Volksvertreter Timo Müller
Stellungnahme zur Petition Gegen die geplante Erhöhung von Kita Gebühren in Idstein
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zuletzt bearbeitet am 08.12.2016
Ich stimme zu / überwiegend zu.
Ich befürworte eine öffentliche Anhörung im Fachausschuss.
Ich befürworte eine öffentliche Anhörung im Parlament/Plenum.
Grundsätzliche Position von Bündnis 90/Die Grünen ist die Forderung, den Kita-Besuch als wichtigen Teil des Bildungssystems generell beitragsfrei zu stellen. Das zu ermöglichen, liegt allerdings (leider) nicht in den Händen der Idsteiner Stadtverordnetenversammlung. Trotzdem ergibt sich daraus folgerichtig, dass wir Grüne und auch ich persönlich die von Bürgermeister Herfurth und der Magistratsmehrheit vorgeschlagene Gebührenerhöhung (Drucksache 213/2016) ablehnen. Grund dafür ist vor allem unsere und meine politische Einschätzung der Kita-Betreuung als gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die eigentlich eher über Steuern (also von der Allgemeinheit) als über Gebühren (und damit nur von den Nutzern) finanziert werden sollten. Da dies aber - wie gesagt - nicht in unserer Entscheidungsbefugnis als Stadtverordnetenversammlung liegt, sind wir an die Vorgaben der übergeordneten Ebenen gebunden und müssen unsere Kindertagesstätten zumindest teilweise durch Elterngebühren finanzieren.
Um dabei weniger wohlhabende Familien und solche in schwierigen finanziellen Verhältnissen möglichst wenig zu belasten, gibt es in Idstein eine soziale Staffelung der Kita-Gebühren. Diese Staffelung stellt in unseren Augen eine große Errungenschaft dar und ist unbedingt zu schützen. Allerdings muss man festhalten, dass die Grenzwerte der Staffeln seit ca. 15 Jahren nicht mehr an steigende Löhne, Inflation o.ä. angepasst. Zudem gehen heute in vielen Familien - manchmal aus freier Entscheidung, manchmal gezwungenermaßen - beide Eltern arbeiten. Da der Einstiegswert der höchsten Staffel zur Zeit bei 4.000 Euro liegt, zahlen vergleichsweise viele Familien (laut offizieller Statistik der Stadt zwischen ca. 50 und ca. 80%; Unterschiede etwa zwischen Krippen- und Kita-Plätzen oder zwischen 6- und 8-Stunden-Platz) den Maximalbeitrag dieser höchsten Stufe. Oft sind das allerdings nicht die "Topverdiener" und wirklich Wohlhabenden, die mit der obersten Stufe eigentlich gemeint waren, sondern zum Beispiel zwei arbeitende Eltern mit je 2.000 Euro Gehalt. Damit ist (und wird) man in Deutschland nicht reich.
Um diese Schieflage zu beheben, haben wir Grüne einen Änderungsantrag in die Beratungen eingebracht. Darin fordern wir die Einführung einer weiteren, höheren Staffelungsstufe für Einkommen ab 7.000 Euro. Die Gebühren der bisherigen Staffeln wollen wir nicht erhöhen.
Ich möchte klarstellen, dass der Grund und Auslöser unseres Antrages NICHT in erster Linie ein Beitrag zur Sanierung des städtischen Haushalts (also zur Erreichung einer kurzfristigen sog. "schwarzen Null") ist. Man kann also nicht einfach den erwarteten Mehrertrag der DS 213/2016 nehmen und ausrechnen, wie hoch demnach die Gebühren in der neuen höchsten Staffel sein müssten, um auf die gleiche Summe zu kommen - denn das ist NICHT Zweck und Anlass unseres Antrags. Vielmehr geht es uns darum, den Beitrag der Gebührenstaffel zur sozialen Gerechtigkeit wiederherzustellen bzw. zu stärken. Die Schere zwischen Arm und Reich in Deutschland ist in den letzten Jahren sehr weit auseinander gegangen. Wir sind der Ansicht, dass die wirklich starken Schultern auch mehr tragen können und sollten als die schwachen. Dass nichtsdestotrotz durch die Einführung einer weiteren, höheren Stufe ohne Veränderungen der niedrigeren Stufen auch insgesamt etwas mehr Geld aus Elternbeiträgen in den städtischen Haushalt fließen wird, ist natürlich richtig. Hier muss man aber auch beachten, dass erstens nur die wirklich hohen Einkommen von einer Erhöhung betroffen sein werden, die das viel eher verkraften können, ohne in existenzielle Geldnöte zu geraten, als es bei der pauschalen Erhöhung für alle Stufen (wie von Verwaltung, CDU und FWG vorgeschlagen) der Fall wäre. Und zweitens muss man - bei aller verständlichen Verärgerung über jede Gebührenerhöhung - zumindest zur Kenntnis nehmen, dass die vielen Kostensteigerungen aus verschiedensten Gründen (ob Qualitätssteigerungen, Angebotserweiterungen, Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz oder dringend notwendige Lohnzuwächse der ErzieherInnen) in den vergangenen Jahren nicht oder nur unterproportional zu einer Steigerung der Elternbeiträge führten. Einen Großteil der Kosten hat die Stadt in ihrem Anteil übernommen, so dass der Deckungsgrad der Kitas über Elternbeiträge von früher fast 30% auf jetzt noch knapp 17% gesunken ist. Eine einfache lineare Erhöhung aller Beiträge zur Umkehrung dieses Trends halte ich wie gesagt trotzdem für den falschen Weg. Wir sollten Familien mit Kindern fördern, daher werbe ich für die politische Entscheidung, den Elternbeitrag der bisherigen Stufen nicht zu erhöhen, aber die Funktionalität der Staffelung als Instrument der sozialen Gerechtigkeit durch de Einführung einer weiteren, höheren Stufe wiederherzustellen bzw. wieder zu stärken.
Ein Wort noch zum Verfahren: Ich bin der Meinung, dass ein solches Thema zum einen viel zu wichtig ist, um sozusagen "nebenbei" in der umfangreichen und schwierigen Haushaltsdebatte abgehandelt zu werden und dass zum anderen der Dialog und vor allem die wirklich lösungsorientierte Erarbeitung des Themas mit den Eltern und dem Stadtelternbeirat bisher zu kurz kam. Wir haben deshalb in der Debatte zum Thema im Haupt- und Finanzausschuss (HFA) beantragt, das Thema zu vertagen, um abseits der Haushaltsberatungen in Ruhe und intensiv mit den Eltern debattieren und nach Lösungen suchen zu können - leider ohne Erfolg. Unser eigener Antrag auf Einführung einer weiteren, höheren Staffel soll, wenn er beschlossen wird, natürlich auch nicht im Eilverfahren "durchgepeitscht" werden. Bei der konkreten Erarbeitung und Umsetzung wollen wir die Eltern und den StEB von Anfang an und durchgehend mit "im Boot" haben.
Mit freundlichen Grüßen
Timo Müller, stv. Fraktionsvorsitzender Bündnis 90/Die Grünen Idstein