Wissenschaft

Für gute Forschung und Lehre – Argumente gegen die Exzellenzinitiative

Petent/in nicht öffentlich
Petition richtet sich an
Bundesregierung

3.047 Unterschriften

Petent hat die Petition nicht eingereicht/übergeben.

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  1. Gestartet 2016
  2. Sammlung beendet
  3. Eingereicht
  4. Dialog
  5. Gescheitert

Petition richtet sich an: Bundesregierung

Die sogenannte Exzellenzinitiative, mit der Bund und Länder deutsche „Spitzenforschung“ fördern wollen, ist auf dem besten Weg, unser Hochschulsystem auf problematische Weise umzugestalten. Seit 2005 wurden die Universitäten in bisher zwei Runden aufgefordert, sich mit Forschungs- und Strukturplänen um beträchtliche Mittel zu bewerben; nun sollen die Wettbewerbe im Sieben-Jahres-Rhythmus verstetigt werden. Zu vergeben sind 533 Millionen Euro pro Jahr, die acht bis elf erfolgreichsten Bewerber können sich „Exzellenzuniversität“ nennen. Das erklärte Ziel lautet, die „vertikale Differenzierung“, also die Ungleichheit zwischen den Hochschulen auszubauen. Wir meinen, dass dies keine gute Nachricht ist. Eine verschärfte Prestigekonkurrenz und Umverteilung von unten nach oben werden Forschung und Lehre in Deutschland insgesamt schaden. Als wissenschaftlich Arbeitende, die davon zum Teil massiv betroffen sind und die ein faires Hochschulsystem der Prestigekonkurrenz vorziehen, wenden wir uns gegen die Exzellenzinitiative. Statt der vermeintlichen „Spitze“ sollten die bestehenden, gegenwärtig bedrohten Vorzüge des deutschen Hochschulsystems gefördert werden: ein hohes Lehrniveau an allen Standorten und breit gestreute Freiräume für innovative Forschung.

Im Einzelnen spricht besonders Folgendes gegen das Programm:

  • Die Exzellenzinitiative befördert den Trend zu Pseudo-Märkten im Hochschulsektor. Statt für eine solide Grundfinanzierung zu sorgen, treibt die Wissenschaftspolitik die Forschenden in eine künstlich inszenierte Dauerkonkurrenz um staatliche Mittel. Sie verstärkt damit eine Fassadenkultur der Antragstellung, die Orientierung am Mainstream und prekäre Projekt-Arbeitsverhältnisse in der Wissenschaft.
  • Die Situation des wissenschaftlichen „Nachwuchses“ in Deutschland wurde durch die Exzellenzinitiative weiter verschlechtert, weil sie die Zahl der befristeten Stellen unterhalb der Professur vermehrt hat. Wenn zukünftig eher Tenure-Track-Stellen als Projektstellen geschaffen werden, ließe sich der Schaden an den Exzellenz-Standorten eindämmen – allerdings um den Preis, dass sich die dauerhafte Förderung bei einer kleinen Gruppe von Nachwuchsforschenden bündelt, während die schlechte Lage aller anderen durch den Wettbewerb legitimiert wird.

  • Bei der angestrebten Hierarchisierung des deutschen Hochschulsystems wird es vor allem Verlierer geben. Die traditionelle Stärke dieses Systems besteht darin, dass an prinzipiell jeder Hochschule auch international sichtbare Spitzenforschung möglich ist. Wird sie an wenigen Standorten gebündelt, drohen die nicht erfolgreichen Hochschulen dauerhaft ihren Status als Forschungsinstitutionen zu verlieren. Grundsätzlich wird die Befreiung einiger Forschender von der Lehre durch erhöhte Lehrbelastung aller anderen erkauft.

  • Eine Hierarchisierung der Hochschulen verstärkt soziale Ungleichheit. Internationale Vergleiche zeigen, dass Spitzenhochschulen gewöhnlich der Oberschicht zur Reproduktion dienen. Dass auch beim Lehrpersonal unter Wettbewerbsdruck und verstärkt prekarisierten Beschäftigungsverhältnissen die soziale Herkunft wichtiger wird (und Nachteile von Frauen keineswegs ausgeglichen werden), zeigen neue Studien zu Schließungstendenzen in der Professor/innenenschaft und bei den Juniorprofessuren.

  • Schließlich ist der Diskurs der Exzellenz selbst weitgehend wissenschaftsfremd (da er sich vorrangig an äußerlichen Erfolgsindikatoren orientiert) und undemokratisch. Die Selbstverwaltung der Wissenschaft und ihre Selbstkontrolle durch Kritik werden schleichend durch die Anpassung an Märkte, eine Rhetorik des Ausgezeichneten und starker Führung ersetzt.

Begründung

Wir halten in dieser Situation die Beteiligung am Exzellenzwettbewerb für falsch. Faktisch können sich ihm viele von uns kaum entziehen, weil wir von Hochschulleitungen und Landesregierungen abhängig sind, die erhebliche Hoffnungen und Mittel in Exzellenz-Bewerbungen investieren. Wer sinnvolle Projekte entwickelt und Mitarbeitende fördern will, ist oft darauf angewiesen, dies im Rahmen solcher Strategien zu versuchen. Durch unsere Erklärung wollen wir aber sichtbar machen, dass die Exzellenzinitiative von vielen Forschenden, Lehrenden und Studierenden in Deutschland klar und deutlich abgelehnt wird. Statt weiter überproportional in die Prestigekonkurrenz zu investieren, sollte die Hochschulpolitik tiefer liegende Probleme angehen: Mittel gegen die strukturelle Unterfinanzierung der Hochschulen bereitstellen, gesicherte Berufsaussichten für Forschende und Lehrende schaffen, Überbelastungen in der Lehre und eigene Forschung verhindernde Hochdeputatsstellen abbauen, Freiraum für wissenschaftliche Innovationen schaffen, soziale Ungleichheiten im Hochschulzugang und auf weiteren Qualifikationsstufen ausgleichen und die demokratische Selbstverwaltung der Wissenschaft stärken. Eine solche Politik käme Forschung und Lehre selbst zugute, statt vorrangig ihre Selbstdarstellung in Anträgen und Erfolgsindikatoren zu unterstützen. Sie könnte unser Hochschulsystem wirklich herausragend machen.

Erstunterzeichnende (in alphabetischer Reihenfolge)

Prof. Dr. Thomas Alkemeyer Felix Anderl, M.A. Prof. Dr. Clemens Arzt AStA der Goethe-Universität Frankfurt a. M. Prof. Dr. Brigitte Aulenbacher Sevda Can Arslan, M. A. PD Dr. Johannes M. Becker Jonas Becker Prof. Dr. Thomas Bedorf Prof. Dr. Bernd Belina PD Dr. Sebastian Berg Prof. Dr. Uwe Bittlingmayer Prof. Dr. Manuela Boatcă Prof. Dr. Ulrich Brand Prof. Dr. Elmar Brähler Prof. Dr. Ulrich Brinkmann Prof. Dr. André Brodocz Prof. Dr. Ulrich Bröckling Prof. em. Dr. Micha Brumlik Prof. Dr. Sonja Buckel Bundeskonferenz der Sprachlehrbeauftragten Jan Cloppenburg, B. A. Prof. Dr. Michael Corsten Prof. Dr. Nina Degele Apl. Prof. Dr. Alex Demirović Prof. Dr. em. Christoph Deutschmann Marie Diekmann, Dipl. jur. Prof. Dr. Silke van Dyk Prof. Dr. Aladin El-Mafaalani freier zusammenschluss von student*innenschaften (fzs) e.V. Dr. Michael Frey Dr. Angela Graf Dr. Stefanie Graefe Prof. Dr. Andreas Gruschka Linda Guzzetti Prof. i. R. Dr. Michael Hartmann Prof. Dr. Sabine Hark Prof. em. Dr. Jürgen Helmchen Hilfskraft-Initiative Frankfurt a. M. Assistant Prof. Dr. Jana Hönke Prof. Dr. Jochen Hörisch Dr. Philip Hogh Dr. habil. Klaus Holz Initiative Berliner Privatdozenten Initiative „Für Gute Arbeit in der Wissenschaft“ in der Deutschen Gesellschaft für Soziologie PD Dr. Anne Maximiliane Jäger-Gogoll Prof. Dr. Reiner Keller Prof. Dr. Fabian Kessl Prof. Dr. Oliver Kessler Prof. Dr. Klaus Peter Kisker Dr. Kai Koddenbrock Prof. Dr. Matthias Kohring Dr. des. Julia König Prof. Dr. Cornelia Koppetsch Prof. Dr. Stefan Kühl Prof. Dr. Verena Krieger Dr. Andrea Lange-Vester Prof. Dr. Thomas Lemke Dr. Katharina Lenner Dr. Martin List Prof. Dr. Ingrid Lohmann Dipl. Pol. Sascha Lohmann Dr. Daniel Loick Prof. Dr. Michael Lüthy Dr. Jens Maeße Prof. Dr. Margit Mayer Prof. Dr. Gisela Mettele Daniel Meyer Mittelbauinitiative Dresden (mid) Mittelbauinitiative Universität Leipzig (MULE) Dr. Christina Möller Dr. Jan Müller Prof. em. Dr. Richard Münch Netzwerk „Prekäres Wissen“ Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Neef Jannik Pfister, M. A. Prof. em. Dr. Ludwig Pongratz Prof. Dr. Clemens Pornschlegel Dr. Heike Raab Dr. habil. Dagmar Rayanagam Prof. Dr. Tilman Reitz Prof. Dr. Birgit Riegraf Prof. Dr. Steffi Richter Jan-Christoph Rogge M.A. Prof. Dr. Roland Roth Prof. em. Dr. Werner Ruf Prof. em. Dr. Fritz Sack Dr. Martin Seeliger Prof. Dr. Christoph Scherrer Prof. Dr. Werner Schiffauer Prof. Dr. Felicitas Schmieder Dr. des. Thomas Schroedter Prof. Dr. Evelyn Schulz Georg Simmerl Prof. Dr. Thomas Sokoll Prof. Dr. Urs Stäheli Anja Teebken Dr. Felix Trautmann Prof. Dr. Christian Uhl Dr. Dr. Peter Ullrich Unter_bau, Initiative Hochschulgewerkschaft Frankfurt a. M. Prof. em. Dr. Michael Vester Prof. Dr. Anne Waldschmidt Dipl.-Soz. Anja Weber Dorothea Wehrmann, M. A. Prof. Dr. iur. Felix Welti Prof. Dr. Michael Wimmer Prof. Dr. Aram Ziai

Vielen Dank für Ihre Unterstützung

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Angaben zur Petition

Petition gestartet: 27.04.2016
Petition endet: 26.07.2016
Region: Deutschland
Kategorie: Wissenschaft

Neuigkeiten

  • Liebe Unterstützende,
    der Petent oder die Petentin hat innerhalb der letzten 12 Monate nach Ende der Unterschriftensammlung keine Neuigkeiten erstellt und den Status nicht geändert. openPetition geht davon aus, dass die Petition nicht eingereicht oder übergeben wurde.

    Wir bedanken uns herzlich für Ihr Engagement und die Unterstützung,
    Ihr openPetition-Team

Wie soll ein System mit Befristungsquoten zwischen 70%-90% Exzellenz hervorbringen? Wenn Wissenschaftler nur noch um ihr berufliches Überleben kämpfen, auf Familie, Freunde und Hobbies verzichten müssen, sich ständig mit erheblichem Aufwand um die nächsten Gelder für die Fortsetzung ihrer Arbeit bzw. die Verlängerung ihrer Stelle kümmern müssen, bleibt für Forschung und Lehre kaum noch Energie und Motivation.

Es macht durchaus Sinn, die Wissenschaftler*innen und Studierenden eines bestimmten Forschungsfeldes an einigen wenigen Standorten zu sammeln. Denn Wissenschaft lebt von Diskussion un Kollaboration. Das spricht gegen die in der Petition vorgeschlagene Förderung in der Breite und für die Schaffung thematischer Cluster.

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