts-grundsatz, gegen den Grundsatz der materiellen Begründung und das Gesetz vom 29. Juli 1991 über die ausdrückliche Begründung von Verwaltungshandlungen,
- Verstoß gegen Artikel 2 und 8 EMRK, Verstoß gegen Artikel 191 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU, Verstoß gegen Artikel 23, Absatz 2 und 4 der Verfassung im Zusammenhang mit Artikel 3, 6, 10 FANC-Gesetz, Artikel 6 arbis, Artikel 9, 14, Kapitel 3 Königliche Verordnung vom 30. November 2011 über Sicherheitsvorschriften für Nuklearanlagen, Artikel 2.21 Königliche Verordnung vom 8. Juni 1982 über die Ge-nehmigung des interkommunalen Zusammenschlusses von gas en elektriciteit inter-com, die heutige nv electrabel, zum Bau eines Kernkraftwerks in Huy (Tihange) (Block 2), den Stillstandsgrundsatz, den Vorsorgegrundsatz und den Vorbeugungs-grundsatz.
Am 23.02.2016 hatte Herr Etschenberg, Städteregionsrat der StädteRegion Aachen, die Möglichkeit, auf Einladung des belgischen Innenministern Herrn Jan Jambon die Sorgen und Ängste der Bevölkerung aus der DreiländerRegion über einen atomaren Unfall in Tihange vorzutragen. Dieser Termin war auf Vermittlung des Ministerpräsidenten der Deutschspra-chigen Gemeinschaft Belgiens, Oliver Paasch, in seiner Eigenschaft als Vorsitzender der Eu-regio Maas-Rhein, zustande gekommen.
Gegenstand des Gesprächs war die Ernennung einer unabhängigen Expertenkommission, die zur gegenseitigen Kontrolle Zugang zu Tihange 2 erhalten soll. Eine Abstimmung mit der deutschen Bundesregierung dazu folgt. Herr Minister Jambon sagte umfassende Transparenz zu.
Um die Geschehnisse, insbesondere die Pressemeldungen, im Zusammenhang mit dem belgischen Kernkraftwerk Tihange 2 besser einschätzen zu können, hat die StädteRegion Aachen darüber hinaus Herrn Jan Bens, Generaldirektor der FANC, schriftlich gebeten, Aus-künfte zu den Voraussetzungen für den derzeitigen Betrieb des Kernreaktors Tihange 2 zu erteilen. Rechtliche Grundlagen dieser Bitten sind das belgische Gesetz über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen („Wet betreffende de toegang van het publiek tot milieu-informatie“ – Umsetzung der europäischen Richtlinie 2003/4/EG vom 28. Januar 2003 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen und zur Aufhebung der Richtlinie 90/313/EWG des Rates) sowie das belgische Gesetz über die Öffentlichkeit der Verwaltung („Wet betreffende de openbaarheid van bestuur“).
Konkret bat die StädteRegion Aachen darum, alle Informationen, die im Zusammenhang mit dem Wiederanfahren des Kernreaktors Tihange 2 Ende 2015 stehen, zu erhalten, insbeson-dere folgende Unterlagen:
- die Genehmigung selbst, welche das Wiederanfahren von Tihange 2 betrifft, vermut-lich aus November oder Dezember 2015,
- die Stellungnahme des Wissenschaftsrates der FANC zum Wiederanfahren von Tihange 2, vermutlich ebenfalls aus November 2015,
- das Abnahmeprotokoll durch Bel V, vermutlich aus Dezember 2015,
- den Bericht der National Scientific Expert Group (NSEG) zur Hypothese des „hydro-gen induced cracking“, vermutlich September 2015,
- die Antworten auf die Fragen des deutschen Bundesumweltministeriums,
- einen Bericht zur Risikobewertung des jetzigen Betriebs (Risk-Assessment-Report), der den Kriterien der wissenschaftlichen Nachvollziehbarkeit entspricht, dem die Fra-gen Fragen der deutschen Bundesregierung, die abweichenden Auffassungen des Minderheitenvotums zum „Final Report des International Review Boards“ (Internatio-nal Review Board -Bericht) sowie die sich aus dem Gutachten der Sachverständigen Dr. Ilse Tweer ergebenden Sachverhalte und Fragen zugrunde liegen,
- die Korrespondenz zwischen FANC und den Sachverständigen sowie Electrabel so-wie den Aufzeichnungen der Gespräche mit diesen Beteiligten, welche mit dem Wie-deranfahren von Tihange 2 und der Bewertung der Risse im derzeitigen Betrieb in zeitlichem und thematischem Zusammenhang stehen (2015).
Herr Minister Jambon erhielt eine Abschrift des Auskunftsersuchens an Herrn Bens.
Mit Mail vom 07.04.2016 teilte Generaldirektor Bens mit, dass die Auskunft teilweise aufgrund des anhängigen Verfahrens vor dem Council of State, teilweise wegen ‚offensichtlicher Missbräuchlichkeit‘ des Begehrens abgelehnt werde. Im Übrigen verweist die ablehnende Entscheidung allgemein und ohne auf die konkret benannten Berichte näher einzugehen da-rauf, dass die angeforderten Informationen zum Wiederanfahren des Reaktors Tihange 2 auf der Homepage der FANC verfügbar seien.
Die erbetene Besichtigung des Kernkraftwerks Tihange durch die deutschen Bundestagsab-geordneten Detlef Seif, Helmut Brandt und Wilfried Oellers hat der Generaldirektor der FANC ebenfalls zwischenzeitlich abgelehnt.
Gegenwärtig bereitet die StädteRegion Aachen gemeinsam mit der niederländischen Stadt Maastricht und einer luxemburgischen Kommune eine Klage vor dem Gericht erster Instanz in Brüssel vor. Mit dieser Klage wenden sich die StädteRegion Aachen und ihre Partner fe-derführend für rund 50 Kommunen und Gebietskörperschaften aus Deutschland, den Nieder-landen und Luxemburg gegen das Wiederanfahren des Reaktors Tihange 2.
3 Maßnahmen der Europäischen Kommission
Den Medien haben wir entnommen, dass sich die Europäische Kommission noch nicht ent-schieden habe, ob und in welchem Umfang sie in dieser Angelegenheit tätig werde, jedoch in regelmäßigen Kontakt mit den verantwortlichen Behörden in den EU-Staaten stehe, damit europäische Sicherheitsstandards eingehalten werden.
Wir bitten die Europäische Kommission, uns bei unserem Vorgehen zu unterstützen und
- uns sämtliche Informationen, die die Europäische Kommission im Zusammenhang mit dem belgischen Kernkraftwerk Tihange 2 erhalten hat, zur Verfügung zu stellen,
- sämtliche der Europäischen Kommission zustehenden Auskunfts-und Informationsan-sprüche gegen das Königreich Belgien geltend zu machen,
- zu prüfen, ob das Königreich Belgien mit seinem Vorgehen in Bezug auf den Kernreak-tor Tihange 2 gegen Vorgaben aus den europäischen Verträgen verstoßen hat bzw. verstößt.
Im Einzelnen:
3.1 Auskunftsansprüche der StädteRegion Aachen und ihrer Partner
Wir bitten Sie, uns sämtliche Unterlagen zur Verfügung zu stellen, die der Europäischen Kommission im Zusammenhang mit dem Kernkraftwerk Tihange 2 vorliegen. Wir berufen uns hierzu auf Art. 15 Abs. 3 AEUV in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Euro-päischen Parlaments, des Rates und der Kommission bzw. auf Art. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1367/2006 vom 6. September 2006 über die Anwendung der Bestimmungen des Über-einkommens von Århus über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten auf Orga-ne und Einrichtungen der Gemeinschaft in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001. Da uns gegenwärtig nicht bekannt ist, ob und in welchem Umfang Ihnen In-formationen in dieser Sache vorliegen, bitten wir höflich um einen entsprechenden Hinweis.
3.2 Auskunftsansprüche der Europäischen Kommission
Die Europäische Kommission möge die ihr zustehenden Informations- und Auskunftsrechte gegenüber dem Königreich Belgien geltend machen und uns diese Informationen zugänglich machen.
Nach unserer rechtlichen Prüfung stehen der Europäischen Kommission umfassende Infor-mationsrechte zu. Diese ergeben sich insbesondere aus dem EURATOM. Nach Art. 37 EURATOM ist jeder Mitgliedstaat verpflichtet, der Kommission über jeden Plan zur Ableitung radioaktiver Stoffe aller Art allgemeine Angaben zu übermitteln. Die Kommission schaltet da-raufhin die in Art. 31 EURATOM genannte Sachverständigengruppe ein. Auf diese Weise soll die Kommission in die Lage versetzt werden, sich einen Überblick über das Gefähr-dungspotenzial des Kernreaktors Tihange 2 zu verschaffen.
Art. 187 EURATOM berechtigt die Kommission außerdem dazu, zur Erfüllung der ihr über-tragenen Aufgaben alle erforderlichen Auskünfte einzuholen und alle erforderlichen Nachprü-fungen vorzunehmen.
Ein weiterer, allgemeinerer Auskunftsanspruch der Kommission folgt aus Art. 337 in Verbin-dung mit Art. 191 AEUV.
3.3 Verstoß gegen europäisches Recht
Die Europäische Kommission möge prüfen, ob das Königreich Belgien mit seinem Vorgehen in Bezug auf den Kernreaktor Tihange 2 gegen Vorgaben aus den europäischen Verträgen verstoßen hat bzw. verstößt und die sich daraus ergebenden Schritte einleiten.
Die Geschehnisse im Zusammenhang mit dem belgischen Kernkraftwerk Tihange 2 deuten unter anderem auf Verstöße des Königreichs Belgien gegen das europäische Vorbeuge- und Vorsorgeprinzip als auch gegen Pflichten aus dem EURATOM-Abkommen hin, auf die wir Sie gern aufmerksam machen möchten.
Nach dem in Art. 191 Abs. 2 AEUV verankerten europäischen Vorbeuge- und Vorsorgeprin-zip darf ein Mitgliedstaat eine Genehmigung für ein Projekt, welches möglicherweise erhebli-che Umweltauswirkungen hat, nur erteilen, wenn aus wissenschaftlicher Sicht kein vernünfti-ger Zweifel daran besteht, dass sich das Projekt nicht nachteilig für das betreffende Gebiet auswirkt. Die FANC, die als Behörde dem belgischen Innenministerium untersteht, hat nach der Einschätzung zahlreicher Experten ihrer Entscheidung, die Wiederinbetriebnahme des Kernreaktors Tihange 2 zu genehmigen, keine ausreichende Tatsachengrundlage zugrunde gelegt. Zahlreiche der von der FANC getroffenen Annahmen und Prämissen sind nicht be-wiesen. Die FANC hat sich, soweit bekannt, bei ihrer Entscheidung nicht mit Alternativszena-rien auseinandergesetzt für den Fall, dass die von ihr getroffenen Annahmen nicht zutreffen. Dies betrifft insbesondere mögliche Störfallszenarien. Aus Gründen der Vorbeugung und der Vorsorge hätte die FANC die Wiederinbetriebnahme nicht genehmigen dürfen.
Nach nicht abschließender rechtlicher Prüfung kommt ein Verstoß des Königreichs Belgien gegen Art. 33, 30 EURATOM in Betracht. Danach ist das Königreich Belgien verpflichtet, die geeigneten Rechts- und Verwaltungsvorschriften zu erlassen, um sicherzustellen, dass bei dem Betrieb kerntechnischer Anlagen die europaweit festgesetzten Grundnormen sicherge-stellt sind.
Diese Grundnormen, insbesondere die zulässigen Höchstdosen und die Höchstgrenze für die Aussetzung gegenüber den schädlichen Einflüssen und den schädlichen Befall, sind in der Richtlinie 2013/59/Euratom des Rates vom 05.12.2013 zur Festlegung grundlegender Sicherheitsnormen für den Schutz vor den Gefahren einer Exposition gegenüber ionisieren-der Strahlung (Richtlinie 2013/59/Euratom) festgelegt. Die Mitgliedstaaten haben sicherzu-stellen, dass Referenzwerte für Notfallexpositionssituationen und bestehende Expositionssi-tuationen festgelegt werden. Außerdem muss das Königreich Belgien Electrabel S.A. ver-pflichten, dass ein optimales Schutzniveau für die Bevölkerung erreicht und aufrechterhalten wird.
Die diversen Zwischenfälle und besorgniserregenden Berichte in jüngerer Vergangenheit lassen daran zweifeln, ob FANC und Electrabel in Bezug auf das Kernkraftwerk Tihange 2 ein ausreichendes Schutzniveau der Bevölkerung sicherstellen, das europäischen Vorgaben entspricht.
Darüber hinaus ist ein Verstoß gegen Art. 30 EURATOM zu befürchten. Die in Art. 30 EURATOM genannten Grundnormen werden durch die Vorgaben der Richtlinie 2014/87/Euratom weiter konkretisiert. Danach haben die Mitgliedstaaten die tatsächliche Unabhängigkeit der zuständigen Regulierungsbehörde von ungebührlicher Beeinflussung bei der Entscheidungsfindung sicherzustellen. Hintergrund dieser Regelung ist, dass die Ge-nehmigung kerntechnischer Anlagen allein von der Sicherheit für die Bevölkerung dieser An-lagen ausgehen soll und nicht von politischen, finanziellen oder sonstigen Interessen geprägt sein soll.
In Bezug auf die Neutralität und Unabhängigkeit der FANC bestehen erhebliche Bedenken. In den Medien wird der FANC vorgeworfen, dass sie von ihren im Jahr 2009 aufgestellten Sicherheitsstandards bei der Entscheidung über die Wiederinbetriebnahme des Reaktors Tihange 2 abgewichen sei. Nach den belgischen Sicherheitsstandards dürften Kernkraftwer-ke in Belgien nur dann langfristig am Netz bleiben, wenn sie den neuesten internationalen Sicherheitsstandards entsprechen. Nunmehr reiche es nach Aussage der FANC aus, wenn die Sicherheitsstandards nur noch denen neuer belgischer Kernkraftwerke entsprechen. In Bezug auf manche Bauteile sei anstelle des ursprünglich vorgesehenen Austauschs nunmehr eine Inspektion ausreichend.
Nähere Einzelheiten zu der rechtlichen Bewertung der hier nur angerissenen Ansprüche nach europäischem Recht sowie zu den Möglichkeiten der Europäischen Kommission entnehmen Sie bitte Anlage 2.
Eine Auswertung der Presseberichte im Zusammenhang mit dem Kernreaktor Tihange 2 haben wir diesem Schreiben in Anlage 3 beigefügt.
Wir danken Ihnen bereits jetzt für Ihre Unterstützung und versichern Ihnen, dass sämtliche Unterla-gen und Informationen nur im Interesse der Bürger der genannten Regionen verwandt werden. Sie dienen ausschließlich dazu, weitere Schritte sehr sorgfältig zu prüfen und mit Bedacht vorzunehmen, um die Sorgen der Bevölkerung zu reduzieren und deren Sicherheit zu gewährleisten.
Im Schadensfall wären mehr als 8 Millionen Menschen teilweise existenziell betroffen. So ist zu erklären, dass die Menschen in diesem Lebensraum, der Belgien, die Niederlande, Luxemburg und Deutschland umfasst, konkrete und unmittelbare Angst erfasst hat. Die Angst dieser Menschen wird dadurch verstärkt, dass Sie ohnmächtig erleben müssen, dass - obwohl ansonsten sehr viel geregelt zu sein scheint - zwischenstaatliche Einflussmöglichkeiten nicht gegeben sind oder nicht ergriffen werden. Insofern richten sich der Blick und die Hoffnung der Menschen in unserem Lebensraum nun auf das Europäische Parlament und seine unmittelbar gewählten Abgeord-neten. Die Menschen hoffen und erwarten, dass Sie, sehr geehrter Herr Präsident Schulz und die Abgeordneten des Europaparlaments sich unser Anliegen gegenüber der Kommission zu eigen ma-chen und nach Kräften unterstützen.
Dies bietet die Chance, in Zeiten, in denen eine gewisse 'Europaverdrossenheit' um sich greift, den Menschen zu beweisen, dass Europa mehr war und ist als eine ‚Schönwetter-Vision‘. Dass ‚unser Europa‘ ein ‚Europa der Bürger‘ ist und mit seinen Abgeordneten an der Seite seiner Bürger steht, wenn es darum geht, Leben und körperliche Unversehrtheit der Menschen zu gewährleisten.
Im Namen unserer Bürger verbleiben wir mit verbindlichem Dank für Ihre Unterstützung
Unterschriften der StädteRegion Aachen und ihrer Partner
(Ende der Stellungnahme)
Zu Cattenom:
Ich erwarte, dass die Landesregierung unverzüglich ernsthaft prüft, ob eine Klage möglich ist und wenn ja, diese Klage anstrebt. Ferner erwarte ich, dass die Landesregierung der Klage gegen Thiange beitritt.