13.04.2016, 04:25
Pet 1-17-12-9213-046816
Straßenverkehrs-Ordnung
Der Deutsche Bundestag hat die Petition am 17.03.2016 abschließend beraten und
beschlossen:
1. Die Petition
a) der Bundesregierung – dem Bundesministerium für Verkehr und digitale
Infrastruktur – als Material zu überweisen,
b) den Landesvolksvertretungen zuzuleiten,
soweit es um die Bildung einer Rettungsgasse geht.
2. das Petitionsverfahren im Übrigen abzuschließen. Begründung
Mit der Petition werden Forderungen unterbreitet, mit denen das Erstellen von
Rettungsgassen erleichtert und das Nichterstellen sanktioniert werden soll.
Zu der auf der Internetseite des Deutschen Bundestages veröffentlichten Eingabe
liegen 184 Mitzeichnungen und 26 Diskussionsbeiträge sowie knapp
100 sachgleiche Eingaben vor. Sie werden einer gemeinsamen parlamentarischen
Prüfung unterzogen. Es wird um Verständnis gebeten, dass dabei nicht auf alle der
vorgetragenen Aspekte im Einzelnen eingegangen werden kann.
Zur Begründung des Anliegens wird im Wesentlichen vorgetragen, auf deutschen
Straßen und Bundesautobahnen (BAB) sei es vorgeschrieben, bei Stau eine
Rettungsgasse zu bilden. Leider werde diese Vorschrift oft nicht umgesetzt. Einsatz-
und Rettungskräfte gelinge es immer schwerer, zeitnah an die Einsatzstellen zu
gelangen. Nicht selten entschieden Minuten über Leben und Tod beteiligter
Unfallopfer. Durch gezieltere Informationskampagnen sowie höhere Strafen könnte
das Problembewusstsein der Verkehrsteilnehmenden hier gestärkt werden. Auch
müsse bereits bei Staubildung für Lkw ab 3,5 t ein Überholverbot sowie ein Verbot,
nebeneinander zu fahren, verhängt werden, damit eine Gasse gebildet werden
könne. Ferner sollte anhand von Hinweisschildern, insbesondere für ausländische
Autofahrende, auf die Notwendigkeit von Rettungsgassen hingewiesen werden.
Außerdem sollten Einsatzkräfte zur Beweissicherung Kameras nutzen, um diejenigen
schärfer verfolgen zu können, die die Bildung von Rettungsgassen erschwerten.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten zu dem Vorbringen und zur Vermeidung von
Wiederholungen wird auf die eingereichten Unterlagen verwiesen.
Der Petitionsausschuss hat der Bundesregierung Gelegenheit gegeben, ihre Ansicht
zu der Eingabe darzulegen. Das Ergebnis der parlamentarischen Prüfung lässt sich
unter Einbeziehung der seitens der Bundesregierung angeführten Aspekte wie folgt
zusammenfassen:
Zur Sach- und Rechtslage der angesprochenen Rettungsgassenproblematik stellt
der Petitionsausschuss zunächst fest, dass gemäß der Straßenverkehrs-
Ordnung (StVO) Kfz auf BAB und Außerortsstraßen mit mindestens zwei Fahrstreifen
für die Durchfahrt von Polizei- und Hilfsfahrzeugen in der Mitte der
Richtungsfahrbahnen eine freie Gasse bilden müssen, wenn der Verkehr stockt. Bei
Fahrbahnen mit drei Fahrstreifen für eine Richtung muss die Gasse zwischen dem
linken und dem mittleren Fahrstreifen gebildet werden, bei vier Fahrstreifen auf der
mittleren Trennlinie. So soll gewährleistet werden, dass bei Verkehrsunfällen
Fahrzeuge der Polizei, des Rettungsdienstes und Abschleppfahrzeuge zur
Unfallstelle gelangen können.
Wer gegen diese Pflicht vorsätzlich oder fahrlässig verstößt, begeht entsprechend
der StVO eine Ordnungswidrigkeit, die mit einer Geldbuße geahndet werden kann.
Nach der Bußgeldkatalog-Verordnung ist eine Regelgeldbuße von 20 Euro
vorgesehen. Der Petitionsausschuss merkt an, dass die Bemessung der Geldbußen
nach dem Ordnungswidrigkeitengesetz erfolgt. Anhand einer angemessenen
Abstufung der Geldbußen muss die Verhältnismäßigkeit für die verschiedensten im
Straßenverkehr auftretenden Ordnungswidrigkeiten sichergestellt werden.
Maßgebliche Kriterien hierbei sind die Vorwerfbarkeit sowie das Gefahrenpotenzial,
das die jeweilige Ordnungswidrigkeit hervorruft. Aus Sicht des Ausschusses
erscheint ihm die geforderte deutliche Anhebung der Regelgeldbuße nach diesen
Kriterien, insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Angemessenheit der Sanktion
rechtlich bedenklich. Insbesondere in einer besonders komplexen Stausituation oder
bei stockendem Verkehr kann den einzelnen Fahrzeugführenden oftmals kein großer
Tatvorwurf gemacht werden kann. Demzufolge müssen hohe Geldbußen für solche
Verkehrsverstöße vorbehalten sein, die die Verkehrssicherheit unmittelbar
gefährden. Hierzu zählen insbesondere Geschwindigkeits- und Abstandsverstöße.
Zu der Forderung nach mehr Informationskampagnen führt der Ausschuss aus, dass
die Bildung der Rettungsgasse in Deutschland bereits seit dem Jahr 1982 Pflicht und
das „Verhalten gegenüber Sonderfahrzeugen“ seitdem Bestandteil der Fahrschüler-
Ausbildungsordnung ist. Ferner gehört das Thema Rettungsgasse seit langem zum
Inhalt der Öffentlichkeitsarbeit und der Verkehrssicherheitskommunikation des
Deutschen Verkehrssicherheitsrats sowie der Deutschen Verkehrswacht.
Insbesondere zu Ferienzeiten wird diese Thematik regelmäßig aufgegriffen.
Bezüglich der ebenfalls vorgetragenen Forderung nach einem generellen
Überholverbot von Fahrzeugen über 3,5 t bei Stau führt der Petitionsausschuss an,
dass ein solches Verbot dem Fahrzeugführer in unzumutbarer Weise einen
Beurteilungsspielraum einräumen würde. Der Begriff „Stau“ lässt sich im
Straßenverkehrsrecht nicht legal definieren, weil es eine Vielzahl von Situationen gibt
(Stop-and-go Verkehr, stockender Verkehr, kriechender Verkehr, Fahrzeugstillstand
etc.), welche die Notwendigkeit für die Bildung einer Rettungsgasse bedingen.
Zur Frage der Überwachung und Ahndung ergänzt der Ausschuss, dass die in der
StVO festgelegten Verkehrsregeln nach der Kompetenzverteilung des
Grundgesetzes eine eigene Angelegenheit der Bundesländer ist. Die zuständigen
Länderbehörden, im Regelfall die Polizeien der Bundesländer, teilweise auch die
Kommunen, entscheiden in eigener Verantwortung, wo, wie oft und mit welchem
erforderlichen Einsatz von Personal oder technischen Hilfsmitteln sie
Überwachungsmaßnahmen durchführen. Die Verkehrsüberwachung nimmt bei den
Bundesländern im Rahmen der zur Verfügung stehenden Ressourcen einen hohen
Stellenwert ein. Bund und Länder sind sich darüber einig, dass intensive Kontrollen
durchgeführt werden müssen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die
Personalkapazitäten begrenzt sind und sich die Behörden daher auf die
Hauptunfallursachen, z. B. auf Geschwindigkeitsverstöße durch Kraftfahrzeugführer,
konzentrieren.
Soweit die Aufstellung von entsprechenden Hinweisschildern für ausländische
Autofahrende gefordert wird, vermag der Ausschuss dem Anliegen ebenfalls nicht zu
entsprechen. Ausländische Verkehrsteilnehmende haben sich vor ihrer Einreise über
die hier geltenden Verkehrsregeln zu informieren. Zwar können an
Grenzübergangsstellen Informationstafeln aufgestellt werden, diese informieren aber
lediglich über die wichtigsten Geschwindigkeitsvorschriften in Deutschland. Auf
darüber hinausgehende Verkehrsregeln aufmerksam zu machen, ist aufgrund der
Fülle und Komplexität der Verkehrsregeln nicht möglich.
Bezüglich der Forderung, Einsatzkräfte zur Beweissicherung mit Kameras
auszustatten, stellt der Petitionsausschuss fest, dass der Einsatz von Kameras in
Einsatzfahrzeugen, sog. Dashcams, nicht grundsätzlich verboten ist. Die Zulässigkeit
von Dashcams richtet sich nach dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG). Die
Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit Videoüberwachung ist zulässig,
soweit sie zur Aufgabenerfüllung öffentlicher Stellen erforderlich ist und keine
Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen
überwiegen. Eine Datenerhebung ist ebenfalls zulässig, wenn sie zum Erreichen des
verfolgten Zwecks – hier die Ahndung der Ordnungswidrigkeit – erforderlich ist und
keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen
überwiegen. Letzteres erfordert eine Interessenabwägung zwischen dem öffentlichen
Interesse einerseits, dass die Einsatzfahrzeuge so schnell und ungehindert wie
möglich zu ihrem Zielort gelangen und den datenschutzrechtlichen Interessen der
Gefilmten andererseits. Diese Entscheidung kann nicht generell getroffen werden.
Sie muss sich am Einzelfall orientieren und die jeweiligen Umstände der Situation
miteinbeziehen. In verschiedenen Fälllen, die in einigen Eingaben beschrieben
werden, kann eine Zulässigkeit von Dashcams jedenfalls nicht grundsätzlich
ausgeschlossen werden. Dies gilt umso mehr, als gemäß § 6b Absatz 2 BDSG die
Aufnahmen kenntlich gemacht werden müssen und sie gemäß § 6b Absatz 5 BDSG
unverzüglich zu löschen sind, sobald sie zur Zweckerreichung nicht mehr erforderlich
sind. Dies ist z. B. der Fall, wenn eine Fahrt beendet wurde, ohne dass während der
Fahrt Autofahrende gegen ihre Pflicht zur Bildung einer Rettungsgasse verstoßen
hätten.
Ergänzend weist der Ausschuss auf das rechtskräftige Urteil des Bayerischen
Verwaltungsgerichts Ansbach zu Dashcams vom 12. August 2014 (AN 4 K
13.01634) hin. Das Urteil entscheidet über eine Klage gegen die Anordnung des
Bayerischen Landesamts für Datenschutzaufsicht, mit der einem Autofahrer die
Nutzung einer Dashcam untersagt wurde. Die aus dem permanenten Einsatz dieser
Kamera resultierenden Aufnahmen zum Zweck der Weitergabe an die Polizei im
Falle einer Verwicklung des Klägers in verkehrsrechtliche Streitigkeiten wurden als
unzulässig bewertet. Hier ging es allerdings gerade nicht um die Aufgabenerfüllung
öffentlicher Stellen gemäß BDSG, sondern um die Interessen privater Pkw-
Führender.
Abschließend empfiehlt der Petitionsausschuss, die Petition der Bundesregierung
– dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur – als Material zu
überweisen, soweit es um die Bildung einer Rettungsgasse geht. Um die
Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern zu verbessern, empfiehlt der
Petitionsausschuss zudem, die Petition den Landesvolksvertretungen zuzuleiten,
soweit es um die Bildung einer Rettungsgasse geht. Im Übrigen empfiehlt der
Ausschuss, das Petitionsverfahren abzuschließen.Begründung (pdf)