06.07.2016, 12:16
Pet 1-18-12-93-019655
Eisenbahnwesen
Der Deutsche Bundestag hat die Petition am 09.06.2016 abschließend beraten und
beschlossen:
Das Petitionsverfahren abzuschließen, weil dem Anliegen nicht entsprochen werden
konnte.
Begründung
Mit der Eingabe soll erreicht werden, dass der Schienenverkehr an unbeschrankten
und beschrankten Bahnübergängen ein Tempolimit von 30 km/h beachten muss.
Zu dieser Petition, die auf der Internetseite des Deutschen Bundestages veröffentlicht
wurde, liegen dem Petitionsausschuss 31 Mitzeichnungen und 29 Diskussionsbeiträge
vor. Es wird um Verständnis gebeten, dass nicht auf alle angeführten Aspekte
gesondert eingegangen werden kann.
Zur Begründung des Anliegens wird im Wesentlichen ausgeführt, Bahnübergänge
seien für den Straßenverkehr oft unübersichtlich und das Einsehen in die
Schienenstrecke meist unmöglich. Mögliche technische Defekte an den Signalanlagen
oder beim Überqueren der Schienen liegenbleibende Pkw würden eine enorme Gefahr
darstellen. Der Bremsweg der Schienenfahrzeuge nach Erkennen der Gefahr durch
den Zugführer sei zu lang, um einen Zusammenstoß zu verhindern. Die schweren,
meist tödlichen Unfälle könnten durch ein Tempolimit für den Schienenverkehr an
Bahnübergängen vermieden werden. Die Verkehrssicherheit habe Vorrang vor der
Geschwindigkeit.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten zu dem Vorbringen und zur Vermeidung von
Wiederholungen wird auf die eingereichten Unterlagen verwiesen.
Der Petitionsausschuss hat der Bundesregierung Gelegenheit gegeben, ihre Ansicht
zu der Eingabe darzulegen. Das Ergebnis der parlamentarischen Prüfung lässt sich
unter Einbeziehung der seitens der Bundesregierung angeführten Gesichtspunkte wie
folgt zusammenfassen:
Der Ausschuss begrüßt das mit der Petition zum Ausdruck gebrachte Engagement für
die Verbesserung der Verkehrssicherheit im Bereich von Bahnübergängen und weist
darauf hin, dass auch die Bundesregierung als vorrangige verkehrspolitische
Zielsetzung die Erhöhung der Sicherheit an Bahnübergängen und die Beseitigung von
Bahnübergängen verfolgt. Vor diesem Hintergrund wird die Umsetzung,
beispielsweise der erstmalige Einbau oder die Verbesserung der technischen
Sicherungen an bestehenden Bahnübergängen bzw. der Bau von
Überführungsbauwerken, mit erheblichen Bundesmitteln unterstützt.
Auch das zuständige Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI)
erkennt hier Handlungsbedarf, insbesondere vor dem Hintergrund der teilweise
erheblichen Probleme an Bahnübergängen und der damit verbundenen
Behinderungen der sicheren Abwicklung des Straßenverkehrs.
Insofern weist der Ausschuss darauf hin, dass der vom BMVI geleitete Bund-Länder-
Fachausschuss für den Straßenverkehr (BLFA-StVO) einen Unterausschuss
„Verkehrssicherheit an Bahnübergängen“ eingerichtet hat, der unter Beteiligung von
Verkehrsexperten aus allen Bereichen (Bund, Länder, Deutscher
Verkehrssicherungsrat, ADAC, Polizei, Gesamtverband Deutscher Versicherer etc.)
Möglichkeiten zur Verringerung des Unfallrisikos an Bahnübergängen prüft und einen
Leitfaden für die regelmäßige Durchführung von Bahnübergangsschauen erarbeitet.
Die Bahnübergangsschauen, zu denen die unteren Straßenverkehrsbehörden alle
Beteiligten einladen, dienen dazu, notwendige Verbesserungen, wie beispielsweise
Änderungen der Sicherungsanlagen etc., im Einzelfall durchzuführen.
Die gesetzlichen Grundlagen für die Sicherung von Bahnübergängen sind in der
Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung (EBO) geregelt. Die Sicherung erfolgt danach
grundsätzlich durch Lichtzeichen bzw. Blinklichter, Lichtzeichen bzw. Blinklichter mit
Halbschranken oder Schranken. Dabei erfolgt keine Festlegung, welche Sicherung im
Einzelfall anzuwenden ist. Insofern obliegt es den Baulastträgern der beteiligten
Verkehrswege Schiene und Straße gemeinsam nach den örtlichen Begebenheiten die
erforderlichen Sicherungsmaßnahmen zu planen und abzustimmen. Dazu merkt der
Ausschuss an, dass auch im Rahmen der Planfeststellung, die sich auch auf die Art
der Bahnübergangssicherung erstreckt, eine eingehende Abwägung erfolgt.
Der Ausschuss hebt hervor, dass der Eisenbahnverkehr aufgrund seiner
Besonderheiten – Bewegung großer Massen, Spurgebundenheit, langer Bremsweg
etc. – sowohl nach den Vorschriften der EBO als auch nach der Straßenverkehrs-
Ordnung stets Vorrang hat an Bahnübergängen.
Die Kosten für die gebotenen Sicherungsmaßnahmen trägt nach dem
Eisenbahnkreuzungsgesetz bei bundeseigenen Eisenbahnen der Bund zu einem
Drittel, bei nichtbundeseigenen Eisenbahnen das Land zu einem Drittel. Die übrigen
zwei Drittel werden von den beteiligten Baulastträgern der sich kreuzenden
Verkehrswege Schiene und Straße getragen. Durch die Kostenbeteiligung des Bundes
bzw. des Landes wird sichergestellt, dass die aus Sicherheitsgründen gebotenen
Maßnahmen unabhängig von möglichen Finanzierungsschwächen der Baulastträger,
insbesondere der kommunalen Straßenbaulastträger, umgesetzt werden.
Der Ausschuss weist darauf hin, dass die bereits getätigten Anstrengungen der
Beteiligten zu nachhaltigen Ergebnissen bei der Verbesserung der Verkehrssicherheit
geführt haben. Die Anzahl der Bahnübergänge im Netz der Deutschen Bahn (DB) AG
konnte in den Jahren 1994 bis 2013 von 28.682 auf 18.117 (davon sind
7.574 Bahnsteigübergänge ohne technische Sicherung) reduziert werden. Ferner
weist der Ausschuss darauf hin, dass die Zahl der Unfälle sowie der Unfalltoten an
Bahnübergängen trotz Zunahme des Straßenverkehrs zurückgegangen ist. Im Jahr
1994 ereigneten sich an Bahnübergängen der DB AG noch 628 Unfälle mit 110 Toten,
wohingegen im Jahr 2013 deutlich weniger, nämlich 150 Unfälle mit 32 Toten
verzeichnet wurden. Zudem macht der Ausschuss darauf aufmerksam, dass die
Unfälle an Bahnübergängen nach Auskunft der DB AG im Jahr 2013 zu 94 % auf ein
Fehlverhalten der Straßenverkehrsteilnehmenden zurückzuführen sind. Unabhängig
von den rückläufigen Entwicklungen der Unfallzahlen wird die Verbesserung der
Sicherheit an Bahnübergängen weiterhin fortgesetzt.
Die Ausführungen zeigen, dass sich die gesetzlichen Regelungen für die Sicherung
von Bahnübergängen bewährt haben. Der Verkehrsteilnehmer hat bei nicht technisch
gesicherten Bahnübergängen eine erhöhte Sorgfaltspflicht, wobei die Bahn die
äußeren Bedingungen (Sichtflächen, Pfeifsignale usw.) gewährleistet, um ein sicheres
Überqueren der Bahngleise zu ermöglichen. Die von der DB genutzten Anlagen zur
Bahnübergangssicherung entsprechen den gesetzlichen Anforderungen, sind
behördlich zugelassen und erfüllen, insbesondere auch im europäischen Vergleich,
einen anerkannt hohen Sicherheitsstandard.
Ein gänzliches Verbot von Bahnübergängen lehnt der Ausschuss ab, da dadurch
sämtliche Querungsmöglichkeiten aufgehoben würden und damit unter anderem
Rettungs- und Polizeifahrzeuge zu erheblichen Umwegen gezwungen seien.
Hinsichtlich der geforderten Absenkung des Tempolimits für den Schienenverkehr an
Bahnübergängen merkt der Ausschuss an, dass dies zu einer erheblichen Erhöhung
der Fahrtzeit führe, was die Attraktivität des Schienenverkehrs beeinträchtigen würde
und dazu führe, dass der motorisierte Individualverkehr wieder erheblich an Bedeutung
gewänne. Dies lehnt der Ausschuss zum einen aufgrund der positiven Energiebilanz
des Schienenverkehrs im Vergleich zum Straßenverkehr und somit im Interesse
geringer Umweltbeeinträchtigung ab. Zum anderen würden mit Zunahme des
motorisierten Individualverkehrs die Unfallzahlen signifikant ansteigen, da
Unfallstatistiken eindeutig belegen, dass der Straßenverkehr im Vergleich zum
Schienenverkehr ein deutlich höheres Unfallrisiko aufweist. Die mit der Petition
erstrebte Abnahme der Unfallzahlen würde so in das Gegenteil verkehrt werden. In
der Gesamtbetrachtung lehnt der Ausschuss daher die geforderte Einführung eines
generellen Tempolimits an Bahnübergängen ab.
Vor dem Hintergrund der Ausführungen erkennt der Petitionsausschuss keinen
parlamentarischen Handlungsbedarf. Er empfiehlt, das Petitionsverfahren
abzuschließen, weil dem Anliegen nicht entsprochen werden konnte.
Begründung (pdf)