Volksvertreter Edgar Wolff
Stellungnahme zur Petition Müllgebühren Kreis Göppingen
Fraktionslos, zuletzt bearbeitet am 14.06.2021
Ich lehne ab.
Ich befürworte eine öffentliche Anhörung im Fachausschuss.
Ich befürworte eine öffentliche Anhörung im Parlament/Plenum.
Sehr geehrte Unterzeichnerinnen und Unterzeichner der Petition,
mit Ihrer Unterschrift richten Sie sich gegen die im Rahmen der Behälterumfrage des AWB mitgeteilten voraussichtlichen Abfallgebühren ab dem 1.1.2022. Aus der Vielzahl von Begründungen lassen sich zwei Schwerpunkte herausarbeiten. Zum einen wird eine Entlastung von Familien insbesondere mit Windelkindern gefordert, zum anderen eine Entlastung von Haushalten, in denen inkontinente Personen leben. Hier wird argumentiert, dass diese nicht in der Lage seien, ihr Restmüllaufkommen nachhaltig zu beeinflussen. Gemeinsam ist allen Zuschriften, dass eine Befassung des Kreistags zur endgültigen Festlegung der Abfallgebühren 2022 gefordert wird.
Bezogen auf dieses verfahrensrechtliche Ziel der Beschlussfassung durch den Kreistag, kann die Petition für erledigt erklärt werden, da der Kreistag sowohl über die Gebührenkalkulation der Abfallgebühren 2022 als auch über die die Kalkulation umsetzende Abfallwirtschaftssatzung 2022 im vierten Quartal 2021 entscheiden wird. Schon jetzt gab es hierzu entsprechende Vorberatungen des Ausschusses für Umwelt und Verkehr des Kreistags des Landkreises Göppingen, u.a. mit einer im Internet live gestreamten Sitzung am 16.04.2021 (die noch bis zum 30.04.2021 auf der Homepage der filstalwelle abrufbar war), worauf openpetition Sie als Unterzeichnerinnen und Unterzeichner der Petition ja auch am 14.04.2021 hingewiesen hat. In dieser Sitzung wurden ausführlich alle auch in den Unterstützungsunterschriften zum Ausdruck kommenden Kritikpunkte und Begründungen der Petition behandelt.
Konkret zur Windelthematik wurde zwischenzeitlich eine Arbeitsgruppe mit Kreistagsmitgliedern aller Fraktionen des Kreistags eingesetzt, die Vorschläge erarbeiten soll. Über diese Vorschläge soll dann – ebenso wie über die Thematik der Abfallgebührenkalkulation 2022 insgesamt – bis zu den oben erwähnten abschließenden Beschlussfassungen des Kreistags noch mehrmals in öffentlicher Sitzung im Ausschuss für Umwelt und Verkehr vorberaten und diskutiert werden.
Soweit die Petition sich daher nicht bereits sowieso erledigt hat, kann meiner Ansicht nach der Petition nicht abgeholfen werden.
Im Jahr 2019 lag das Restmüllaufkommen im Landkreis Göppingen bei 191 Kilogramm pro Einwohner. Damit gehört der Landkreis Göppingen zu den Schlusslichtern der 44 Stadt- und Landkreise in Baden-Württemberg. Zum Vergleich: Der Landesdurchschnitt lag in Baden-Württemberg bei 140 Kilogramm, etliche Landkreise kamen teils deutlich unter 100 Kilogramm. Von diesem schlechten Wert will der Landkreis in den kommenden Jahren endlich und deutlich weg. Deshalb wurde bereits mit einem Grundsatzbeschluss des Kreistags im Jahr 2019 das Sammel- und Gebührensystem ab dem Jahr 2022 auf neue Beine gestellt (wobei der Beschlussfassung des Kreistags im Jahr 2019 eine Onlineumfrage als Bürgerbeteiligung vorausgegangen war, an der sich mehrere Tausend Bürgerinnen und Bürger des Landkreises beteiligt hatten).
Mir ist bewusst, dass das diese historische Systemumstellung nicht ohne anfängliche Akzeptanzschwierigkeiten gehen wird. Umso mehr setzen wir derzeit verstärkt auf intensive Information und Kommunikation und begrüßen daher auch die über openpetition gestartete Petition für den sachlichen Austausch von Argumenten.
Was den Vorwurf einer angeblichen Diskriminierung angeht, so teile ich diesen nicht. Unbestritten ist es so, dass es durch die Systemumstellung im kommenden Jahr zu einer erheblichen Gebührensteigerung kommt, sofern die gleiche Tonnengröße und der bisherige Leerungsrhythmus beibehalten wird. Ein Vergleich des Restmüllaufkommens zeigt, dass es auch in anderen Stadt- und Landkreisen aber Familien möglich ist, deutlich mehr Abfälle einzusparen, als dies aktuell bei uns der Fall ist. Die künftige flexible Bereitstellungsmöglichkeit der Tonnen in Kombination mit den Mehrbedarfssäcken lässt es zu, entweder auf eine kleinere Tonne oder einen geringeren Abholrhythmus zu wechseln. Über die vom AWB angebotene Abfallberatung, die jüngst personell nochmals erweitert wurde, haben gerade Familien jetzt die Chance, ihre Abfälle konsequent zu vermeiden bzw. zu trennen. Unbestritten ist mit der Hinterfragung und Umstellung des eigenen Abfallverhaltens ein Aufwand verbunden. Dies darf meines Erachtens aber nicht als Argument herhalten, ökologische Aspekte des Ressourcenschutzes zu vernachlässigen. Gerade das Zukunftsthema Klimaschutz ist Familien in der Regel besonders wichtig.
Es ist nun leider auch nicht so, dass weniger Müll in der Restmülltonne oder die Benutzung einer kleineren Mülltonne bedeutet, dass insgesamt weniger Kosten auf die Gebührenzahler umzulegen wären. Die Müllmenge insgesamt, also Restmüll plus Wertstoffe ist in der Vergangenheit nämlich relativ gleichgeblieben. Nur die Entsorgungs- bzw. Verwertungspfade haben sich geändert. Vieles, was früher in der Restmülltonne gelandet ist, wird nun entsprechend den gesetzlichen Vorgaben einer Verwertung zugeführt. Es handelt sich somit nur um eine Abfallverschiebung: Weg vom Restmüll hin in Richtung Wertstoffaufkommen.
Da die Kosten für die Verwertung der allermeisten Wertstoffe allerdings unter den Entsorgungskosten für die Restmüll-Verbrennung im Müllheizkraftwerk liegen, rechnen wir bei einer konsequenten Restmüllreduzierung damit, dass sich die gebührenfähigen Kosten der Abfallwirtschaft in unserem Landkreis bis zum Jahr 2026 um rund 3,66 Millionen Euro reduzieren werden. Dies entspräche einer Entlastung um rund 17 Prozent gegenüber dem Basisjahr 2021. Da im Vergleich zum bisherigen System im ersten Jahr der Umstellung jedoch erst einmal eine annähernd konstante Kostenhöhe auf ein kleineres Restmüllbehältervolumen umzulegen ist, kommt es bei unveränderter Behältergröße und Leerungsrhythmus zu den bekannten Gebührenerhöhungen. Die dadurch ausgelöste heftige Diskussion führt jedoch bei den meisten Haushalten zu einem kritischen Hinterfragen des eigenen Abfallverhaltens und dient letztlich dem Ziel der Restmüllreduzierung.
Sie sprechen zurecht die besondere Situation von Haushalten an, in denen Windeln anfallen. Darunter fallen Familien mit kleinen Kindern genauso wie Haushalte, die pflegebedürftige inkontinente Angehörige zuhause versorgen. Zirka 15 Prozent aller Haushalte sind davon im Landkreis Göppingen betroffen. Für herkömmliche Einweg-Windeln gibt es keine Alternative zur Entsorgung über den Restmüll und die Menge lässt sich auch nicht ohne Weiteres reduzieren. Eine Möglichkeit wäre zwar die Nutzung von Mehrwegwindeln, was jedoch mit einem Mehraufwand verbunden ist. Das ist für viele Eltern oftmals nicht praktikabel.
Die Möglichkeit, einen Teil der Abfallgebühren Familien mit Kleinkindern oder Pflegefällen aus sozialen Erwägungen zu erlassen, ist gebührenrechtlich nicht zulässig. Um hier dennoch Lösungen aufzuzeigen, hatte ich bereits auf die eingesetzte Arbeitsgruppe verwiesen, über deren Vorschläge dann in der Kreispolitik beraten werden wird.
In der Petition wird auch die Gebührenstaffelung der nach Haushaltsgröße bezogenen Jahresgebühr kritisiert. Statt dessen wird eine für alle Haushalte gleich hohe Grundgebühr angeregt. Im Landkreis Göppingen wird seit Jahrzehnten eine personenbezogenen Jahresgebühr erhoben, wobei die berücksichtigte Degression größere Haushalt entlastet und somit eine gebührenrechtlich zulässige und gebotene soziale Komponente darstellt. Dies vor dem Hintergrund, dass beispielsweise die Nutzung der Bringsysteme oder der Verwaltungskosten nicht linear mit der Haushaltsgröße steigen.
Selbstverständlich ist die Umstellung auf eine Grundgebühr, wie es sie bereits in etlichen Landkreisen gibt, möglich. Allerdings hätte auch diese Änderung zur Folge, dass es „Gewinner“ (größere Familien) aber auch „Verlierer“ (Singles und kleine Familien) gäbe. Auch zu diesem Aspekt der Gebührengestaltung wird die Kreispolitik beraten und entscheiden.