Volksvertreterin Katja Lindenau
Stellungnahme zur Petition Bürgermeister Immisch abwählen
Fraktion B90/Die Grünen, zuletzt bearbeitet am 09.12.2022
Ich stimme zu / überwiegend zu.
Ich unterstütze einen Antrag im Parlament, wenn sich genügend andere Vertreter anschließen.
Ich befürworte eine öffentliche Anhörung im Fachausschuss.
Ich befürworte eine öffentliche Anhörung im Parlament/Plenum.
Ich habe die Petition unterschrieben und ich gebe eine Stellungnahme ab, denn es gab für den Bürgermeister mehrere Gelegenheiten sein Handeln zu hinterfragen, seine Fehler zu korrigieren und die Greensill-Geldanlagen zu stoppen. Das hat er nicht getan, das ist seine Verantwortung.
Der Stadt Schwalbach ist mit den 19 Mio. Euro Greensill-Verlusten ein so großer finanzieller Schaden zugefügt worden, dass ich das Parlament in der Pflicht sehe, sich ehrlich und grundlegend mit der Verantwortung des Bürgermeisters zu befassen. Die Aufarbeitung im Akteneinsichtsausschuss ist aus politischen Motiven nicht gelungen, deshalb habe ich den Abschlussbericht von Herrn Grüning ebenso kritisiert wie die Rolle der SPD/CDU-Koalition dabei.
Fakt ist, dass die Stadt in das Jahr 2020 mit 30 Mio. Euro Festgeldern bei deutschen und österreichischen Sparkassen sowie 25 Mio. Euro Festgeld bei weiteren Banken mit Einlagensicherungs- oder Institutsschutz in einem Liquiditäts- oder Haftungsverbund startete. Die letzte Festgeldanlage unter der Amtsvorgängerin erfolgte am 04.06.2020 nachdem die Kassenleitung den Institutsschutz geprüft und über die gesamte Laufzeit der Geldanlage positiv bestätigen konnte. Seit dem Magistratsbeschluss vom 11.02.2019 bis zum 06.06.2020 wurde explizit auf Einlagensicherungs- oder Institutsschutz in einem Liquiditäts- oder Haftungsverbund geachtet, oder deren Überprüfung vor Abschluss angeordnet und im Fall einer privatisierten Raiffeisen- und Genossenschaftsbank aus Österreich sogar einer Querkontrolle innerhalb der Finanzverwaltung unterzogen (nach dem Acht-Augen-Prinzip).
Mit Amtsbeginn am 07.06.2020 wurde Bürgermeister Immisch Kämmerer der Stadt. Nach Vorbereitung durch die Kassenleitung unterzeichnete er wenige Tage später die Kontoeröffnung bei der Greensill-Bank AG, um dort Festgeld mit einer Laufzeit von 6 Monaten anzulegen. Weitere Festgeldanlagen bei der Greensill-Bank AG folgten. Nach Akteneinsicht gab es keine Überprüfung der Privatbank und keine Prüfung auf Einlagensicherungs- oder Institutsschutz, obwohl die Kassenleitung eine Woche vor seinem Amtsbeginn noch wusste, was zu tun ist.
Nach neun Monaten im Bürgermeisteramt lagen nicht mehr 30 Mio. Euro bei Sparkassen, sondern 19 Mio. Euro auf dem Konto der Greensill-Bank AG sowie 10 Mio. Euro Festgelder bei einer Privatbank, die die Revision in doppelter Hinsicht als unzulässig bezeichnete. Und selbst vier Tage nach Bekanntwerden der Greensill-Insolvenz landeten noch 3 Mio. Euro Festgeld bei einer neuen unbekannten Privatbank. Dass mit all diesen Festgeldanlagen eine neue Anlagestrategie verfolgt wurde, lässt sich graphisch darstellen. Die 11 Greensill-Geldanlagen & Co waren ein regelhafter Verstoß und durch die Unterschriften des Bürgermeisters sicher kein Versehen.
Dabei hatten Anlagenvermittler verschiedener Geldvermittlungsagenturen mehrfach und schriftlich darauf hingewiesen, dass bei der Greensill Bank AG für Körperschaften öffentlichen Rechts kein Einlagensicherungs- oder Institutsschutz vorliegt. Dokumentiert wurde auch ein umfassender Haftungsausschluss der Anlagevermittler vor Abschluss der Angebote, der sich u.a. auf die Aktualität, Richtigkeit, Genauigkeit, Vollständigkeit, Geeignetheit und Angemessenheit der Geldanlagen für einen bestimmten Zweck bezog.
Das der Bürgermeister vor der Greensill-Bank-Pleite Kenntnis vom Magistratsbeschluss vom 11.02.2019 hatte, wurde im Akteneinsichtsausschuss vor mehr als 1 ½ Jahren festgestellt. Unter Bezugnahme auf den alten Beschluss vom 11.02.2019 hatte der Magistrat am 14.12.2020 eine neue Anlagerichtlinie beschlossen. Sie sollte zum 01.02.2021 in Kraft treten. Rechtskräftig in Kraft ist sie nie, da auf den Magistratsbeschluss kein Stadtverordnetenbeschluss folgte, was zwingend notwendig gewesen wäre.
Warum die Anlagerichtlinie vom 14.12.2020 trotzdem und schon seit sechs Monaten zur Anwendung kam, bzw. seit dem 07.06.2020 von der Kassenleitung als Dienstanweisung verstanden wurde, bleibt ein Widerspruch, der auf Aufklärung wartet.
Bei genauem Lesen der Anlagerichtlinie vom 14.12.2020 konnte man feststellen, dass die fünfseitige Musteranlagerichtlinie des Hessischen Städtetages mit ihren 17 Paragrafen zwar in weiten Teilen übernommen, aber an entscheidenden Stellen verändert wurde. Mit dem Wissen von heute fällt auf, dass insbesondere drei Sätze der Musteranlagerichtlinie fehlten, die die Dokumentation der Beratung, die automatisierte Wiederanlage von Festgeld und die Prüfung des Ratings präzisieren.
Zudem sollte die Kassenleitung weitreichende Befugnisse erhalten und bei Anlagen mit einer Laufzeit von bis zu 18 Monaten eigenverantwortlich entscheiden dürfen. Dabei wurde weder die Summe noch die Anzahl der Festgeldanlagen begrenzt, d.h. im schlechtesten Fall hätte die Kassenleitung das gesamte Guthaben der Stadt in Geldanlagen mit einer Laufzeit von bis zu 18 Monaten eigenverantwortlich anlegen dürfen, ohne eine zweite Unterschrift einzuholen bzw. ohne Zustimmung des Bürgermeisters.
Auch mittel- bis längerfristige Kapitalanlagen wollte man auf geeignete Personen innerhalb der Stadtverwaltung übertragen, ohne klar zu definieren, welche Abteilung zuständig sein sollte, denn die benannte Abteilung gab es laut Organigramm der Stadt Schwalbach nicht. Gleichzeitig hätten durch eine Formulierung auch mehr als 40 Mio. Euro bei einem Schuldner angelegt werden und ggf. wie bei Greensill verloren gehen können. Parallel sollte die Zuständigkeit von Magistrat und Parlament für Festgeldanlagen begrenzt werden.
Alles in Allem passte die Anlagerichtlinie vom 14.12.2020 zur Vorgehensweise seit dem 07.06.2020. Da fragt man sich schon, ob der Magistrat die Greensill-Festgeldanlagen & Co im Nachgang legitimieren und für die Zukunft zur Regel lassen werden sollte. Das gilt auch für die Abläufe in der Kämmerei und der Stadtkasse. Die ehrenamtlichen Magistratsmitglieder und Stadtverordneten wurden über die neue Anlagestrategie samt Konsequenzen viel zu lange im Unklaren gelassen, und als es etwas mitzuteilen gab, ist der Bürgermeister seiner Mitteilungspflicht nicht nachgekommen. Die Revision hat die Vorgänge nachvollzogen, Fragen gestellt und die Antworten der Befragten dokumentiert. Dabei wurden gravierende Verstöße gegen interne und externe Vorschriften festgestellt und Ungereimtheiten sowie widersprüchliche Aussagen dokumentiert. Der Bericht der Revision bestätigt meine Erkenntnisse aus dem Akteneinsichtsausschuss und ich sehe darin keine Entlastung für den Bürgermeister.