2017-06-08 13:01
Jacqueline Steinlandt
Arbeitslosengeld II
Der Deutsche Bundestag hat die Petition am 01.12.2011 abschließend beraten und
beschlossen:
Das Petitionsverfahren abzuschließen, weil dem Anliegen nicht entsprochen werden
konnte.
Begründung
Mit der Petition wird gefordert, der Deutsche Bundestag möge beschließen, dass die
Ausbildungsförderung für Schüler nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz
("Schüler-BAföG") bei Arbeitslosengeld II-Empfängern nicht als Einkommen
angerechnet wird.
Zu diesem Thema liegen dem Petitionsausschuss mehrere Eingaben mit verwandter
Zielsetzung vor, die wegen des Sachzusammenhangs einer gemeinsamen
parlamentarischen Prüfung unterzogen werden. Es wird um Verständnis gebeten,
dass nicht auf alle der vorgetragenen Aspekte im Einzelnen eingegangen werden
kann.
Zur Begründung wird im Wesentlichen angeführt, dass das Bundessozialgericht im
März 2009 eine folgenschwere Entscheidung gegen junge Arbeitslosengeld II-
Empfänger
die
dass
sei,
worden
indem geurteilt
habe,
getroffen
Ausbildungsförderung für Schüler nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz
(BAföG) beim Arbeitslosengeld II zum überwiegenden Teil als Einkommen
anzurechnen sei. Junge Arbeitslosengeld II-Empfänger seien somit bei der
Ausbildungsplatzwahl benachteiligt, weil bestimmte Ausbildungsberufe nicht
im
Dualen Berufsausbildungssystem angeboten werden würden und diese fast immer
schulgeldpflichtig seien. Durch die Entscheidung des Bundessozialgerichtes seien
auch viele Arbeitsplätze bei in freier Trägerschaft geführten berufsbildenden Schulen
in Gefahr. Die geltenden gesetzlichen Regelungen führten zu einer Verschwendung
von Steuermitteln, da ein nur
relativ kleinerer Betrag für BAföG-Leistungen
ausgegeben werde, ein deutlich größerer aber für Maßnahmen der Bundesagentur
für Arbeit, die statistisch gesehen wenig Erfolg versprechend seien. Die im BAföG
geregelte Ausbildungsförderung für Schüler müsse verändert werden, da ein Teil der
Regelungen noch aus einer Zeit vor Einführung der neuen Grundsicherung für
Arbeitsuchende stamme.
des
Internetseite
der
auf
öffentliche Petition
als
Die Eingabe wurde
Petitionsausschusses eingestellt. Sie wurde postalisch und im Internet von
1.262 Mitzeichnern unterstützt. Außerdem gingen im Internet 30 Diskussionsbeiträge
ein.
Der Petitionsausschuss
des
eine Stellungnahme
der Eingabe
zu
hat
Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) eingeholt. Darin erläutert das
BMAS im Wesentlichen die geltende Rechtslage.
In seiner parlamentarischen Prüfung kommt der Petitionsausschuss zu folgendem
Ergebnis:
Das Arbeitslosengeld II als passive Leistung des Systems der Grundsicherung für
Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) ist eine aus
Steuermitteln finanzierte reine Fürsorgeleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts
des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und der mit
ihm in Bedarfsgemeinschaft
zusammenlebenden Angehörigen. Damit werden die Mindestvoraussetzungen für
ein menschenwürdiges Dasein gesichert. Die staatliche Gewährleistungspflicht
beschränkt sich hierbei nicht nur auf die bloße Sicherung der körperlichen Existenz
in
einer Notsituation,
sondern
umfasst
auch
die Gewährleistung
eines
"soziokulturellen Existenzminimums" sowie einen Schutz vor Stigmatisierung und
sozialer Ausgrenzung. Höhere
Leistungen
als
für
die Sicherung
des
Existenzminimums notwendig zu gewähren, wäre mit den Grundsätzen eines aus
Steuermitteln finanzierten Fürsorgesystems nicht vereinbar.
Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende haben nur
diejenigen Personen, die u. a. hilfebedürftig sind. Hilfebedürftig ist nur, wer seinen
Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt für sich und
die mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend
aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch Aufnahme einer zumutbaren
Arbeit, sichern kann. Entsprechend dem Nachranggrundsatz, der dem SGB II
zugrunde liegt, muss der erwerbsfähige Hilfebedürftige alle Möglichkeiten zur
Beendigung oder Verringerung seiner Hilfebedürftigkeit ausschöpfen (§ 2 Abs. 1
SGB II). Danach sind grundsätzlich alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert ohne
Rücksicht auf ihre Herkunft und Rechtsnatur als Einkommen leistungsmindernd zu
berücksichtigen (§ 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II). Eine Nichtberücksichtigung von
Einnahmen kommt nach der gesetzlichen Regelung des § 11 Absatz 3 Nummer 1a
SGB II für solche Einnahmen in Betracht, die als zweckbestimmte Einnahmen einem
anderen Zweck als die Leistungen nach dem SGB II dienen. Die Zweckbestimmung
einer Leistung ergibt sich regelmäßig aus dem der Leistung zugrundeliegenden
Gesetz.
Nach drei gleichlautenden Urteilen des Bundessozialgerichts vom 17. März 2009
B 14 AS 61,62 und 63/07 R ist die Ausbildungsförderung nach dem BAföG für
Schüler
im Haushalt der Eltern als Einkommen beim Arbeitslosengeld II zu
berücksichtigen. Lediglich ein Teilbetrag wird als zweckbestimmte Einnahme in
Abzug gebracht. Die Ausbildungsförderung wird nach ausdrücklicher gesetzlicher
Regelung in § 11 Absatz 1 BAföG für den Lebensunterhalt und die Ausbildung
geleistet. Das Bundessozialgericht hat dazu festgestellt, dass 20 Prozent der
Ausbildungsförderung als für die Ausbildung zweckbestimmter Teil nicht als
Einkommen zu berücksichtigen sind. Der Anteil von 20 Prozent berechnet sich dabei
nicht nach der individuellen Höhe der Ausbildungsförderung, sondern pauschal nach
dem für Schüler geltenden Höchstsatz.
Ein Abzug des Schulgeldes, welches an eine private Berufsfachschule zu entrichten
ist,
von
der Ausbildungsförderung
kommt
nach
der
Feststellung
des
Bundessozialgerichts über den zweckbestimmten Teil hinaus nicht in Betracht. Die
Entscheidung des Bundessozialgerichts entspricht der Systematik des BAföG. Ein
für den Besuch einer privaten Berufsfachschule zu zahlendes Schulgeld ist nicht Teil
der Ausbildungsförderung nach dem BAföG und kann daher auch nicht als
zweckbestimmt von der Ausbildungsförderung abgesetzt werden. Dies ergibt sich
auch daraus, dass der Gesetzgeber in § 14a BAföG die Bundesregierung ermächtigt
hat, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zu bestimmen, dass
Ausbildungsförderung über die pauschalen Bedarfe hinaus zur Deckung besonderer
Aufwendungen
des
Auszubildenden
zu
leisten.
Eine
zusätzliche
Ausbildungsförderung für Schulgeld war
in der Erstfassung der BAföG-
Härteverordnung vom 15. Juli 1974 (BGBl. I vom 17. Juli 1974, S. 1449) aufgeführt.
Dies wurde später aufgehoben. Das Schulgeld ist demnach nicht Teil der
Ausbildungsförderung.
Die Ausbildungsförderung erstreckt sich nicht auf das Schulgeld, weil das
umfassende, vielfältig gegliederte Angebot an öffentlichen Ausbildungsstätten derzeit
in der Regel ausreichende Möglichkeiten bietet, die gewünschte Ausbildung frei von
Studien- bzw. Schulgebühren zu absolvieren und vorausgesetzt werden kann, dass
der Auszubildende sich mobil zeigt und gegebenenfalls auch bereit
ist,
in ein
anderes Bundesland umzuziehen, um sein Ausbildungsziel zu verwirklichen. Eine
Prüfung durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung hatte aber auch
ergeben,
dass
das Angebot
an
gebührenfreien
öffentlichen
schulischen
Ausbildungsstätten möglicherweise nicht gleichermaßen an jedem Ort und in jedem
beliebigen Ausbildungsbereich zur Verfügung steht. Dies gilt insbesondere für die
Ausbildungsangebote in den Heil- und Gesundheitsdienstberufen, wie z. B.
Logopäden, Ergo- und Physiotherapeuten; hier steht
traditionell einem geringen
gebührenfreien staatlichen Angebot ein verstärktes kostenpflichtiges Angebot
privater Ausbildungseinrichtungen gegenüber.
Steht am Wohnort der Eltern nur eine kostenpflichtige Ausbildungsstätte zur
Verfügung, gilt die Voraussetzung des § 12 Absatz 2 Satz 2 BAföG als erfüllt mit der
Folge, dass die Ausbildungsförderung nach dem für auswärtige Unterbringung
geltenden Bedarfssatz zu Grunde gelegt wird. Richtet sich die Höhe der
Ausbildungsförderung demnach nach § 12 Absatz 2 BAföG, kann die Schülerin oder
der Schüler für ungedeckte angemessene Wohnkosten bei dem zuständigen Träger
der Grundsicherung für Arbeitsuchende einen Zuschuss nach § 22 Absatz 7 SGB II
beantragen.
Der Ausschuss hält die geltende Rechtslage im Hinblick auf die Anrechnung der
Ausbildungsförderung
für Schüler
nach
dem BAföG im Rahmen
des
Arbeitslosengeldes II für sachgerecht und geboten und vermag sich nicht für eine
Gesetzesänderung im Sinne der Petition auszusprechen.
Der Petitionsausschuss empfiehlt daher, das Petitionsverfahren abzuschließen, weil
dem Anliegen der Petition nicht entsprochen werden konnte.