Arbeitslohn - Forderung nach einer Ausnahme vom MIndestlohngesetz für Bereitschaftsdienste in spezifischen Einrichtungen

Petent/in nicht öffentlich
Petition richtet sich an
Petitionsausschuss des Deutschen Bundestags

2 Unterschriften

Der Petition wurde nicht entsprochen

2 Unterschriften

Der Petition wurde nicht entsprochen

  1. Gestartet 2016
  2. Sammlung beendet
  3. Eingereicht
  4. Dialog
  5. Beendet

Dies ist eine Online-Petition des Deutschen Bundestags.

14.08.2018, 04:27

Pet 4-18-11-8006-035906 Arbeitslohn

Der Deutsche Bundestag hat die Petition am 26.04.2018 abschließend beraten und
beschlossen:

Das Petitionsverfahren abzuschließen, weil dem Anliegen nicht entsprochen werden
konnte.

Begründung

Mit der Petition wird eine Ausnahme vom Mindestlohngesetz für Bereitschaftsdienste
in Einrichtungen, in denen erzogen, gepflegt oder betreut wird, gefordert.

Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgetragen, familienähnliche
Erziehungssettings, Kleinstgruppen, familienähnliche Wohngruppen und weitere
Formen seien in der stationären Kinder- und Jugendhilfe hochdifferenzierte und am
spezifischen Bedarf der in ihnen lebenden jungen Menschen mit Hilfebedarf
ausgerichtete Betreuungsformen. Sie zeichneten sich dadurch aus, dass die
Betreuungspersonen mit den zu betreuenden jungen Menschen zusammen lebten.
Übersichtlichkeit, Verlässlichkeit sowie gelebte Intimität im Rahmen der stationären
Heimerziehung seien ihre charakteristischen Merkmale. Sie hätten sich in den
vergangenen Jahrzehnten in der Heimerziehung sehr bewährt, weil sie den kindlichen
Bedürfnissen in hohem Maße entsprächen.

Erziehungsstellen und familienanaloge Wohnformen setzten zwingend eine „Rund-
um-die-Uhr-Betreuung“ voraus, die auch Grundlage der Betriebserlaubnis
nach § 45 des Achten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VIII) sei. Diese wichtigen
Angebotsformen der stationären Kinder- und Jugendhilfe seien nun auf Grundlage der
Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 29. Juni 2016 – 5 AZR 135/16
insoweit gefährdet, als dass Bereitschaftszeiten nunmehr auch mit dem Mindestlohn
zu vergüten seien.

Da Bereitschaftsdienste Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes seien (BAG vom
29. November 2014 – 5 AZR 1101/12), führe dies bei den genannten
Betreuungsformen auf Grundlage von § 34 SGB VIII dazu, dass die gesamte
Arbeitszeit dieser „Rund-um-die-Uhr-Betreuung“ mit dem Mindestlohn zu vergüten sei.
Bei dieser Betreuung lägen immer 24 Stunden Arbeitszeit im Sinne des
Arbeitszeitgesetzes vor, die mindestens mit dem Mindestlohn zu vergüten seien.
Derzeit erhielten die Betreuungspersonen einen pauschalen Monatslohn, mit dem die
gesamte anfallende Arbeitszeit einschließlich der Bereitschaftszeiten abgegolten
werde.

Da der Mindestlohn weder einzelvertraglich noch anderweitig umgangen werden
könne, bedürfe es hier einer dringenden gesetzlichen Korrektur. Auf Grundlage der
genannten Rechtsprechung würden sich die Personalkosten der Fachkräfte in diesen
Einrichtungen nahezu verdoppeln, was seitens der belegenden Jugendämter nicht zu
refinanzieren wäre. Dies gefährde den Bestand der Einrichtungen und damit die
Zukunftschancen der in ihnen lebenden Kinder.

Es sollte eine Ausnahmeregelung analog zum Arbeitszeitgesetz geschaffen werden.
Dies finde für derartige Einrichungen nach § 18 Arbeitszeitgesetz keine Anwendung.

Dem Petitionsausschuss liegen zu diesem Thema mehrere Eingaben mit verwandter
Zielsetzung vor, die wegen des Sachzusammenhangs einer gemeinsamen
parlamentarischen Prüfung unterzogen werden. Es wird um Verständnis gebeten,
dass nicht auf alle der vorgetragenen Aspekte im Einzelnen eingegangen werden
kann.

Die Eingabe wurde als öffentliche Petition auf der Internetseite des Deutschen
Bundestages eingestellt und dort diskutiert. Sie wurde von 47 Mitzeichnern unterstützt,
und es gingen 31 Diskussionsbeiträge ein.

Der Petitionsausschuss hat der Bundesregierung Gelegenheit gegeben, ihre Haltung
zu der Eingabe darzulegen. Das Ergebnis der parlamentarischen Prüfung lässt sich
unter anderem unter Einbeziehung der seitens der Bundesregierung angeführten
Aspekte wie folgt zusammenfassen:

Zutreffend ist, dass auch Bereitschaftszeiten mit dem gesetzlichen Mindestlohn zu
vergüten sind. Dies hat das BAG mit Urteil vom 29. Juni 2016 – 5 AZR 716/15 bestätigt.
Diese Rechtsauffassung liegt auch der Kontrollpraxis der mit der Durchsetzung des
Mindestlohngesetzes befassten Zollbehörden zugrunde.

Der Mindestlohn stellt eine allgemeine, für alle Branchen und Bereiche geltende
absolute Lohnuntergrenze dar. Durch die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns
werden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor Niedrigstlöhnen geschützt, die der
Gesetzgeber branchenübergreifend als generell unangemessen ansieht (vgl. BT-
Drs. 18/1558 S. 28).
Nach seiner Grundkonzeption wird der gesetzliche Mindestlohn für die geleistete
Arbeit geschuldet. Zur Arbeit im vergütungsrechtlichen Sinn zählt nach der ständigen
Rechtsprechung des BAG nicht nur jede Tätigkeit, die als solche der Befriedigung
eines fremden Bedürfnisses dient, sondern auch eine vom Arbeitgeber veranlasste
Untätigkeit, während derer der Beschäftigte am Arbeitsplatz oder einer vom
Arbeitgeber bestimmten Stelle anwesend sein muss und nicht frei über die Nutzung
des Zeitraums bestimmen kann, er also weder eine Pause noch Freizeit hat
(vgl. Urteile des BAG vom 29. Juni 2016 – 5 AZR 716/15 – sowie
vom 19. November 2014 – 5 AZR 1101/12 -), so dass auch Bereitschaftszeiten zur
„Arbeit“ zählen und mit dem Mindestlohn zu vergüten sind. Die Schutzfunktion des
Mindestlohns wird nur erreicht, wenn der Mindestlohn Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmern nicht nur für Vollarbeit, sondern auch bei Formen verminderter
Arbeitsintensität zugutekommt. Andernfalls würden sich auch für die Praxis kaum
handhabbare Abgrenzungsfragen stellen.

Dessen ungeachtet ist bei der Frage, ob der gesetzliche Mindestlohnanspruch bei
Bereitschaftsdiensten erfüllt ist, nach der Rechtsprechung eine Durchschnitts-
betrachtung zulässig: Hiernach ist es ausreichend, wenn durch die monatliche
ausgezahlte Bruttovergütung die im Abrechnungszeitraum insgesamt geleisteten
Arbeitsstunden mit dem gesetzlichen Mindestlohnsatz vergütet werden
(vgl. Urteil des BAG vom 29. Juni 2016 – 5 AZR 716/15 -).

Wertungen des Arbeitszeitgesetzes stehen dem nicht entgegen. Das Arbeitszeitgesetz
ist Teil des Arbeitsschutzrechts; Ziel ist die Gewährleistung der Sicherheit und des
Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmerinnen und der Arbeitnehmer. So blieben auch
Bereitschaftszeiten im Transportgewerbe, die keine Arbeitszeit im Sinne des
Arbeitszeitgesetzes sind, dem Grunde nach vergütungspflichtig (vgl. Urteil des BAG
vom 20. April 2011 – 5 AZR 200/100 -). Umgekehrt haben Verstöße gegen die
Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes keine vergütungsrechtlichen Folgen.

Der Ausschuss hält die Rechtslage vor dem dargestellten Hintergrund für sachgerecht
und vermag die Eingabe nicht zu unterstützen. Daher empfiehlt der Ausschuss, das
Petitionsverfahren abzuschließen, weil dem Anliegen nicht entsprochen werden
konnte.

Begründung (PDF)


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