Volksvertreter Felix Schwenke
Stellungnahme zur Petition NEIN zur erneuten Grundsteuer B-Erhöhung der Stadt Offenbach am Main
SPD, zuletzt bearbeitet am 26.02.2019
Keine Stellungnahme.
Stellungnahme Felix Schwenke zur Petition Grundsteuer
Die Entscheidung über die Höhe der Grundsteuer trifft in Hessen die Stadtverordnetenversammlung. Sie legt die Höhe der Steuer jedes Jahr neu fest, das heißt sie kann sie theoretisch jedes Jahr ändern. Da Herr Lotter auch mich angeschrieben hat, war es mir wichtig, die Petition und die vielen Kommentare selbst zu lesen. Mit Herrn Lotter habe ich zudem ein längeres Telefonat geführt.
Meine Sorge gilt Ihnen, die als Normalverdiener hart für ihr Geld arbeiten oder als Rentner ihr Leben lang hart für das Alter gearbeitet haben: Familien, die von einem kleinen Einkommen leben müssen, junge Familien, die Eigentum zur Absicherung im Alter erworben haben und jeden Tag auf den Cent achten müssen, Polizisten, Krankenschwestern, Busfahrer, Handwerker, kleine Selbständige. Menschen, die hart arbeiten und dabei nicht reich werden, aber trotzdem jeden Morgen wieder aufstehen und zur Arbeit gehen.
Sie sind für mich persönlich die wahren Leistungsträger unserer Gesellschaft. Ohne Sie würde weder Deutschland, noch Hessen oder Offenbach funktionieren. Für Sie alle ist die Entscheidung zur drastischen Erhöhung der Grundsteuer keine gute Entscheidung.
Es stimmt wenn behauptet wird, dass es aktuell um wichtige Zukunftsinvestitionen in unserer Stadt geht. Ja: unsere Kinder brauchen moderne Schulen und keine Container, damit sie alle Chancen für das Leben haben. Ja: Wir brauchen zusätzliche Kindertagesstätten, damit Eltern, damit alleinerziehende Mütter arbeiten gehen können. Ja: Wir müssen in Umweltschutz und Luftreinhaltung investieren, weil wir Fahrverbote für Diesel vermeiden wollen und den Klimawandel für unser Leben im Alter und das Leben unserer Kinder eindämmen wollen.
Und richtig ist: dafür reicht das Geld im Moment nicht aus. Es gibt in dieser Situation deshalb keinen einfachen Weg.
Aus meiner Sicht sind vier Punkte entscheidend:
1. Die Bereitschaft aller politischen Kräfte zu Einsparungen und Effizienzsteigerungen im eigenen Verantwortungsbereich
2. Überprüfung aller Maßnahmen im Hinblick auf den Zeitpunkt, zu dem sie notwendig sind
3. Eine aktive Wirtschaftsförderung
4. Ein gemeinsamer Kampf dafür, dass Bund und Land endlich ihre Sozialgesetze bezahlen
1. Die Bereitschaft aller politischen Kräfte zu Einsparungen und Effizienzsteigerungen im eigenen Verantwortungsbereich
In den vergangenen drei Jahren wurde von der neuen Koalition manchmal der Eindruck erweckt, Geld würde in Offenbach plötzlich keine Rolle mehr spielen. Das war und ist falsch. Das ging so weit, dass sogar völlig unrealistisch der Bau eines neuen Hallenbades versprochen wurde.
Weil das Geld von den Bürgerinnen und Bürgern hart erarbeitet werden muss, sehe ich es als Aufgabe der Politik, das Geld möglichst effizient und sparsam zu nutzen. In meinen Zuständigkeitsbereich lege ich deshalb sehr großen Wert auf eine effiziente Steuerung der Verwaltung, um die Ausgaben der Verwaltung zu kontrollieren.
Dies ist bei mir kein Gerede. Ich habe das in der Vergangenheit bewiesen. Zum Beispiel durch die Zusammenlegung der Standesämter von Dietzenbach und Offenbach oder durch die Zusammenlegung der Kämmerei mit dem Steuer- und Kassenamt. Auch bei der Übernahme des Seniorenzentrums (SZO) in städtische Verantwortung war meine Vorbedingung, dass dies keine Zuschüsse von der Stadt erhalten darf. Beim Bürgerbüro haben wir in meiner Verantwortung immer erst Prozesse optimiert, bevor wir über mehr Personal geredet haben. Mit dem Projekt Convenio hatten wir in meiner Verantwortung als Beteiligungsdezernent die Grundlage gelegt, im Immobilienbereich der städtischen Gesellschaften nur noch eine Geschäftsführung zu benötigen.
In keinem dieser Fälle habe ich den Menschen nach dem Mund geredet oder einfache Wege beschritten. Dies werde ich auch in Zukunft beweisen.
Meine Überzeugung ist: Zwischen den hauptamtlichen Dezernenten darf es keinen Wettbewerb darum geben, wer welche Gruppe mit mehr Geld erfreut, sondern wer seinen Verwaltungsteil am effizientesten reformiert und damit Geld spart. Dabei muss nicht zuletzt auch die Digitalisierung eine wichtige Rolle spielen. Das klappt nicht immer, aber das muss das Ziel sein. Für diesen Kurs werbe ich weiterhin.
2. Überprüfung aller Maßnahmen im Hinblick auf den Zeitpunkt, zu dem sie notwendig sind
Das ist in Situationen wie hier in Offenbach ein unverzichtbares Mittel. An einigen Punkten wurde dieses Mittel jetzt auch von den Vertreterinnen und Vertretern der Koalition noch angewendet. Aber jetzt wurde unter Zeitdruck gehandelt. Der Zugzwang vergiftete das interne Klima, Vorschläge wurden von der Koalition wie eine Provokation aufgenommen und daher nicht aufgegriffen.
Als die Finanzplanung des Haushaltes vom 18. September 2018 vorlag war klar, dass im Haushalt ein gigantisches Problem mit einer Nettoneuverschuldung für Baumaßnahmen von rund 120 Millionen Euro existiert. Sofort nachdem mir diese Zahlen durch den Kämmerer gezeigt wurden hatte ich intern gewarnt, dass wir diesen Haushalt so nicht genehmigt bekommen. Mein Vorschlag war, darüber umgehend ein Gespräch mit dem Regierungspräsidium (RP) zu führen. Hätten wir direkt angefangen, intern intensiv nach weiteren Einsparungen, Effizienzsteigerungen und dem Verschieben von Maßnahmen zu suchen, hätten wir ganz sicher ohne politisches Hickhack Möglichkeiten gefunden, die Erhöhung geringer zu halten. Und wir hätten im Vorfeld der Landtagswahl auch nochmal Druck in Wiesbaden machen können. Das alles hat die Koalition aus CDU, Grünen, FDP und Freien Wählern nicht getan. Sie hat einfach bis drei Tage vor der Sitzung der Stadtverordnetenversammlung im November abgewartet und nichts unternommen. Das ärgert mich. So wurde die Chance verpasst, das Problem für Sie als Bürgerinnen und Bürger zu verkleinern.
Mir ist es wichtig, dass wir diesen Prozess von Sparen und Effizienzsteigerung nachholen. Um ein Beispiel aus dem Sportbereich zu nehmen: An vielen Stellen wäre es wichtig, besser gestern als morgen Kunstrasenplätze oder Naturrasenplätze gerade für unsere Jugendfußballer zu haben. Aber dies wird alles nicht so schnell gehen, wie es wünschenswert wäre. Es wird noch etliche Jahre dauern. Um die Bürgerinnen und Bürger vor Kasperletheater zu verschonen, sollte aus meiner Sicht jeder am besten vor allem mit Blick auf seinen eigenen Bereich nachdenken! Ich bin dazu bereit.
3. Eine aktive Wirtschaftsförderung
Wie man so schön sagt, Offenbach muss auch „seine Hausaufgaben“ machen. Deshalb ist es wichtig, durch erfolgreiche Wirtschaftsförderung Unternehmen anzusiedeln und damit die Einnahmen aus der Gewerbesteuer zu erhöhen.
In meinem ersten Arbeitsjahr als Oberbürgermeister habe ich deshalb viele Projekte begonnen – wie beispielsweise die Vermarktung des Kaiserleigebietes, Gespräche zum Erwerb des Clariant-Geländes oder ein Projekt für die Ansiedlung von Forschungs- und Entwicklungsabteilungen – bei denen wir langfristig Unternehmen ansiedeln wollen. Ich habe die Arbeit der Wirtschaftsförderung durch Neuverteilung von Aufgaben effizienter aufgestellt, ohne eine zusätzliche Stelle in der Wirtschaftsförderung zu schaffen.
Die Zusammenlegung von Standorten der AXA oder das Wachstum der Helaba am Standort Offenbach sind Beispiele für Projekte, bei denen wir als Stadt Offenbach gut mit Projektentwicklern und Unternehmen zusammenarbeiten. Damit möchte ich den Ruf des Wirtschaftsstandorts Offenbach stärken. Der Weg ist lange, aber neue Arbeitsplätze und zusätzliche Steuereinnahmen kommen allen Offenbacherinnen und Offenbachern zu Gute.
Der Weg ist nicht nur lange, er ist auch hart: Mehr als 300 Arbeitsplätze konnten 2018 neu nach Offenbach geholt werden – gleichzeitig war aber die Entscheidung der Siemens-Zentrale zum Abbau von Arbeitsplätzen im Kraftwerksbau (der in Offenbach sitzt bzw. saß) von uns nicht zu beeinflussen.
Ein wichtiger Aspekt ist auch der Verbleib der Unternehmen, die schon bei uns sind, wenn diese sich räumlich verändern wollen. Mehr als 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in zwölf Unternehmen konnten letztes Jahr am Standort Offenbach gehalten werden, darunter auch hochqualifizierte Arbeitsplätze beim IT-Dienstleister Hyundai Auto Ever.
In diesem Punkt klappt die Zusammenarbeit zwischen der Koalition und mir bisher gut. Wir sprechen derzeit ein neues Wirtschaftsförderungskonzept gemeinsam ab. Wir haben eine Baugenehmigungsrunde eingeführt, bei der alle wesentlichen Projekte engmaschig betreut werden.
Aber: Diese wichtige Arbeit wird durch die drastische Grundsteuererhöhung in Zukunft deutlich schwerer. Denn rund 45% der Grundsteuer wird von Unternehmen gezahlt. Davor hat auch die Offenbacher IHK zu Recht gewarnt.
Doch auch wenn es schwerer wird: Selbstverständlich werde ich diesen Weg entschlossen weitergehen, denn das ist es, was Sie von mir erwarten dürfen.
4. Ein gemeinsamer Kampf dafür, dass Bund und Land endlich ihre Sozialgesetze bezahlen
Bund und Land bürden den Gemeinden mit neuen Gesetzen immer neue Lasten auf, ohne für die Finanzierung zu sorgen. Viel zu lange Zeit hat dieses Problem außer mir in Offenbach keinen Politiker ernsthaft interessiert. Viel schlimmer noch: Aus parteipolitischen Gründen haben insbesondere Vertreter von CDU und Grünen meine Arbeit als Jammern diskreditiert, obwohl die von mir erhobenen Forderungen stets mit Zahlen und Fakten untermauert waren! Jetzt zahlen Sie als Bürgerinnen und Bürger die Zeche für diesen politischen Kuschelkurs vor allem mit dem Land Hessen.
Allgemein können Steuererhöhungen dann sinnvoll sein, wenn damit wichtige zusätzliche Aufgaben des Staates erledigt werden. Aber: Mit der konkreten Grundsteuererhöhung hier in Offenbach sollen die Einnahmen nach der Berechnung der Koalitionspartner CDU, Grüne, FDP und Freie Wähler um zusätzlich rund 19 Millionen Euro pro Jahr steigen. Würden Bund und Land ihre Sozialgesetze bezahlen, hätten wir im Jahr 2019 auch ohne Steuererhöhung einen Haushaltsüberschuss von 39 Millionen Euro gehabt.
Schon im Jahr 2016 wollte ich deshalb gegen das Land Hessen klagen. In einem Rechtsgutachten hat die renommierte Kanzlei Lankau, Dr. Weitz und Collegen aus Darmstadt dafür gute Chancen gesehen. Selbst wenn jemand die Erfolgschancen kleiner beurteilt hätte, meine Überzeugung ist: man hätte jede Möglichkeit nutzen müssen, sich zu wehren.
Aber die Koalition aus CDU, Grünen, FDP und Freien Wählern hat aus parteipolitischen Gründen nicht geklagt. Das ist aus meiner Sicht ein sehr schwerer Fehler gewesen. Und diese vertane Chance müssen Sie als Steuerzahlerinnen und Steuerzahler heute teuer bezahlen.
Ein Kommentar zur Petition (von Manfred S. am 11. Februar) hat es passend auf den Punkt gebracht: „Es bedarf einer gerechten Gemeindefinanzierung durch Bund und Land, um den besonderen Belastungen Offenbachs (hohe Zuwanderung und Integration) gerecht zu werden. Sonst werden Bewohner ärmerer Städte wie Offenbach noch ärmer und Bewohner reicherer Städte noch reicher!“
Zuletzt hatte DER SPIEGEL in seiner Ausgabe 4/2019 vom 19.01.2019 ausführlich dazu berichtet, Zitat: „Wie hoch die Lebensqualität in Deutschland ist, hängt vor allem davon ab, wo man wohnt. Reiche Städte überbieten sich mit günstigen Angeboten für ihre Bürger. Arme Städte erhöhen die Gebühren. Der Abstand wächst.“
Am Beispiel der Stadt Offenbach sieht man sehr deutlich, dass dies stimmt:
Richtig ist: Der größte Verursacher dieser Kosten ist der Bund. Aber: Im Staatsaufbau der Bundesrepublik Deutschland sind die Kommunen Teil der Länder. Deshalb sind Sozialgesetze, bei denen die Kommunen am Ende Geld bezahlen müssen, im Bundesrat zustimmungspflichtig. Und deshalb ist unser erster Ansprechpartner zuerst das Land.
Und wenn das Land Hessen zustimmt, dass der Bund die Miete für Arbeitslose (Kosten der Unterkunft (KdU)) nicht bezahlt, dann ist es Aufgabe des Landes, uns dieses Geld zu geben. Nicht der Oberbürgermeister, sondern der Ministerpräsident müsste sich dann mit dem Bund anlegen, um sein Geld zurückzubekommen.
Viel zu lange Zeit haben insbesondere CDU und Grüne hier in Offenbach aus Rücksicht gegenüber dem Land Hessen jeden diskreditiert, der dies so ehrlich beim Namen genannt hat. Das muss sich jetzt endlich ändern.
Niemand in Wiesbaden oder Berlin wird uns etwas schenken, wenn wir nicht darum kämpfen. In Wiesbaden herrschte bis vor kurzem die Stimmung „jetzt haben wir den Kommunen genug geholfen“. Aktuell wird zumindest darüber nachgedacht, die Kosten für das Wachstum von Städten zukünftig zu berücksichtigen. Aber: Die Soziallasten werden von der Landesregierung weiterhin nicht als Problem benannt, das sie angehen wird. Und das, obwohl in den Ministerien sehr kluge Köpfe die komplizierten Ausgleichsmechanismen des Kommunalen Finanzausgleichs (KFA) berechnen. Aber was sie berechnen dürfen und was nicht, ist eine politische Entscheidung.
Jede Politikerin und jeder Politiker aus Offenbach muss diese Probleme gemeinsam über die Parteigrenzen hinweg in Wiesbaden und Berlin deutlich machen.
Ich sehe mich auch in Zukunft immer zuerst den Offenbacher Bürgerinnen und Bürgern verpflichtet und erst danach der Partei. Darauf können Sie sich weiterhin verlassen!
Die Grundsteuererhöhung ist nicht gut für Offenbach, sie ist nicht gut für die Offenbacher Bürgerinnen und Bürger und sie darf deshalb nicht das letzte Wort sein.