Volksvertreter Frank Kuschel
Thüringer Landtag in Thüringen - Ausgeschieden
Stellungnahme zur Petition Weimar muss kreisfrei bleiben!
DIE LINKE, zuletzt bearbeitet am 22.04.2016
Ich lehne ab.
Ich befürworte eine öffentliche Anhörung im Fachausschuss.
Die von r2g geplante Funktional-, Verwaltungs- und Gebietsreform wird nicht wie in der Petition behauptet, im Eilverfahren durchgeführt.
Die Reform wurde durch Beschluss des Thüringer Landtages im Februar 2015 auf dem Weg gebracht. Das von der Landesregierung am 22. Dezember 2015 beschlossene Leitbild „Zukunftsfähiges Thüringen“ wurde umfassend öffentlich debattiert. Dies trifft auch auf das Vorschaltgesetz „Gebietsreform“ zu. Hierzu wurde bereits im Regierungsverfahren die Kommunen angehört. Der Thüringer Landtag hat sich am 21. April 2016 erstmalig mit dem Vorschaltgesetz beschäftigt. Am 9. Juni 2016 wird es zum Vorschaltgesetz eine öffentliche Anhörung im Innen- und Kommunalausschuss geben. Die zweite Lesung zum Gesetz ist für den 23. Juni 2016 geplant. Zur Neugliederung der Landkreise und kreisfreien Städte wird es im Jahr 2017einen Entwurf für ein gesondertes Neugliederungsgesetz geben, der umfangreich öffentlich diskutiert werden wird. Dieses Gesetz wird in den beteiligten Kommunen für sechs Wochen öffentlich ausgelegt. Die Kommunen werden angehört. Alle Beteiligten können Anregungen vortragen, die vom Landtag abgewogen werden. Die vollständige Funktional-, Verwaltungs- und Gebietsreform wird 2019 abgeschlossen sein. Von einem Eilverfahren, in dem Sachargumente nicht abgewogen werden könne und Bürgerbeteiligung nicht möglich sei, kann keine Rede sein.
In der Petitionsbegründung wird behauptet, dass der Stadt durch den Wegfall der Kreisfreiheit ein Einnahmeverlust bei den Landeszuweisungen im zweistelligen Millionenbereich droht.
Die Kreisfreiheit findet bei den Landeszuweisungen keine gesonderte Berücksichtigung. Durch den Wegfall der Kreisfreiheit werden bisherige Landkreisaufgaben von der Stadt auf den Landkreis übertragen. Keine Landkreisaufgabe kann kostendeckend wahrgenommen werden. Insofern musste Weimar bisher immer eigene städtische Mittel für die Umsetzung von Landkreisaufgaben einsetzen. Deshalb ist es überhaupt nicht möglich, dass durch den Wegfall der Landkreisaufgaben Weimar Geld verliert. Im Gegenteil, Weimar spart städtische Mittel, die künftig für die Gemeindeaufgaben eingesetzt werden können. Nach ersten Berechnungen liegen diese Kosteneinsparungen bei rund 8 Millionen EUR im Jahr. Würde die These der Einnahmeverluste durch Aufgabe der Kreisfreiheit zutreffen, wäre dies ein Systemfehler im kommunalen Finanzausgleich, der sofort behoben werden müsste.
In der Petition wird behauptet, dass durch die Aufgabe der Kreisfreiheit eine Absenkung der städtischen Leistungen (Kultur, Sport, Vereine, soziale Leistungen) erfolgt.
Beim Wegfall der Kreisfreiheit bleiben alle gemeindlichen Aufgaben bestehen. Dazu gehören u.a. die Kultur, der Sport und die Vereinsförderung. Auch ein Teil der sozialen Leistungen bleiben unverändert, u.a. die Kindertagesstätten Sozialeinrichtungen. Nur die Leistungsgesetze im Sozial- und Jugendhilfebereich werden künftig vom Landkreis wahrgenommen. Bei diesen Leistungsgesetzen hat die Stadt bisher kaum ein eigenes Ermessen. Auf Sozialleistungen besteht ein Rechtsanspruch, unabhängig, wer sie umsetzt. Die behauptete Absenkung städtischer Leistungen ist also nicht zu erwarten.
Durch die Aufgabe der Kreisfreiheit soll es nach Überzeugung der Petenten zu Einschnitt in die Entscheidungsfreiheit der Stadt kommen.
Bei Aufgabe der Kreisfreiheit bleibt die Stadt für alle gemeindlichen Aufgaben wie bisher zuständig. Die Landkreisaufgaben gehen in Teilen auf den Landkreis über. Bei diesen Aufgaben handelt es sich im Regelfall um Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises. Bei diesen Aufgaben ist das Land nicht nur Rechts-, sondern auch Fachaufsicht. Ein eigenes Ermessen der Stadt besteht kaum. Im Übrigen darf der Stadtrat über diese Aufgaben auch nicht entscheiden. Dort wo nichts entschieden werden darf, kann auch keine Entscheidungsfreiheit eingeschränkt werden.
In der Petition wird behauptet, dass bei Wegfall der Kreisfreiheit weniger Bürgernähe und längere Ämterwege entstehen.
Bürgernähe hat nichts mit dem Status der Kreisfreiheit zu tun, sondern ist ein Anspruch aller Kommunen. Bürgernähe ist abhängig von der Verfahrens- und Entscheidungsgestaltung innerhalb der Kommunen (Grad der Bürgerbeteiligung). Bürgernähe ist nur mittelbar durch die Struktur der kommunalen Behörden (die Verwaltungsstandorte eingeschlossen) bestimmt. Durch den Wegfall der Kreisfreiheit werden keine weiteren Behördenwege in Weimar entstehen. Das Konzept von r2g sieht vor, dass künftig in allen selbständigen Gemeinden Bürgerservicebüros bestehen, in dem alle kommunalen Angelegenheiten (unabhängig ob des Gemeinde- oder Landkreisaufgaben sind) erledigt werden können.
Die Begründung der Petition enthält die These, dass die Strahlkraft von Weimar nur durch die Kreisfreiheit dauerhaft gesichert werden kann.
Auch diese These überzeugt nicht. Weimars Ausstrahlung wird durch viele Faktoren bestimmt, durch Weimars vielfältige Geschichte, die Kultur und Kulturangebote, die Gedenkstätten und Denkmäler sowie durch die in Weimar ansässigen Hochschulen als Bildungsstandort. Die Kreisfreiheit, also die Zuständigkeit für Landkreisaufgaben, gehört sicher nicht dazu.
Frank Kuschel
MdL Thüringen, DIE LINKE