08.06.2017, 13:01
Sascha Simon
Wahlrecht
Der Deutsche Bundestag hat die Petition am 24.11.2010 abschließend beraten und
beschlossen:
Das Petitionsverfahren abzuschließen, weil dem Anliegen nicht entsprochen werden
konnte.
Begründung
Mit der Petition wird die Einführung einer Wahlpflicht gefordert.
In der öffentlichen Petition, zu der 255 Mitzeichnungen vorliegen, wird im Wesent-
lichen Folgendes ausgeführt:
In Deutschland sinke die Wahlbeteiligung immer mehr: Bei der letzten Bundestags-
wahl hätten nur noch 72 vom Hundert der Wahlberechtigten gewählt. Das bedeute,
dass 28 vom Hundert keine oder ungültige Stimmen abgegeben hätten. Bei Mitglie-
dern von Parteien stehe fest, welche Partei sie wählten.
Wenn die Wahlbeteiligung immer weiter sinke, sei dies für eine parlamentarische
Demokratie untragbar. Daher sollte eine Wahlpflicht mit der Möglichkeit der Verhän-
gung von Bußgeld in Höhe von beispielsweise 50,00 Euro eingeführt werden.
Gleichzeitig sollte es den Parteien verboten werden, Wahlplakate aufzustellen.
Wahlwerbung solle nur noch per Wahlspots im Fernsehen stattfinden. Damit wären
die Parteien und die zukünftigen Abgeordneten verpflichtet, mehr auf die Wähler zu-
zugehen.
Das Ergebnis der parlamentarischen Prüfung stellt sich wie folgt dar:
Nach Artikel 20 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) wird die Staatsgewalt vom
Volke u. a. in Wahlen und Abstimmungen ausgeübt. Für die Wahl zum Deutschen
Bundestag wurden zudem in Artikel 38 Abs. 1 Satz 1 GG die Wahlrechtsgrundsätze
einer allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahl normiert.
Das Bundesverfassungsgericht hat die Freiheit der Wahl als unabdingbare Voraus-
setzung für die Vermittlung demokratischer Legitimation angesehen. Dies erfordert
nicht nur, dass die Stimmabgabe ohne Zwang oder sonstige unzulässige Beeinflus-
sung von außen erfolgt, sondern dass der Wähler sein Urteil in einem freien, offenen
Prozess der Meinungsbildung gewinnen kann (vgl. Bundesverfassungsgerichtsent-
scheidungen 44, 125, [139]). Zur Freiheit der Wahl gehört grundsätzlich auch das
Recht, von ihr keinen Gebrauch zu machen, d. h. durch eine Nichtbeteiligung an der
Wahl seine Meinung kundzutun.
Die vom Petenten vorgeschlagene Einführung einer Wahlpflicht unter Androhung
eines Bußgeldes würde nach Meinung des Petitionsausschusses einen Verstoß ge-
gen die Freiheit der Wahl und damit gegen Artikel 38 Abs. 1 GG darstellen. Die Ein-
führung einer Wahlpflicht würde daher eine Grundgesetzänderung erforderlich ma-
chen. Ein verfassungsänderndes Gesetz bedürfe gemäß Artikel 79 Abs. 2 GG der
Zustimmung von zwei Dritteln der Mitglieder des Bundestages und zwei Dritteln der
Stimmen des Bundesrates. Gerade auch im Hinblick auf die bereits oben dargestell-
te Bedeutung der Wahlrechtsgrundsätze vermag der Petitionsausschuss eine solche
Mehrheit im Deutschen Bundestag nicht zu erkennen.
Darüber hinaus hält der Petitionsausschuss eine Sanktionierung der Nichtteilnahme
an der Wahl zum Deutschen Bundestag auch nicht für erforderlich. Selbst wenn man
den in der öffentlichen Petition unterbreiteten Vorschlag für rechtspolitisch sinnvoll
hielte, ist zu beachten, dass die Wahlbeteiligung bei Bundestagswahlen, insbeson-
dere auch im internationalen Vergleich, auf einem hohen Niveau liegt. Eine niedrige-
re Wahlbeteiligung wird gleichwohl von allen politischen Kräften als klares Signal
verstanden.
Abschließend weist der Petitionsausschuss darauf hin, dass sich die Wahlen zu
Kommunal- und Landesparlamenten aufgrund der mit der bundesstaatlichen Organi-
sation nach dem Grundgesetz verbundenen Eigenstaatlichkeit der Länder nach Lan-
desgesetzen bestimmen, auf die der Bund keinen Einfluss hat.
Auch die Forderung in der öffentlichen Petition, die Aufstellung von Wahlplakaten zu
verbieten, kann der Petitionsausschuss nicht unterstützen, da dies die Parteien in
ihrer W irkungsfreiheit übermäßig einschränken würde.
Da der Petitionsausschuss vor dem Hintergrund obiger Ausführungen keinen Anlass
sieht, das mit der Petition verfolgte Anliegen zu unterstützen, empfiehlt er, das Peti-
tionsverfahren abzuschließen.