04.06.2016, 13:11
Interview mit der SZ, veröffentlicht am 25.5.2016, geführt am 18.5.2016:
Friedrichshafen sz Vom historischen Hotel Schöllhorn in Friedrichshafen ist nichts mehr übrig - außer dem Gefühl, dass es in Friedrichshafen noch mehr unbekannte oder ungeschützte Denkmäler geben könnte. Der Bauhistoriker Peter Liptau, Kopf hinter dem Facebook-Forum „Damals, gestern, heute“ zur Stadtgeschichte, hat mit Hagen Schönherr über schützenswerte Gebäude und die Frage, ob ein Denkmal schön sein muss, gesprochen.
Herr Liptau, die Stadt Friedrichshafen hat jüngst eine Liste mit Kulturdenkmälern veröffentlicht. Eine ganze Menge, oder?
Im Gegenteil. Ich finde zum Beispiel die Zahl der Denkmäler im Stadtkern Friedrichshafens überraschend klein. Das wirkt, als habe man irgendwann einmal eine Inventur der Denkmäler dieser Stadt gemacht - und dann vergessen, die Liste fortzuführen und regelmäßig zu ergänzen.
Aber es kann doch in Friedrichshafen nicht viele Denkmäler geben. Die Stadt wurde im Krieg zerstört.
Trotzdem gibt es hier noch viele Gebäude aus der Vorkriegszeit, zum Beispiel in der Karlstraße oder der Friedrichstraße. Oft wissen wir gar nicht, wie alt manches Gemäuer hier ist, weil die Gebäude verändert wurden. Außerdem gibt es schützenswerte Gebäude, die auch nach dem Krieg errichtet wurden. Das Graf-Zeppelin-Haus oder das Rathaus, beide schon auf der Denkmal-Liste, sind beste Beispiele dafür,
Wer einen Blick in Foren im Internet wirft, stellt fest: Vor allem das Rathaus gilt vielen nicht als Denkmal, sondern schlicht als hässlich.
Ob ein Gebäude ein Denkmal ist, hat zunächst nichts mit seinem Aussehen oder der Frage schön oder nicht schön zu tun. Das verstehen viele Menschen falsch. Das Rathaus ist das beste Beispiel dafür: Es muss einem nicht gefallen. Aber es ist ein markanter Beleg für die Architektur seiner Zeit, in den 50er-Jahren galt es sogar als extrem modern. Außerdem sind große Teile des Gebäudes und sogar der Ausstattung noch gut erhalten – bis hin zu den Stühlen. Wer verstehen will, wie Menschen und Architekten in den 50er-Jahren gedacht haben, muss sich nur dieses Gebäude ansehen. Ein gutes Beispiel in dieser Frage ist übrigens das Kellergewölbe des Einstein-Geburtshauses in Ulm: Vielleicht ist das nicht „schön“ im klassischen Sinn, zumal es nicht immer sichtbar war. Hätte Lieschen Müller dort gewohnt, man hätte die Überreste zu Recht plattgemacht. Aber es ist ein Symbol seiner Zeit und deshalb erhaltenswert. Für Friedrichshafen markiert das Rathaus seinerseits den Start in eine neue Zeit nach dem Krieg. Es ist Symbol des Wiederaufbaus.
Gibt es mehr Beispiele?
Der Hafenbahnhof natürlich. Es gab Zeiten, da hätte kaum einer protestiert, wenn man ihn, damals als „Klotz“ bezeichnet, abgerissen hätte. Heute ist er ein unbestrittenes Identifikationszeichen unserer Stadt.
Also haben wir doch schöne Denkmäler. Brauchen wir noch mehr?
Ja, denn die Suche nach schützenswerten Bauten kann nicht an irgendeinem Punkt beendet werden. Das Beispiel Hotel Schöllhorn belegt: Die Verantwortlichen haben oft nicht genau genug hingeschaut, was in unseren Straßen steht. Wir brauchen nicht nur eine Liste an Denkmälern, sondern auch eine Liste. die sagt „aufgepasst!“, wenn mit diesem oder jenem alten Haus etwas passieren soll, müssen wir genauer hinsehen, ob das auch in Ordnung ist. Das will ich Oberbürgermeister Brand bei einem Treffen im Juni empfehlen. Er hat mich eingeladen und es freut mich, dass er das Thema ernst nimmt. Mir geht es nicht darum, jedes x-beliebige alte Haus zu bewahren, sondern Gebäude und Orte zu finden, die Geschichte erzählen.
Haben Sie konkrete Vorschläge, welche Gebäude in der Stadt noch schützenswert wären?
Ich habe ein paar Ideen und bin auf der Suche nach noch mehr Vorschlägen. Nur ein paar Beispiele: Über den Denkmalwert des Schulmuseums sollte einmal nachgedacht werden, auch in der Karlstraße habe ich ein Gebäude im Visier. Dann gibt es das alte Haus von Blumen Hirscher in der Charlottenstraße und diverse Gebäude in der Riedleparkstraße. Kaum einer nimmt diese Häuser bewusst wahr – aber drin streckt etwas Besonderes und manche sind sogar richtig schön.
Woher kommt ihr Eifer?
Erstens komme ich aus Friedrichshafen und damit habe ich zwangsläufig eine Liebe zu meiner Heimatstadt entwickelt. Dazu kommt mein Beruf als Bauhistoriker, also auch ein fachliches Interesse. Der Ulmer Baubürgermeister hat einmal gesagt, „Außenwände von Gebäuden sind die Innenwände des öffentlichen Raums“. So sehe ich das auch.
(Artikel: www.schwaebische.de/region_artikel,-Warum-Friedrichshafen-mehr-Denkmaeler-braucht-_arid,10457459_toid,310.html)