Volksvertreter Paul Krause
Stellungnahme zur Petition Krankenhaus Lehrte erhalten!
SPD zuletzt bearbeitet am 28.04.2016
Ich lehne ab.
Die Diskussion der letzten Monate über die Medizinstrategie der Zukunft für das Klinikum der Region Hannover kann nicht als eine lediglich auf einen Standort bezogene Fragestellung behandelt werden (und damit als Fragestellung Pro oder Kontra im Rahmen einer Patition), sondern sie betrifft das Klinikum als Unternehmen in seiner Gesamtheit. Es geht um weitaus mehr als die Belange von Einzelstandorten; es handelt sich um die Neuausrichtung des Gesamtklinikums in fachlicher, infrastruktureller und qualitativer Hinsicht, die Voraussetzung dafür sein soll, dass das Klinikum auch in der Zukunft in öffentlicher Trägerschaft und darüber hinaus wirtschaftlich ohne dauerhafte Defizite geführt werden kann. Um die Differenziertheit des Themas ein wenig zu verdeutlichen, füge ich nachstehend meinen Redebeitrag in der Regionsversammlung am 16.12.2014 an, den ich für die SPD-Fraktion gehalten habe:
Medizinstrategie 2020
Regionsversammlung am 16. Dezember 2014
Paul Krause
Mit dem Beschluss über die Medizinstrategie 2020 sollen die Weichen gestellt werden für eine zukunftsfähige, qualitativ verlässliche und leistungsfähige Krankenhausstruktur der Häuser in der Trägerschaft der Region Hannover. Ein Unterfangen, das in den letzten Wochen begleitet war von engagierten lokalen Debatten und vereinzelten unsachlichen Äußerungen zu Teilen des Konzepts und zu einzelnen Standorten.
Die SPD-Fraktion lässt sich bei ihrer heutigen Entscheidung im Sinne der Drucksache 2048 von folgenden Zielsetzungen leiten, die wir für das Klinikum Region Hannover anstreben:
1. Wir halten an der öffentlichen Trägerschaft der Region für das Klinikum als bedeutendstes Tochterunternehmen fest. Das haben auch andere Fraktionen dieses Hauses erklärt, gleichzeitig jedoch eine komplette Verweigerung gegenüber der Medizinstrategie angekündigt. Wer jedoch glauben machen will, es könne alles bleiben wie es ist, der setzt genau dieses Ziel aufs Spiel.
2. Wir wollen, dass das Klinikum sich den Entwicklungen, man könnte auch sagen den Zwängen der letzten 10 Jahre in der Krankenhausversorgung stellt, um auch in Zukunft seinen Versorgungsauftrag erfüllen zu können. Das heißt vor allem, dass wir den beiden Trends sowohl hin zur Spezialisierung als auch zur Qualitätsverbesserung nachkommen müssen. Wir müssen in unseren Häusern Schwerpunkte für medizinische Behandlungen herausbilden und durch diese Kompetenzbildung eine gute Qualität der Versorgung sichern.
3. Wir müssen parallel dazu die Ablaufstrukturen in den Krankenhäusern überprüfen und verbessern, um sowohl in puncto Wirtschaftlichkeit als auch Qualität gute Rahmenbedingungen zu erhalten oder auch – wenn dies möglich ist – neu zu schaffen.
Das von einer fachlich breit besetzten Arbeitsgruppe vorgelegte Medizinkonzept bietet aus unserer Sicht eine sachgerechte Grundlage für die Erreichung dieser Ziele, auch wenn einzelne Punkte davon strittig diskutiert wurden. Das betrifft etwa den Prüfauftrag für einen Neubau im Osten der Region, die Verlagerung des stationären Versorgungsangebots von Springe nach Gehrden sowie die Schließung der Geburtshilfe am Nordstadtkrankenhaus. Wir werden – nach Maßgabe des von SPD und Grünen vorgelegten Änderungsantrages – auch diese Punkte der Medizinstrategie mit tragen.
Warum ist ein solches Medizinkonzept erforderlich? Die Patientenversorgung hat sich in den letzten Jahren in mindesten 3 wesentlichen Punkten massiv verändert:
• Behandlungen, die früher stationär durchgeführt wurden, sind heute ambulant möglich und üblich.
• Behandlungen werden zunehmend nicht mehr im Krankenhaus „am Ort“, sondern in Fachabteilungen großer Häuser oder Fachkliniken durchgeführt.
• Die Verweildauer von Patienten in Krankenhäusern ist deutlich kürzer als früher.
Alle 3 Faktoren haben massive Auswirkungen auf die Krankenhausversorgung. Was ambulant erledigt wird, ist kein Krankenhausfall; wer in eine Fachabteilung geht, meidet das Allgemeinkrankenhaus um die Ecke; wenn die Patienten schneller nach Hause entlassen werden können, stehen Betten leer. Bettenleerstände bringen keine Erlöse, wegfallende Behandlungen genau so wenig. Dies ist das Kernproblem am Standort Springe, ablesbar an der Entwicklung der Patientenzahlen und einhergehend damit an der Entwicklung des Casemix und des Casemix-Index. Es ist deshalb nicht nur eine Frage der Erlöserzielung, auch nicht der Motivation oder der Qualifikation des Klinikpersonals, sondern es ist insbesondere das Problem des fachlich überhaupt noch aufrecht zu erhaltenden stationären Versorgungsangebots, das wir lösen müssen. Um den Abwärtstrend zu stoppen oder wenigstens zu verringern, erscheint die Verlagerung des stationären Versorgungsumfangs nach Gehrden sachgerecht und stärkt diesen Standort im Südwesten der Region – bei allem verständlichen Schmerz, den diese Entscheidung in Springe verursacht. Wichtig ist uns aber die gleichzeitige Einrichtung einer 24-Stunden-Notfallversorgung für und in Springe und die Durchführung eines lokalen Dialogprozesses über eine qualifizierte medizinische Nachnutzung des Hauses. Wir werden in diesem Zusammenhang die ÖPNV-Beziehungen zwischen Springe und Gehrden zu verbessern haben und ggfs. auch die Rettungsdienstplanung anpassen.
Ähnliche Gründe sind es, die den Prüfauftrag für einen Neubau im Osten der Region sinnvoll machen – wenn auch nicht mit der Auswirkung wie in Springe. Aber es geht auch hier um zwei Häuser, deren Kapazitäten und Qualifikationen sinnvoller Weise in einem Neubau mit effizienter Infrastruktur und fachlicher Bündelung zusammengeführt werden könnten. Das möchten wir geprüft sehen – nicht mehr, aber auch nicht weniger. Wer bereits diesen Prüfauftrag verweigert, beharrt auf nicht mehr zeitgemäßen Strukturen, die der Leistungsfähigkeit des Klinikums insgesamt auf Dauer nicht zuträglich sind.
Auch die Schließung der Geburtshilfe am Standort Nordstadt fällt uns nicht leicht. Aber um eine dauerhafte Perspektive zu entwickeln, müsste ein Perinatalzentrum neu angesiedelt und dafür in einem Umfang investiert werden, der außer Verhältnis zu dem erreichbaren Versorgungsangebot steht; andere Krankenhausträger sind uns eben auf dem Gebiet der Geburtshilfe – Geburtenzahlen und Versorgungsumfang - voraus. Mit ihnen zusammen wollen wir allerdings eine Kooperation bei der Fortführung der Hebammenschule erreichen; das ist unser politischer Auftrag in diesem Zusammenhang.
Nun noch einige Anmerkungen zu dem CDU-Antrag, der immerhin (!) einen Tag vor der Regionsversammlung vorgelegt wurde. Darin fordern Sie Auskunft über die Wirkungen des KuZ II – Programms: Informationen, die Ihren Aufsichtsratsmitgliedern vorliegen und auch aus dem Entwurf des Wirtschaftsplan 2015 ablesbar sind. Aber Sie ignorieren das.
Sie fordern Aufklärung über die angeblich widersprüchlichen Ergebnisbeiträge am Standort Springe. Der vermeintliche Widerspruch wurde mehrfach durch die Geschäftsführung und letztmals am 12.12.14 im Fachausschuss, also vor der Einreichung Ihres Antrages, aufgeklärt. Sie ignorieren dies.
Sie fordern ein tragfähiges Finanz- und Investitionskonzept für die Umsetzung des Medizinkonzepts, insbesondere für den Neubau. Das genau sind die Fragen, die durch den Prüfauftrag geklärt werden sollen, den Sie vehement ablehnen. Herr Schlossarek, was ist eigentlich Ihre Funktion und das Selbstverständnis Ihrer Aufgabe im Aufsichtsrat, wenn Sie das Konzept einerseits bekämpfen und andererseits solche Informationen einfordern. Sie wollen offenbar der Öffentlichkeit vorgaukeln, nach 2 Monaten destruktiver Öffentlichkeitsarbeit etwas auf diesem Themenfeld in Gang zu bringen, und Sie verharren dabei trotzdem nur in Verweigerung und Blockade.
Wenn Sie fordern, alle Krankenhausstandorte müssten dauerhaft erhalten bleiben, dann ignorieren Sie 10 oder 12 Jahre Veränderung im Krankenhaussektor, wie ich ihn vorhin beschrieben habe. Damit schaden Sie dem Klinikum Region Hannover. Sie verweigern sich unbequemen Erkenntnissen und drücken sich um schwierige, weil unpopuläre Entscheidungen. Und Sie hören ja nicht einmal mehr auf den Experten in Ihren eigenen Reihen. Sie sind nicht die beherzten Retter der Krankenhauslandschaft in der Region Hannover, sondern der Bremsklotz für deren notwendige Weiterentwicklung.
Dass diese Medizinstrategie nicht völlig verkehrt sein kann, wird im Übrigen belegt durch den Abschlussbericht einer Bund-Länder—Kommission zur Verbesserung der Krankenhausversorgung, der vor 10 Tagen durch Bundesgesundheitsminister Gröhe (CDU) vorgestellt wurde. In den Eckpunkten zu diesem Bericht wird u.a. ein Programm zu Strukturänderungen im Krankenhausbereich vorgestellt, für dessen Durchführung ein Fonds gebildet werden wird, der vom Bund und den Ländern mit insgesamt 1 Mrd. Euro gespeist werden soll. Wörtlich heißt es dazu im Eckpunktepapier: „Der Fonds hat den Zweck, zur Verbesserung der Versorgungsstruktur den Abbau von Überkapazitäten, die Konzentration von Krankenhausstandorten sowie die Umwandlung von Krankenhäusern in nicht akutstationäre lokale Versorgungseinrichtungen (z.B. Gesundheits- oder Pflegezentren) zu fördern.“ Das kommt einem irgendwie bekannt vor.
Eines mag ja zutreffen: Das Medizinkonzept 2020 ist nicht alternativlos. Aber: wer nichts verändern will, der muss dauerhaft Betriebsdefizite ausgleichen, ohne damit die Strukturen zu verbessern, die das Defizit verursachen. Oder er bringt das Klinikum immer weiter in die Gefahr der Aufgabe der öffentlichen Trägerschaft. Diese Alternativen sind keine, sie sind Mist. Weil wir ernsthaft den Fortbestand des Klinikum in Trägerschaft der Region wollen und zugleich fachliche Schwerpunktsetzungen und qualitative Verbesserungen der Rahmenbedingungen fördern möchten, werden wir dem Medizinkonzept zustimmen.