08.06.2017, 13:01
Lars Fischer
W issenschaft und Forschung
Der Deutsche Bundestag hat die Petition am 7. Juli 2011 abschließend beraten und
beschlossen:
1. Die Petition
a) der Bundesregierung dem Bundesministerium für Bildung und Forschung
und dem Bundesministerium der Justiz als Material zu überweisen, soweit
der kostenfreie Zugang zu wissenschaftlichen Publikationen, die aus
öffentlich geförderter Forschung hervorgehen, gefordert wird,
b) den Fraktionen des Deutschen Bundestages zur Kenntnis zu geben,
2. das Petitionsverfahren im Übrigen abzuschließen.
Begründung
Mit der Petition wird vorgeschlagen, wissenschaftliche Publikationen, die aus
öffentlich geförderter Forschung hervorgehen, allen Bürgern kostenfrei zugänglich zu
machen und Institutionen, die staatliche Forschungsgelder autonom verwalten, durch
den Deutschen Bundestag aufzufordern, hierfür entsprechende Vorschriften zu
erlassen und die technischen Voraussetzungen zu schaffen.
Die öffentliche Hand fördere Forschung und Entwicklung nach Angaben des
Bundesministeriums für Bildung und Forschung jährlich mit etwa 12 Milliarden Euro.
Die Ergebnisse dieser Forschung jedoch würden überwiegend in kostenpflichtigen
Zeitschriften publiziert. Es sei nicht angemessen, dass der Steuerzahler für die von
ihm finanzierten Forschungsergebnisse erneut bezahlen müsse. Wegen der hohen
hierfür aufzubringenden Kosten und der Vielzahl wissenschaftlicher Zeitschriften
seien Forschungsergebnisse nur in wenigen Bibliotheken einsehbar. Den meisten
Bürgern sei der Zugang zu der von ihnen finanzierten W issenschaft dadurch nicht
nur erschwert, sondern de facto ganz verschlossen.
Den Bürger von der W issenschaft auszusperren sei nicht nur schädlich, sondern
auch unnötig. Andere Länder hätten vergleichbare Vorhaben bereits umgesetzt. Die
US-Amerikanische Behörde National Institutes of Health (NIH) verlange, dass alle
von ihr finanzierten Publikationen binnen 12 Monaten an einem zentralen Ort
öffentlich zugänglich sind. Die grundsätzliche Struktur des wissenschaftlichen
Publikationswesens verändere sich hierdurch nicht.
Es handelt sich um eine öffentliche Petition, die innerhalb der sechswöchigen
Mitzeichnungsfrist von fast 24.000 Unterstützern mitgezeichnet wurde und die zu
176 Diskussionsbeiträgen geführt hat. Damit gehört sie zu den bisher am meisten
beachteten öffentlichen Petitionen. Die Diskussionsteilnehmer debattierten über die
Möglichkeiten des Zugangs zu wissenschaftlichen Veröffentlichungen und die Frage,
wem die Erlöse zugute kommen. Die überwiegende Mehrheit der Forumsteilnehmer
hatte sich für die Unterzeichnung der Petition ausgesprochen. Es wurde vorgetragen,
dass jeder einen kostenlosen Zugang zu allen veröffentlichten Forschungsarbeiten
haben sollte. Die hohen Preise der Zeitschriften hinderten den Bürger diese zu
kaufen. Immer weniger Bibliotheken würden sich für ein Abonnement entscheiden
was den Zugang zu neuen Publikationen noch zusätzlich erschwere.
Am meisten diskutiert wurde die Open-Access-Möglichkeit, die einen freien Zugang
zu wissenschaftlicher Literatur im Internet ermögliche. Kostenlos zugänglich sollten,
laut Befürwortern, die Publikationen sein, die aus durch den Staat bezuschussten
Forschungen stammen.
Nur wenige Diskussionsteilnehmer haben sich gegen die Petition ausgesprochen.
Als Argument haben diese Teilnehmer vorgetragen, dass nicht
jeder Bürger
wissenschaftliche Texte lesen wolle und die, die das wollten, würden zu den
Besserverdienenden gehören und es sich somit leisten können, hierfür finanzielle
Mittel aufzubringen. Als weiteres Argument wurde vorgetragen, dass nicht
jede
Forschung allein durch den Staat bezuschusst werde. Viele würden auf andere
Weise finanziert und es wäre schwierig nachzuvollziehen welche Forschung aus
welchen Mitteln finanziert worden sei.
Zu diesem Anliegen haben den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages
weitere Eingaben gleichen Inhalts erreicht, die wegen des Sachzusammenhangs
einer gemeinsamen parlamentarischen Prüfung unterzogen werden. Es wird um
Verständnis gebeten, dass nicht auf alle der vorgetragenen Aspekte im Einzelnen
eingegangen werden kann.
Für die parlamentarische Prüfung des Anliegens des Petenten wurde eine
Stellungnahme des Bundesministeriums für Bildung und Forschung eingeholt. Im
Zusammenhang mit einer weiteren Petition, mit der konkret ein unabdingbares
Zweitverwertungsrecht
für Autoren von wissenschaftlichen Zeitschriften- und
Sammelband- bzw. Proceedingbeiträgen, die überwiegend mit Hilfe von öffentlichen
Mitteln erstellt worden seien, gefordert wird, wurde aufgrund der Berührungspunkte
mit dem Urheberrecht auch das Bundesministerium der Justiz um Abgabe einer
Stellungnahme gebeten.
Das Ergebnis der parlamentarischen Prüfung lässt sich unter Berücksichtigung der
vorliegenden Stellungnahmen wie folgt zusammenfassen:
Die Forderung, wissenschaftliche Publikationen, die aus öffentlich geförderter
Forschung hervorgehen, allen Bürgern kostenfrei zugänglich zu machen, ist von
grundsätzlicher Bedeutung und betrifft in erster Linie mit den Vorschlägen zu Open-
Access-
und Open-Source-Verwertungsmodellen
zentrale Teilbereiche
des
Urheberrechts, die nicht nur von den Petenten, sondern auch von bedeutenden
W issenschaftseinrichtungen als regelungsbedürftig bezeichnet werden. Diese
Einschätzung hat den politischen Raum unlängst erreicht. Bereits bei den
abschließenden
der
Korbs
Zweiten
sogenannten
des
Beratungen
Urheberrechtsreform haben der Deutsche Bundestag (Bundestags-Drucksache
16/5939) und der Bundesrat (Bundesrats-Drucksache 582/07) in der vergangenen
Wahlperiode Entschließungen gefasst, mit denen das Bundesministerium der Justiz
aufgefordert wurde,
festzustellen, ob in weiteren Bereichen des Urheberrechts
gesetzgeberischer Handlungsbedarf bestehe und gegebenenfalls entsprechende
Regelungsvorschläge zu unterbreiten. Dabei hat der Bundesrat ausdrücklich
gebeten, zu ermitteln, wie den Besonderheiten von Open-Access- und Open-Source-
Verwertungsmodellen Rechnung
getragen werden
könne. Die
daraufhin
eingeleiteten Konsultations- und Klärungsprozesse sind zurzeit noch nicht
abgeschlossen.
Auch im aktuellen Koalitionsvertrag ist der Weiterentwicklung des Urheberrechts im
Bildungs- und W issenschaftsbereich besondere Bedeutung beigemessen worden.
Bei dem anstehenden sogenannten Dritten Korb der Urheberrechtsreform gilt es,
sowohl dem offenen Zugang zu wissenschaftlichen Erkenntnissen als auch den
berechtigten Urheberinteressen angemessen Rechnung zu tragen.
Soweit mit der Petition vorgeschlagenen wird, dass der Deutsche Bundestag
Institutionen, die staatliche Forschungsgelder autonom verwalten, auffordern solle,
entsprechende Vorschriften zu erlassen und die technischen Voraussetzungen für
eine Veröffentlichung der Forschungsergebnisse im Internet zu schaffen, hält der
Petitionsausschuss
deutschen
Die
erforderlich.
für
nicht
dies
W issenschaftsorganisationen stehen den Bemühungen um Transparenz des
W issenschaftsbetriebs und insbesondere dem Ziel der Open-Access-Bewegung,
wissenschaftliche Literatur und wissenschaftliche Materialien für alle Nutzerinnen
und Nutzer kostenlos im Internet zugänglich zu machen, sehr aufgeschlossen
gegenüber. Dies belegen beispielsweise die breite Unterstützung, die die Berliner
Erklärung über offenen Zugang zu wissenschaftlichem W issen, die im Oktober 2003
von deutschen und internationalen Forschungsorganisationen unterzeichnet wurde,
gefunden hat und auch die im Juni 2008 beschlossene Schwerpunktinitiative
Digitale Information der Allianz der Deutschen Forschungsorganisationen sowie
das in der gemeinsamen Stellungnahme im Juli 2010 formulierte Anliegen dieses
Verbundes der großen deutschen W issenschaftsorganisationen, dem u. a. die Max-
Planck-Gesellschaft angehört, zu einem Dritten Korb zur Novellierung des
Urheberrechts.
Die von den wichtigen W issenschaftseinrichtungen vertretenen Positionen zu Fragen
des Informationszugangs und der wissenschaftlichen Kommunikation, machen
deutlich, dass die Scintific Community sowohl auf
rechtliche wie auch auf
organisatorische Maßnahmen im Zusammenhang mit der Open-Access-Problematik
vorbereitet
ist bzw.
in wesentlichen Bereichen bereits Open-Access-Modelle
anwendet. Eines zusätzlichen Appells des Deutschen Bundestages an die
W issenschaftsorganisationen bedarf es angesichts der bestehenden Praxis aus
diesem Grunde nicht.
Bei der Vorbereitung des anstehenden Dritten Korbs der Urheberrechtsreform
werden die beteiligten Kreise in die politische Meinungsbildung eingebunden. Auch
die Petition scheint geeignet, in die Vorarbeit eines entsprechenden Gesetzentwurfs
einbezogen zu werden. Der Petitionsausschuss empfiehlt deshalb, die Petition der
Bundesregierung dem Bundesministerium für Bildung und Forschung und dem
Bundesministerium der Justiz als Material
für künftige Gesetzgebung zu
überweisen und den Fraktionen des Deutschen Bundestages zur Kenntnis zu geben.