Erfolg

Gesundheitswesen - Passive Sterbehilfe

Petent/in nicht öffentlich
Petition richtet sich an
Deutschen Bundestag

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Der Petition wurde entsprochen

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Der Petition wurde entsprochen

  1. Gestartet 2007
  2. Sammlung beendet
  3. Eingereicht
  4. Dialog
  5. Erfolg

Dies ist eine Online-Petition des Deutschen Bundestags.

08.06.2017, 13:14

Gesundheitswesen Saskia Weihrich Der Deutsche Bundestag hat die Petition am 17.06.2010 abschließend beraten und
beschlossen:

Das Petitionsverfahren abzuschließen, weil dem Anliegen teilweise entsprochen
wurde. Begründung

Mit der Petition wird gefordert, gesetzliche Möglichkeiten zur passiven Sterbehilfe zu
schaffen, die es sterbenskranken Menschen erlauben, schmerzfrei und würdevoll zu
sterben. Darüber hinaus soll aktive Sterbehilfe unter strengen Auflagen legalisiert
werden.

Zur Begründung des Anliegens wird vorgetragen, dass aufgrund der Gesetzeslage in
Deutschland Todkranke derzeit ins Ausland gezwungen würden, um dort fernab von
ihrem sozialen Umfeld ihrem Leiden ein Ende zu setzen. Jeder Mensch solle jedoch
frei über sein Leben entscheiden können. Schwerstkranke Menschen hätten derzeit
nur die Wahl zwischen Verhungern, Erhängen, Erschießen, Ersticken oder dem
Sprung von einem Hochhaus. Diese Methoden seien aber zum einen für schwerst-
kranke Menschen kaum durchführbar und zum anderen mit dem Risiko einer fehler-
haften Durchführung behaftet. Deswegen müssten geeignete Medikamente für einen
schnellen und schmerzfreien Freitod zur Verfügung gestellt werden. Auch für die
Ärzte müsse Rechtssicherheit geschaffen werden, bei passiver Sterbehilfe müssten
sie straffrei bleiben. Besonderes Gewicht komme in diesem Kontext der Patienten-
verfügung zu. Eine solche solle absolut bindenden Charakter haben. Ähnliches gelte
auch für die aktive Sterbehilfe, denn es sei grausam, jemanden durch Einstellung der
künstlichen Ernährung verhungern zu lassen. Vielmehr müsse man den betroffenen
Personen auf ihren Wunsch hin ein schnell wirkendes Mittel zur Verfügung stellen,
um das Sterben abzukürzen.

Zu diesem Thema liegen dem Petitionsausschuss 17 weitere Eingaben mit ver-
wandter Zielsetzung vor, die wegen des Sachzusammenhangs einer gemeinsamen
parlamentarischen Prüfung unterzogen werden. Es wird um Verständnis gebeten,
dass nicht auf alle der vorgetragenen Aspekte im Einzelnen eingegangen werden
kann.

Es handelt sich zudem um eine öffentliche Petition, die von 305 Mitzeichnern unter-
stützt wurde und zu 31 Diskussionsbeiträgen geführt hat.

Nach § 109 Abs. 1 Satz 2 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages (GO-
BT) hat der Petitionsausschuss eine Stellungnahme des Rechtsausschusses einge-
holt, da die Petition den Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Betreu-
ungsrechts (Bundestagsdrucksache 16/8442) betrifft. Der Rechtsausschuss hat die
Petition in seine Beratungen zu diesem Gesetzentwurf einbezogen.

Das Ergebnis der parlamentarischen Prüfung lässt sich unter Berücksichtigung einer
Stellungnahme des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) und einer Stellung-
nahme des Bundesministeriums der Justiz (BMJ) wie folgt darstellen:

Dem Wunsch, in Würde zu sterben, wird in Deutschland durch eine Vielzahl von
Maßnahmen zur Erleichterung und Verbesserung der Situation unheilbar Kranker
und Sterbender entsprochen. Insbesondere der Palliativmedizin kommt in diesem
Zusammenhang eine besondere Bedeutung zu. Im Vordergrund steht dabei die Ver-
sorgung schwerstkranker und sterbender Menschen, die auf die Befreiung von
Schmerzen und Linderung anderer belastender Symptome ausgerichtet ist. Palliativ-
patientinnen und -patienten mit einer begrenzten Lebenserwartung haben Anspruch
auf eine spezielle ambulante Palliativversorgung. Ärztliche und pflegerische Leistun-
gen werden bei Bedarf rund um die Uhr vor Ort erbracht. Dies kommt dem Wunsch
vieler schwer kranker Menschen entgegen, in der häuslichen Umgebung zu bleiben.
Eine umfassende Palliativmedizin sichert auch bis ans Lebensende eine größtmög-
liche Lebensqualität.

Die modernen medizinischen Möglichkeiten der Krankheitsbehandlung, Lebens-
rettung und Lebensverlängerung werden von vielen Menschen dankbar angenom-

men, da sie ihnen die Lebenszeit verlängern. Andere aber haben Angst vor einer
Übertherapie, fürchten eine Leidens- und Sterbensverlängerung oder lehnen be-
stimmte medizinische Maßnahmen aus weltanschaulichen oder religiösen Gründen
ab. Aus dem verfassungsrechtlich geschützten Selbstbestimmungsrecht des Men-
schen folgt jedoch, dass weder die Krankheit noch der ärztliche Heilauftrag ein
eigenständiges Behandlungsrecht des Arztes begründen. Jeder Patient kann frei
entscheiden, in welche Maßnahmen er einwilligen möchte. Nur wenn eine Einwilli-
gung des Betroffenen bzw. des Betreuers oder Bevollmächtigten in den ärztlichen
Eingriff gegeben ist, hat der Arzt ein Behandlungsrecht, von dem er Gebrauch
machen muss, weil er ansonsten die Pflichten verletzt, die sich aus dem Behand-
lungsvertrag und aus seiner Garantenstellung ergeben.

Der Mensch hat während seines gesamten Lebens Anspruch auf Achtung seines
Selbstbestimmungsrechtes. Er darf eine Heilbehandlung auch dann ablehnen, wenn
sie seine ohne Behandlung zum Tode führende Krankheit besiegen oder den Eintritt
des Todes weit hinausschieben könnte. Schwerstkranke Menschen müssen die
Gewissheit haben können, dass ihnen einerseits medizinisch sinnvolle Maßnahmen
nicht vorenthalten werden und sie andererseits keine Zwangsbehandlung erdulden
müssen. Zum Recht auf Selbstbestimmung gehört deswegen auch, Festlegungen für
die Zeit zu treffen, in denen man etwa nach einem Unfall oder bei schwerer Krankheit
nicht mehr entscheidungsfähig
ist. Zu solchen Festlegungen gehören die
Bestimmung einer Person, die anstelle des Patienten entscheiden soll (Vorsorge-
vollmacht), sowie konkrete Behandlungsentscheidungen, die in einer sogenannten
Patientenverfügung genannt sind.

Patientenverfügungen haben in den zurückliegenden Jahren eine zunehmende
Bedeutung erlangt. Nach einer Schätzung der Deutschen Hospiz Stiftung aus dem
Jahr 2005 haben bereits ca. 8,6 Millionen Menschen eine Patientenverfügung ver-
fasst. Bisher bestanden jedoch in der Praxis Verunsicherungen insbesondere hin-
sichtlich der Ausgestaltung und Verbindlichkeit.

Soweit mit der Petition gefordert wird, die Bindungswirkung einer Patientenverfügung
rechtlich anzuerkennen, weist der Petitionsausschuss darauf hin, dass der Bundes-
tag am 18. Juni 2009 mit dem Beschluss des Dritten Gesetzes zur Änderung des

Betreuungsrechts die Patientenverfügung als Rechtsinstitut in das bürgerliche Recht
eingeführt hat (§ 1901a Abs. 1 BGB).

Eine Patientenverfügung entfaltet nunmehr dann Bindungswirkung, wenn sie von
einem einwilligungsfähigen Volljährigen verfasst wurde, in schriftlicher Form vorliegt
und eine Entscheidung über die Einwilligung oder Nichteinwilligung in eine
bestimmte, noch nicht unmittelbar bevorstehende ärztliche Maßnahme enthält. Tritt
eine in der Patientenverfügung beschriebene Situation ein, ist es Aufgabe des
Betreuers oder Bevollmächtigten zu prüfen, ob die Festlegungen in der Patienten-
verfügung auf die konkrete Lebens- und Behandlungssituation des Betroffenen
zutreffen. Ist das der Fall und gibt es keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass der
Betroffene seine Entscheidung geändert hat, ist es Aufgabe des Betreuers, dem
Behandlungswillen des Betroffenen Ausdruck und Geltung zu verschaffen. Für die
Beachtung und Durchsetzung des in der Patientenverfügung festgehaltenen Willens
kommt es auch nicht auf Art und Stadium der Erkrankung an. Der Wille des Patien-
ten ist auch dann maßgebend, wenn der Sterbevorgang noch nicht eingesetzt hat.

Der Petitionsausschuss erinnert jedoch daran, dass das Selbstbestimmungsrecht
nicht schrankenlos gilt. Die Rechtsordnung verbietet die Tötung menschlichen
Lebens. Die aktive Tötung eines anderen Menschen ist rechtlich und ethisch zu
missbilligen. Der Staat ist zum Schutz des Lebens verpflichtet. Niemand, auch nicht
ein schwerstkranker Mensch, kann einem anderen Menschen die Befugnis zu seiner
Tötung geben. Davon strikt zu unterscheiden ist die Ablehnung einer medizinischen
Maßnahme oder die Untersagung ihrer Fortführung in einer Patientenverfügung. Die
Achtung dieses Willens in Form des Unterlassens einer Behandlung, einschließlich
ihres Abbruchs, ist in diesen Fällen weder verboten noch ethisch zu missbilligen, weil
die einen Eingriff legitimierende Einwilligung gerade fehlt. Der Staat hat in diesen
Fällen weder das Recht noch die Pflicht zum Schutze des Menschen vor sich selbst.
Jeder Mensch hat dem Staat gegenüber zwar ein Lebensrecht, jedoch keine
Lebenspflicht.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) dürfen Maßnahmen zur
Verlängerung des Lebens bei einer absehbar tödlichen Erkrankung abgebrochen
werden, wenn dies dem Willen der Patientin oder des Patienten entspricht und die

Sterbephase bereits unumkehrbar eingesetzt hat. In diesen Grenzen ist die passive
Sterbehilfe rechtlich möglich.

Der Petitionsausschuss legt Wert auf die Feststellung, dass die Hilfe und Begleitung
im Sterbeprozess als auch das Recht, einen medizinischen Eingriff ablehnen zu
können, streng von einer Tötung auf Verlangen bzw. der aktiven Sterbehilfe zu tren-
nen sind. Die aktive Sterbehilfe ist auch dann strafbar, wenn die Täterin oder der
Täter durch das ausdrückliche und ernsthafte Verlagen des Getöteten zur Tötung
bestimmt worden ist (§ 216 Strafgesetzbuch). Der umfassende, verfassungsrechtlich
verankerte Lebensschutz unserer Rechtsordnung steht einer aktiven Sterbehilfe ent-
gegen.

Soweit mit der Petition die Aufhebung oder Einschränkung des Tötungsverbots ge-
fordert wird, tritt der Petitionsausschuss dem entgegen. Eine Relativierung des
Tötungsverbots könnte dazu führen, dass Menschen begründen müssten, warum sie
trotz ihres hohen Alters, ihrer Krankheit oder Behinderung am Leben bleiben möch-
ten. Aus der Möglichkeit, sich töten zu lassen, könnte leicht ein tatsächlicher oder
zumindest als solcher empfundener Druck entstehen, von dieser Möglichkeit
Gebrauch zu machen, insbesondere um anderen nicht länger zur Last zu fallen.
Jedem Menschen würde damit letztlich die Verantwortung überbürdet für sämtliche
Mühen, Kosten und Entbehrungen, die seine Mitmenschen aufbringen, um ihn zu
behandeln und zu pflegen. Vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlich veranker-
ten Unantastbarkeit und Unverfügbarkeit des Lebens jedes Menschen und der ver-
fassungsrechtlich verbürgten Achtung der Würde des Menschen ist die Forderung
abzulehnen.

Nach alledem kann der Petitionsausschuss ein weitergehendes Tätigwerden nicht in
Aussicht stellen und empfiehlt, das Petitionsverfahren abzuschließen, da dem Anlie-
gen teilweise entsprochen wurde.


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