12.11.2018, 11:12
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„ …Sie übersandten eine Legislativeingabe, mit der Sie eine Änderung des Feiertagsgeset-
zes (Tanzveranstaltungen) wünschen.
Mit Schreiben vom 31. August 2011 teilten wir Ihnen mit, dass der Petitionsausschuss den
Beschluss gefasst hat, Ihre Eingabe zurückzustellen, da noch Beratungsbedarf bestand.
Das fachlich zuständige Ministerium des Innern, für Sport und Infrastruktur hat mit Schreiben
vom 6. Juli 2011 folgende Stellungnahme abgegeben:
„Nach der derzeit geltenden Regelung sind öffentliche Tanzveranstaltungen verboten
1. von Gründonnerstag 4.00 Uhr bis Ostersonntag 16.00 Uhr,
2. am Allerheiligentag, am Volkstrauertag und am Totensonntag jeweils ab 4.00 Uhr und
3. vom Tag vor dem 1. Weihnachtstag 13.00 Uhr bis zum 1. Weihnachtstag 16.00 Uhr.
Allerdings eröffnet § 10 Feiertagsgesetz die Möglichkeit, bei Vorliegen eines wichtigen Grun-
des im Einzelfall eine Ausnahme von dem grundsätzlichen Tanzverbot des § 8 Feiertagsge-
setz zu erteilen. Eine unmittelbare Störung der Gottesdienste darf jedoch durch die aus-
nahmsweise genehmigten Veranstaltungen nicht eintreten. Vor einer abschließenden Ent-
scheidung sind die zuständigen kirchlichen Stellen zu hören.
Der Petent spricht sich dafür aus, das Verbot öffentlicher Tanzveranstaltungen zwischen
Gründonnerstag und Ostersonntag, am Allerheiligentag, am Totensonntag und zwischen
dem Tag vor dem 1. Weihnachtstag und dem 1. Weihnachtstag aufzuheben. Das Tanzverbot
solle nur noch am Volkstrauertag aufrechterhalten bleiben.
Zu dem Anliegen des Petenten nehme ich wie folgt Stellung:
Der Schutz der Sonn- und Feiertage wird in Artikel 140 des Grundgesetzes in Verbindung
mit Artikel 139 Weimarer Verfassung und Artikel 47 der Landesverfassung für Rheinland-
Pfalz institutionell garantiert. In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes ist die
diesen Vorgaben innewohnende verfassungsrechtliche Bindung des Gesetzgebers wieder-
holt dahingehend umschrieben worden, dass einerseits die durch das Grundgesetz festge-
legte Zweckbestimmung der Sonn- und Feiertage hinreichend gewährleistet und insoweit
diese Tage als Institution geschützt sein müssen, andererseits die zum Schutz der Sonn-
und Feiertage getroffenen Regelungen aber nicht unverhältnismäßig sein dürfen. Sonn- und
Feiertage dienen der Arbeitsruhe, der seelischen Erhebung und der religiösen Erbauung.
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Den Menschen soll an diesen Tagen die Möglichkeit zur inneren Ruhe gegeben werden.
Dies setzt jedoch äußere Ruhe - also das Freihalten des Ruhetages von „werktäglichen Ele-
menten“ - voraus. Anders als die Religionsausübungsfreiheit (Artikel 4 Abs. 2 Grundgesetz)
zielt die Sonn- und Feiertagsgarantie nicht unmittelbar auf die Gewährleistung einer religiö-
sen Handlung ab, sondern darauf, den äußeren Rahmen für die „seelische Erhebung“ zu
schaffen.
In heutiger Zeit stellt sich der Sonn- und Feiertagsschutz auch als eine Konkretisierung des
Sozialstaatsprinzips dar; er soll den individuellen Belangen sowohl der gläubigen als auch
der nichtgläubigen Menschen dienen und insoweit eine annähernd gleiche Förderung unter-
schiedlicher Interessen ermöglichen. Daraus folgt, dass etwa die Religionsausübung nicht
nur verfassungsrechtlich garantiert, sondern der Staat zugleich verpflichtet ist, sie vor unzu-
mutbaren Störungen zu schützen.
Das Verbot der Durchführung von öffentlichen Tanzveranstaltungen an bestimmten Tagen
entstammt dem abendländisch-christlichen Kulturkreis und bezog sich ursprünglich insbe-
sondere generell auf Feiertage, auf Sonntage und die gesamte Karwoche. Das Tanzverbot in
seiner heutigen Gestalt in Rheinland-Pfalz bezieht sich auf bestimmte hohe christliche und
staatliche Feiertage, die sogenannten stillen Tage. An diesen Tagen sind nicht nur Tanzver-
anstaltungen, sondern - im Westlichen parallel gestaltet - auch Versammlungen, Unterhal-
tungs- und Sportveranstaltungen verboten.
Die von der Petition berührten Tage sind aus folgenden Gründen besonders geschützt:
- Gründonnerstag 4.00 Uhr bis Ostersonntag 16.00 Uhr
In der Karwoche und insbesondere an den Kartagen (Gründonnerstag, Karfreitag, Kar-
samstag) gedenken die christlichen Kirchen in besonderer Weise des Leidens und
Sterbens von Jesus Christus. Wenn auch Gründonnerstag und Karsamstag keine ge-
setzlichen Feiertage sind, so entspricht das gesetzliche Verbot für öffentliche Tanzver-
anstaltungen an diesen Tagen dennoch der Intention des Verfassungsgebers, weil die-
se Bestimmung unmittelbar dem Schutz insbesondere des Karfreitags und des Oster-
sonntags selbst dient.
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- Allerheiligentag ab 4.00 Uhr
(Gedenken an alle Heiligen, Märtyrer und Verstorbenen) Die Gräber auf den Friedhöfen
werden von den Angehörigen geschmückt; Katholiken entzünden das „Seelenlicht“; es
ist das Symbol des „Ewigen Lichtes“, das den Verstorbenen leuchtet.
- Totensonntag ab 4.00 Uhr
Der Totensonntag ist allgemeiner Feiertag zur Erinnerung an die Verstorbenen. An die-
sem Tag ist es üblich, die Friedhöfe zu besuchen und die Gräber der Verstorbenen zu
schmücken.
Das gesetzliche Verbot der Durchführung von öffentlichen Tanzveranstaltungen ist eine zulässi-
ge Ausgestaltung der verfassungsrechtlichen Vorgaben zum Schutz der Sonn- und Feiertage.
Regelungen über Verbote öffentlicher Tanzveranstaltungen finden sich auch in den feiertags-
rechtlichen Vorschriften der anderen Länder. Dabei bin ich mir bewusst, dass sich die feier-
tagsrechtlichen Festlegungen in den Bundesländern unterschiedlich darstellen. Der Grund
hierfür ist, dass die Festsetzung der gesetzlichen Feiertage Kompetenz der Länder (Artikel
70 Abs. 1 Grundgesetz) ist. Dabei ist durch das Grundgesetz zugelassen und insbesondere
im Hinblick auf unterschiedliche Lebensverhältnisse sogar gewollt, dass die Länder für einen
Bereich, der ihrer Gesetzgebung unterliegt, unterschiedliche Regelungen treffen. Der jeweili-
ge Landesgesetzgeber hat bei der Festlegung der Zahl der Feiertage und in Bezug auf die
Intensität des Feiertagsschutzes einen Gestaltungsspielraum. Bei der Gestaltung des Feier-
tagsrechts sind eine Vielzahl von Gesichtspunkten und Interessen gegeneinander abzuwä-
gen. Hierzu gehören insbesondere das Anliegen der Kirche, ihre Feiertage entsprechend
dem religiösen Inhalt der betreffenden Feste zu begehen, aber auch andere Gesichtspunkte,
wie etwa die konfessionelle Bevölkerungsstruktur. Die Abwägung der widerstreitenden Ge-
sichtspunkte hat dazu geführt, dass das Feiertagsrecht der Bundesländer trotz vieler Über-
einstimmungen auch Differenzierungen aufweist. Dies ist im Rahmen eines föderalen Staa-
tes nicht nur hinnehmbar, sondern vielmehr vom Verfassungsgeber so gewollt.
Die Kirchen halten bisher weitgehend vehement an den bestehenden Regelungen fest. Sie
setzen sich für strukturierte Jahreszeiten ein, verweisen auf eine jahrhundertealte Tradition
und halten das Tanzverbot an den über das Jahr verteilt nur wenigen Tagen zumindest als
Ausdruck der Rücksichtnahme auf die religiösen Gefühle anderer für notwendig.
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Es ist zu erwarten, dass eine Lockerung des Sonn- und Feiertagsschutzes für öffentliche
Tanzveranstaltungen die Forderungen nach weiteren Lockerungen der für die stillen Tage
geltenden Verbote und Einschränkungen nach sich ziehen wird (beispielsweise öffentliche
Unterhaltungs- und Sportveranstaltungen), und der Sonn- und Feiertagsschutz immer weiter
ausgehöhlt wird.“
Der Petitionsausschuss des Landtags Rheinland-Pfalz hat sich diesen Gründen angeschlos-
sen und derzeit keine Möglichkeit gesehen, Ihr Anliegen und die damit verbundene Ände-
rung der Gesetzeslage zu unterstützen. Der Petitionsausschuss hat daher in seiner 4. Sit-
zung am 27. September 2011 den Beschluss gefasst, Ihrem Anliegen nicht abzuhelfen.“
Begründung (PDF)