Volksvertreterin Hanna Naber
Stellungnahme zur Petition Auflösung der Pflegekammer Niedersachsen und Beendigung der Zwangsmitgliedschaften von Pflegekräften
SPD, zuletzt bearbeitet am 29.01.2019
Keine Stellungnahme.
Ich befürworte eine öffentliche Anhörung im Fachausschuss.
Sorry, es folgt ein längerer Text, weil ich meine Antwort zu dieser Petition und meine Position zur Pflegekammer etwas differenzierter darstellen möchte. Denn hier ist es, wie bei vielen anderen Themen auch: die Welt ist nicht so einfach, wie es manchmal den Anschein macht.
Ich bin im Oktober 2017 in den Landtag gewählt worden. Zu dieser Zeit war die Entscheidung darüber, ob und wie eine Niedersächsische Pflegekammer eingerichtet werden soll, bereits gefallen. In meiner vorherigen Tätigkeit als Geschäftsführerin der AWO Weser-Ems und Mitglied des Vorstandes der Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege Niedersachsen e.V. habe ich den Prozess kritisch begleitet.
Vorab: Politiker*innen erkennen Probleme und (zukünftige) Herausforderungen und erarbeiten Strategien und Maßnahmen, um diesen zu begegnen. Das ist ihr Job. Welche konkreten Wege bei welchem Thema eingeschlagen werden, obliegt der jeweiligen Mehrheit.
Die damalige rot-grüne Regierung hat vollkommen zutreffend festgestellt, dass “die Pflege” - gemessen am gesellschaftlichen Wert ihrer Arbeit - keine ausreichend starke Interessenvertretung besitzt, die partei- und verbandsübergreifend auftreten kann. Offensichtlich - das will ich als langjähriges Mitglied selbstkritisch hinzufügen – haben sich auch die Gewerkschaften hier zu wenig gekümmert. Ob dies am niedrigen Organisationsgrad der Pflegekräfte liegt, sei hier mal dahingestellt.
Die Pflegekammer soll, so der Wille der Landtagsmehrheit, hier Abhilfe schaffen: Vor allen Dingen soll sie die beruflichen Interessen ihrer Mitglieder bündeln. Hier geht es um die Unterstützung der Gewerkschaften, was die Lohnentwicklung und die Arbeitsbedingungen (prekäre Beschäftigungsverhältnisse, unfreiwillige Teilzeit, Urlaubsansprüche, Sonderleistungen, Vereinbarkeit von Familie und Beruf etc.) in der Pflege betrifft. Die Kammer kann zwar kein Tarifpartner sein, aber wichtige Expertise liefern.
Ebenso kann die Pflegekammer ein wichtiges Sprachrohr für die nach wie vor dringend notwendige Einführung eines verbindlichen Personalbemessungsverfahrens sein und insgesamt für die gesamtgesellschaftliche Wertschätzung und Anerkennung des Berufsfeldes Pflege.
Weiterhin geht es um die Ausarbeitung der Berufsordnung, welche verbindlich die Tätigkeiten und das Verhältnis gegenüber den zu Pflegenden beschreibt. Damit verbunden ist der Anspruch der Förderung von „guter Pflege“. Hier soll die Pflegekammer zudem eine Weiterbildungsordnung verfassen, welche die beruflichen Gebiete festlegt, in denen sich die Angehörigen der Kammer weiterbilden können und den Zugang zu Qualifikation durch Information und Angebote erleichtert.
Ich gehe davon aus, dass die Pflegekammer in all diesen Punkten Verbesserungen nicht nur erreichen kann. Sie muss.
Denn eine Verkammerung von größtenteils abhängig Beschäftigten bedingt, dass der Mehrwert für die in der Pflege Tätigen deutlich spürbar werden muss. Auch ist richtig, dass die Beitragsordnung geändert wurde.
Im Koalitionsvertrag zwischen SPD und CDU ist festgehalten, dass die Pflegekammer zur Hälfte der Legislaturperiode evaluiert werden soll. Ich erwarte, dass diese Evaluation Aufschluss darüber geben wird, ob die Kammer einen Mehrwert für die in der Pflege Beschäftigten mit sich bringt. Und ich meine, diese Auswertung ist nun abzuwarten.
Abschließend seien mir noch ein paar grundsätzliche Anmerkungen erlaubt: Meines Erachtens ist die in den letzten Jahrzehnten – teils wahnhaft - betriebene Ökonomisierung der Sozialen Arbeit im Allgemeinen, des Gesundheitssektors und der Pflege im Besonderen der wesentliche Kern des Übels. DRG´s, Pflege im Minutentakt, immer höhere Anforderungen an die Beschäftigten bei gleichbleibendem oder gar reduziertem Personal sind hier einige der Stichworte.
Darüber hinaus müssen sich Gesellschaft und politische Akteur*innen fragen: gehört die Pflege als öffentliche Daseinsvorsorge (zunehmend) in privat-gewerbliche Hände, die sich - organisiert im BpA (Rainer Brüdele, FDP) – z. B. gegen flächendeckende, allgemeinverbindliche Tarifverträge stellen? Oder anders formuliert: ist es für unsere Gesellschaft ethisch vertretbar, Pflege und Gesundheit markt- bzw. in Teilen sogar gewinnorientiert zu organisieren, mit der möglichen Folge mangelnder Patient*innen-/Bewohner*innensicherheit oder von Versorgungsengpässen in wenig „lukrativen“ Regionen?
Ich meine: Geiz ist nicht geil. Ich trete deshalb unter anderem vehement für einen flächendeckenden, allgemeinverbindlichen Tarifvertrag Soziales ein, den die Tarifparteien aushandeln müssen. Salopp gesagt: Pflegekräfte verdienen mehr, als sie momentan verdienen. Auch liegt mir die Personalbemessung sehr am Herzen. Für das Pflege- und Gesundheitssystem in einer alternden Gesellschaft muss der Gesetzgeber Rahmenbedingungen schaffen, die dies auch finanziell ermöglichen. Eine Sozial-/Kranken-/Pflegeversicherung, die alle Einkommens- und Kapitalarten mit einbezieht (solidarische Bürger*innenversicherung), ist hier ein guter Weg.