Warum der König von England (Charles III.) „I am Julian Assange“ sagen sollte.

Sehr geehrte Königliche Hoheit (Charles III, König von England),

Ich möchte Ihnen mein Beileid für den tragischen Verlust in Ihrer Familie aussprechen, und ich wünsche Ihnen viel Kraft für all das, was Ihnen noch bevorsteht. Sie haben sich in der Vergangenheit häufig für die Menschenrechte eingesetzt und für einen Prinzen unorthodoxe Entscheidungen getroffen. Deswegen wende ich mich mit einer ungewöhnlichen Bitte an Sie, die einen wirklich weisen König erfordert.

Sie haben sicherlich von Julian Assange gehört. Seine Einstellung zur Pressefreiheit und sein Gewissen haben ihn übergangsweise in ein englisches Gefängnis gebracht. Unsere Pressewelt wäre heute einen andere, hätte er nicht mit seinen Veröffentlichungen dafür gesorgt, dass viele Gerüchte durch Wort, Ton und Bild belegt worden sind. Er hat damit meine Sicht auf die Welt verändert. Inwieweit er Ihren Blickwinkel beeinflusst hat, kann ich nur vermuten. Es gäbe jetzt vieles, was ich über ihn berichten könnte, unter anderem hat er die Kriegsverbrechen seiner Ankläger (der USA) aufgedeckt und somit infrage gestellt, was geheim sein darf und geheim sein sollte. Viele Nachahmer sind weltweit seinem Beispiel gefolgt und haben auf ihre Art die Welt bewegt. Die meisten von ihnen haben ihrerseits einen Preis dafür bezahlt. Welchen Preis Assange noch zahlen muss, liegt in den Händen von Menschen, deren Rechtsverständnis nicht das meine ist. Zukünftige Generationen werden auf uns zurückblicken und fragen, warum wir in unseren Handlungsspielräumen so eingeschränkt waren – es wäre doch so einfach gewesen.

Ich wünsche mir, dass ein König kraft seines Amtes das Schweigen um Assange durchbricht und ihn begnadigt. Sozusagen als königliche Geste des Großmutes zu großen Anlässen. Aber wahrscheinlich sind diese Zeiten selbst in England lange vorbei. Wir leben ja schließlich in einer Demokratie und wir alle erwarten eine neutrale richterliche Rechtsprechung. Aber als Zeichen der persönlichen Solidarität wäre ein einfaches "I am Julian Assange" absolut zu vertreten. Ich verstehe das als Zeichen, welchen Werten sich ein König verpflichtet fühlt. Dass er die Wahrheit über alles schätzt und seinem Gewissen folgt, auch wenn das manchmal noch so unangenehm zu sein scheint. Werte, denen ich mich verpflichtet fühle und die Millionen von politisch Verfolgten in Gefängnis gebracht haben. In diesen Zeiten der politischen Wirren ist das eine kleine, mutige und vor allem friedliche Geste. Eine Geste, die eine große Wirkung haben kann, wenn sie von der richtigen Person ausgeht. Fast wie ein Zauberspruch, der sich in Wellen ausbreitet und so die Zukunft von Generationen beeinflusst.

Eine wahrhaft königliche Geste, die man sonst nur aus Filmen oder Märchen kennt, von einigen gefürchtet, von vielen herbeigesehnt und als richtungsweisend anerkannt. Ich für meinen Teil würde darin einen Hoffnungsschimmer sehen in einer Welt, die heute etwas mehr Hoffnung, Mut und Ehrlichkeit gebrauchen kann.

In der Annahme, dass dieser Brief Sie erreicht und dass Sie das Richtige zu gegebener Zeit tun können, verbleibe ich und warte auf das Beben der Hoffnung, das Eure Königliche Hoheit mit diesen Worten auslösen könnte.

Hochachtungsvoll, Jan Juhnke