30.07.2021, 14:52
Bei unserer Kundgebung am 29. Juli auf dem Kleinen Schlossplatz hatten wir leider keinen Videomitschnitt. Da mich aber einige TeilnehmerInnen nach dem Redetext gefragt haben, veröffentliche ich diesen hier. Wegen der beschränkten Zahl der möglichen Zeichen in zwei Teilen.
Rede Goggo Gensch / Kundgebung 29.7.2021, Kleiner Schlossplatz, Teil 1
Liebe Freundinnen, liebe Freunde,
Du hast keine Chance, also nutze sie. Diesen Satz hat das Universalgenie Herbert Achternbusch geprägt, als seine Protagonisten am Schluss des Films „Atlantikschwimmer“ am Ufer des Meeres stehen und kein Schiff in Sicht ist. Sie müssen schwimmen.
Auch uns wurde immer wieder gesagt, gegen die mächtige UNION INVESTMENT und die hinter ihr stehenden Genossenschaftsbanken habt ihr keine Chance.
Lange war ich der Meinung, die Kraft der guten, der besseren Argumente könnten die UNION INVESTMENT und ihren Mieter die Element Boulders GmbH überzeugen ihre zerstörerischen Pläne für das METROPOL aufzugeben.
Wie kann ein vernünftiger Mensch auf die Idee kommen, dieses Denkmal, das die Geschichte Stuttgarts geprägt hat wie wenige andere, in eine Kletterhalle umzuwandeln. Wie können verantwortungsbewusste Investoren und seien sie noch so geldgierig, so in die Identität einer Stadt eingreifen. Das will mir bis heute nicht in den Kopf.
Aber nein, die Element Boulders GmbH hat ihre Pläne zum Umbau des METROPOL in eine Boulderhalle bei der Stadt eingereicht. Sie liegen jetzt beim Denkmalamt zur Prüfung.
Weder unsere Petition mit ihren 4798 Unterschriften noch die vielen Kundgebungen mit all ihren wertvollen Beiträgen noch offene Briefe konnten die Pläne beenden.
Die UNION INVESTMENT und die Element Boulders GmbH haben sich ins Fäustchen gelacht: Lasst diese Ewiggestrigen doch protestieren. Wir ziehen unser Ding durch.
Wir zerstören weiterhin die Stadt und pressen so viel Geld aus ihr heraus, wie es nur irgend geht.
Die UNION INVESTMENT spielt sich weiter als Stadtentwickler auf, wenn sie behauptet, die Stadt benötige, ich zitiere: „neue, zukunftsweisende Konzepte, die insbesondere vor dem Hintergrund des strukturellen Wandels die Menschen in der Innenstadt halten“. Als ob eine Sporthalle zukunftsweisend ist. Außerdem behauptet die UNION INVESTMENT, Stuttgart hätte eh schon zu viele Leinwände in den Kinos. Auch das ist falsch, es gibt viel mehr Filme auf dem Markt, als das Platz in den Kinos wäre.
Wir waren zu höflich, zu nett, zu freundlich. Wir haben auf die Kraft der besseren Argumente gesetzt, auf Einsicht und Klugheit. Das war falsch.
Wer in dieser Stadt auf Weisheit und auf Klugheit setzt, der kennt weder Stuttgarts Immobilienhaie noch das Rathaus und den Gemeinderat und schon gar nicht unseren Oberbürgermeister.
Gleich nach dem er gewählt wurde hat OB Nopper das „Metropol“ zur Chefsache gemacht.
Genauso wie die Gäubahn, die Hajek-Villa und die Wirtschaftsförderung. Passiert ist nichts.
Beim METROPOL hat er nichts erreicht. Aus dem Gipfel für die Gäubahn ist bislang nichts geworden, die Hajek-Villa verfällt weiter. Auch das Lenk-Denkmal zu Stuttgart 21 darf hier nicht vergessen werden.
Man kann eine Großstadt nicht mit flotten Sprüchen und Marketing-Symbolen regieren.
Jetzt muss der provinzielle Chefsachen-Meister machtlos zuschauen, wie eine Tochterfirma seiner Volksbank-Freunde das METROPOL gegen seinen Willen an eine Kletterhalle vermietet.
Aber auch der Gemeinderat war letztlich keine große Hilfe. Er tagte bräsig vor sich hin und hatte vor allem Angst, dass durch das METROPOL die Neubaupläne für ein Film- und Medienhaus neu diskutiert werden.
Immerhin haben einzelne Fraktionen Anträge in unserem Sinn formuliert. Das war gut und beflügelte unseren Widerstand.
Es wäre aber ein starkes Zeichen gewesen, wenn der Gemeinderat mit Mehrheit einen Beschluss verkündet hätte, dass er auf keinen Fall eine Boulderhalle im METROPOL möchte.
Der Gemeinderat hätte damit auch symbolisch mit den Fehlern der Vergangenheit aufgeräumt.
Die Stadt Stuttgart hat das ganze Dilemma selbst verursacht, als sie vor 40 Jahren das METROPOL an die TWS verscherbelt hat.
Allein der Bezirksbeirat Mitte hat klar Stellung bezogen und gefordert, dass das METROPOL weiter ein Haus für die Kultur bleiben soll. Danke dafür.
Der UNION INVESTMENT kann ich nur noch mit den Worten Bertolt Brechts zurufen: „Wer A sagt, muss nicht B sagen. Er kann auch erkennen, dass A falsch war.“ Stuttgart braucht keine Boulderhalle in seinem Zentrum. Stuttgart braucht ein offenes, Sparten übergreifendes Haus des Experiments, des Dialogs und der Begegnung. Seit der Antike gab es in allen Städten immer Räume, die nicht dem Kommerz gewidmet waren. Räume für Gaukler und Künstler, die eine Gesellschaft hinterfragen und Antworten vorschlagen.